Signale der NATO an Moskau
Es sei "einfach lächerlich" davon zu sprechen, dass von Russland eine militärische Bedrohung für NATO-Mitgliedstaaten ausgehe, hat Wladimir Putin am Donnerstag in Sotschi gesagt. Es ist nicht lange her, da hätten dem auch manche Kritiker des russischen Präsidenten noch zugestimmt - einfach, weil es so unvorstellbar erschien. Aber in den vergangenen beiden Jahren hat die russische Führung vieles getan, was sich zuvor sogar Pessimisten nicht vorstellen wollten. Wenn Putin zweieinhalb Jahre nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Osten der Ukraine sagt: "Russland hat nicht vor, irgendjemanden zu überfallen", dann weckt das Erinnerungen an Walter Ulbricht: Der SED-Parteichef hat kurz vor dem Bau der Berliner Mauer 1961 noch behauptet, niemand habe vor eine Mauer zu bauen.
Das heißt nicht, dass eine unmittelbare Gefahr besteht. Aber weil Putin heute so vertrauenswürdig ist, wie es Ulbricht damals war, muss die NATO auch Möglichkeiten in Betracht ziehen, die man eigentlich gerne ausschließen würde. Daher ist es richtig, dass das Bündnis nach dem Verteidigungsministertreffen Mitte der Woche nun damit beginnt, die im Sommer auf dem NATO-Gipfel beschlossene Aufstellung multinationaler Truppen in den baltischen Staaten und Polen zu verwirklichen. Allein durch ihre Anwesenheit verringern sie die Gefahr, dass tatsächlich etwas passiert. Unternähme die NATO nichts, könnte dies Hardliner im Kreml in Versuchung führen, auszuprobieren, ob das Bündnis seinen Mitgliedern im Osten wirklich beistehen würde. So ist diese Frage eindeutig geklärt, weil jedes Zündeln im Baltikum oder in Polen automatisch auch ein Konflikt mit einer der Führungsnationen des Bündnisses wäre. Wenn Putin ein rational handelnder Politiker ist, dann wird Russland deshalb keines dieser Länder ernsthaft militärisch bedrohen.
Gleichzeitig mit dieser Demonstration der Verteidigungsbereitschaft sendet die Nato an Moskau das Signal aus, dass sie weiter an einem Dialog interessiert ist. Auch das ist richtig und wichtig. Große Resultate sollte man davon derzeit nicht erwarten. Aber mit dem Dialog ist es wie mit den Sanktionen, die wegen der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ukraine gegen Russland verhängt worden sind: Auch wenn die Hoffnung gering ist, dass die russische Führung dadurch von ihrer Aggressionspolitik abgebracht wird, muss man es wenigstens versucht haben.
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