1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Saudi-Arabien ein Schurkenstaat?

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
12. Oktober 2018

Sollte der Mord an Jamal Khashoggi in Istanbul tatsächlich zur Gewissheit werden, dann hat das weitreichende Folgen für den ganzen Nahen Osten, meint Rainer Hermann von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

https://p.dw.com/p/36QMW
Verschwinden des prominenten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi
Bild: picture-alliance/AA/O. Coban

Das Verschwinden und der mit Sicherheit anzunehmende Tod des prominenten saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi hat das Potenzial, die Spannungen in einer Region zu verschärfen, die ohnehin die instabilste weltweit ist und die mit den meisten Konflikten.

Die Zeitung "Washington Post", in der Khashoggi seit einem Jahr regelmäßig publiziert hat, berichtet inzwischen unter Berufung auf türkische und us-amerikanische Quellen, es gebe Ton- und Video-Dokumente, die beweisen, dass Khashoggi am 2. Oktober im Konsulat seines Landes in Istanbul tatsächlich ermordet worden ist. Die türkischen Behörden legten diese Beweise nur deswegen nicht offen, weil sie deutlich machen, in welchem Umfang das saudische Generalkonsulat (und wohl auch viele andere diplomatische Vertretungen) in der Türkei ausspioniert wird - was einem diplomatischen Affront gleich kommt.

Gezielter Plan mit Vorlauf

Schon tags zuvor hatte die "Washington Post" geschrieben, ihr lägen Geheimdienstinformationen vor, dass der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman den Dissidenten nach Saudi-Arabien habe locken wollen, um ihn dort festzusetzen. Khashoggi hat jedoch nicht angebissen. Dann wurde er nach Istanbul, den Wohnort seiner Verlobten gelockt, wo er in dem Konsulat auf Nimerwiedersehen verschwand.

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Sogar US-Präsident Donald Trump und der Kongress in Washington haben sich inzwischen eingeschaltet. Es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass der Fall Khashoggi eine Änderung der Politik des Westens gegenüber Saudi-Arabien einleiten wird - und das hätte Folgen für den gesamten Nahen Osten.

Allein das Verschwinden Khashoggis schadet bereits dem Image Saudi-Arabiens, das unter Führung des 33 Jahre alten Kronprinzen am Beginn eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels steht. Die neuen Freiheiten sollen die Menschen zufriedenstellen, damit sie nicht auch politisches Mitspracherecht einfordern. Dissens ist nicht erwünscht, der Herrscher allein gewährt und nimmt Freiheiten.

Nun steht Saudi-Arabien jedoch Pranger und könnte in den Kreis jener Schurkenstaaten aufgenommen werden, die Kritiker ins Gefängnis werfen und sogar im Ausland töten. Das will auch Präsident Trump nicht hinnehmen. Die Stärke Saudi-Arabiens als Führungsmacht der arabischen und der islamischen Welt hängt aber stark an der Unterstützung durch die USA. Ohne sie kann Saudi-Arabien seinen harten Kurs gegen Iran nicht durchhalten. Ein geschwächtes Saudi-Arabien könnte auch nicht länger in der Palästinafrage eine Lösung unterstützen, wie sie sich die israelische Regierung und das Weiße Haus ausgedacht haben.

Ein Beben über Saudi-Arabien hinaus

Und für alle westliche Staaten stellt sich wieder die Frage, wie sie mit autoritären Staaten umgehen sollen. Wenn in einem osteuropäischen Land Dissidenten ermordet werden, wird ja gleich der Ruf nach Sanktionen laut. Saudi-Arabien ist beileibe nicht das einzige arabische Land, dessen Dissidenten gefährlich leben. Der Fall Khashoggi löst daher ein Beben aus, das über das Königreich hinaus zu spüren sein wird.