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Gastkommentar: Gewaltherrschaft

Kommentatorenbild DUMMY Dr. Reinhard Müller App
Reinhard Müller
28. Juli 2016

Nach Militär und Wissenschaft sind in der Türkei nun die Medien dran. Nachrichtenagenturen, TV- und Radio-Stationen und Zeitungen werden geschlossen. Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Türkei Demo für Medienfreiheit in Istanbul © Getty Images/AFP/O. Kose
Bild: Getty Images/AFP/O. Kose

Die Türkei ist im Ausnahmezustand. Aber auch im Notfall gelten Regeln. So hatte der türkische Präsident Erdogan das Recht, einen Putsch niederzuschlagen und aufständische Offiziere zu entlassen. Generäle, die einen Umsturz wagen, müssen auch anderswo mit einer Anklage wegen Hochverrats rechnen. Doch Erdogan schießt mit seinen Säuberungen weit darüber hinaus. Jetzt sind die Medien dran. Das massenhafte Vorgehen gegen Journalisten, Zeitungen und Sender widerspricht fundamentalen Grundrechten, denen sich auch die Türkei verpflichtet hat. So kann Erdogan zwar im Notstand von Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abweichen, doch nur soweit es die Lage unbedingt erfordert und eine Maßnahme nicht im Widerspruch zu sonstigen völkerrechtlichen Pflichten steht. Wenn per Dekret die Schließung von hunderten von Medienorganen angeordnet wird, nur weil sie im Verdacht stehen, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu haben, so ist das ein nicht zu rechtfertigender Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit.

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Dr. Reinhard Müller ist Verantwortlicher Redakteur für Zeitgeschehen und Staat und RechtBild: privat

Das muss nicht nur den Europarat und die Europäische Union auf den Plan rufen, sondern auch die Nato. Deren Mitgliedstaaten, also auch die Türkei, haben vertraglich beschlossen, "die Freiheit, das gemeinsame Kulturerbe ihrer Völker, gegründet auf die Prinzipien der Demokratie, auf die Freiheit des einzelnen und die Grundsätze des Rechts, sicherzustellen." Zwar hat der Nato-Staat am Bosporus eine Tradition von Militärputschen. Seine strategische Lage und Bedeutung insbesondere in der europäischen Flüchtlingskrise hat sich durch die Niederschlagung des Putsches nicht geändert. Die Türkei bleibt wichtig. Aber die sogenannte westliche Wertegemeinschaft kann es sich nicht leisten, einen fundamentalen Angriff auf eben diese Werte zu ignorieren. Die Abschaffung und Gleichschaltung von Medien hat noch eine andere Qualität als die Entlassung von Staatsdienern. Die Freiheit der Meinung ist wesentlich für einen Rechtsstaat. Der Anspruch, im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein und andere Ansichten drakonisch zu unterdrücken - das kennzeichnet einen autoritären Staat. Mag Erdogan auch demokratisch ins Amt gekommen sein; er ist im Begriff, die Schwelle zu Diktatur und Gewaltherrschaft zu überschreiten.

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