Gastkolumne: Dodik muss in Bosnien gestoppt werden!
4. Juli 2023Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, hat am 1. Juli erneut seine Vollmachten eingesetzt, um zwei verfassungswidrige Gesetze des Parlaments der Republika Srpska zu annullieren und das Strafgesetz Bosnien und Herzegowinas zu verschärfen.
Das Parlament der Republika Srpska (RS), eine der beiden Entitäten in Bosnien und Herzegowina mit vorwiegend serbischen Einwohnern, hatte zuvor ein Gesetz über die Aussetzung aller Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien Herzegowina in der Republika Srpska verabschiedet. Die Urteile des Verfassungsgerichts sollen demnach in der Republika Srpska nicht mehr umgesetzt werden. Vorgeschlagen hatte das Gesetz Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, der beste Verbindungen zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin und zum ungarischen Premier Viktor Orban pflegt.
Dieses Gesetz ist die bislang schwerste Verletzung der Verfassung von Bosnien und Herzegowina und des Daytoner Friedensabkommens seit dem Kriegsende 1995 und hat dementsprechend für große Unruhe gesorgt. Es verwundert nicht, dass die Internationale Gemeinschaft - das State Department der USA, die EU, die NATO und das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) - umgehend reagierte und Gegenmaßnahmen ankündigte.
Nie wieder Krieg, Terror und Gräueltaten
Die erste erfolgte durch Christian Schmidt, der dafür zuständig ist, das Daytoner Friedensabkommen zu überwachen, das den furchtbaren Bosnien-Krieg 1995 beendete. Schmidt annullierte am 1. Juli zwei Gesetze des Parlaments der Republika Srpska und änderte das Strafgesetz in Bosnien und Herzegowina so, dass jedem, der die verfassungsmäßige Ordnung des Staates angreift, eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren droht. Die gleiche Strafe bekämen demnach auch diejenigen, die die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten nicht respektieren. Damit hat die Staatsanwaltschaft Bosnien-Herzegowinas eine feste rechtliche Grundlage bekommen und muss sowohl Dodik als auch andere Straftäter verfolgen. Ob das nun auch umgesetzt wird, ist eine andere Frage.
Schmidt machte in seiner außerordentlichen Presseansprache deutlich, dass die Handlungen Dodiks und des Parlaments der Republika Srpska ein direkter Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung von Bosnien und Herzegowina und das Daytoner Friedensabkommen sind. Er erinnerte daran, dass das Mandat des Friedensabkommens darin besteht, dafür zu sorgen, dass es nie wieder zu Krieg, Terror und Gräueltaten kommt, wie sie die Menschen in Srebrenica und bei der Belagerung von Sarajevo erlebten. Christian Schmidt forderte die Internationale Gemeinschaft auf, gezielt neue Sanktionen gegen alle zu verhängen, die absichtlich die Verfassungsordnung von Bosnien und Herzegowina untergraben.
Erfüllung der einstigen Kriegsziele
Nach der Entscheidung Schmidts kündigte Dodik in einer konfusen Ansprache am 2. Juli unbeeindruckt an, dass die Republika Srpska in einem nächsten Schritte den Gerichtshof von Bosnien und Herzegowina, die Staatanwaltschaft und die Staatsbehörde für Ermittlungen und Schutz (SIPA) Bosnien und Herzegowinas nicht mehr anerkennen werde und dass er, Dodik, bis zum Ende des Jahres, wenn der Druck auf ihn wachse, sogar ein Referendum über den Status der Republika Srpska ausrufen könnte. Zudem möchte er die Entitätsgrenze zwischen der Republika Srpska und der Föderation verstärkt haben.
Dodik versuchte in seiner Ansprache auch, Serbien und dessen Präsidenten Aleksandar Vucic sowie den Konflikt mit Kosovo ins Spiel zu bringen. Das verwundert nicht. Es ist kein Geheimnis, dass es inzwischen um einen Machtkampf zwischen zwei Präsidenten geht - und letztlich darum, wer künftig die gesamte serbische Nation anführen soll. So sagte Dodik, dass die "Entscheidungen Schmidts, einen synchronisierten Angriff auf die Republika Srpska, Serbien und Aleksandar Vucic und mich darstellen". Er wiederholte, dass er an "eine Vereinigung mit Serbien glaubt", was eigentlich die Erfüllung der großserbischen Kriegsziele des einstigen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic bedeuten würde.
Konsequente Sanktionen
Präsident Vucic hat sich bisher mit Statements zurückgehalten und merkte nur an, dass er wegen der Ereignisse in der Republika Srpska sehr besorgt sei und dass er Angst habe, dass die Internationalen Gemeinschaft entschieden habe, sehr hart vorzugehen.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Jelena Trivic, eine politische Favoritin von Präsident Vucic, die die Präsidentschaftswahl in der Republika Srpska im Oktober 2022 als Gegenkandidatin zu Dodik unter sehr dubiosen Umständen verlor, kommentierte für den unabhängigen TV-Sender Face TV-Sarajevo: "Ich bin nicht dafür, dass wir als Nation und die Republika Srpska Opfer eines verantwortungslosen Einzelnen werden, in einer Aktion, die heißt: 'Wie rette ich meine Milliarden?'. Doch das ist es, was Dodik tut." Sie warnte: "Dodik bedroht die gesamte RS und die Menschen, die aufgrund seiner irrationalen Entscheidungen zum Kanonenfutter werden müssen."
Jetzt wäre eigentlich die Internationale Gemeinschaft an der Reihe. Man darf nicht dieselben Fehler machen wie in meiner Zeit als Hoher Repräsentant, als die USA mich daran hinderten, Maßnahmen zu ergreifen, um Dodik in seine Schranken zu weisen. Heute hat die Internationale Gemeinschaft viele Möglichkeiten, Dodik zu sanktionieren. Man muss diese Sanktionen nur konsequent anwenden.
Klug und entschieden handeln
Man darf bei allem nie aus den Augen verlieren, dass Dodik eigentlich der verlängerte Arm Putins auf dem Westbalkan ist. Er werde bis zum Ende gehen, verkündet Dodik immer wieder, weil er keine andere Wahl habe. Gerade dieser Satz sollte uns alle aufrütteln, denn Dodik hat nichts mehr zu verlieren. Das macht ihn sehr gefährlich.
Ich schließe mich den Stimmen einiger namhafter bosnischer Intellektueller an, die in einem Artikel für das Portal Freies Bosnien schreiben: "Die Reaktion auf Dodiks schleichenden Putsch muss Konfrontation sein, nicht Kompromisse und Zugeständnisse. Der Einsatz von Polizeikräften, Kräften der EUFOR-Mission Althea oder der Einsatz von 'Over-the-Horizon-'NATO-Streitkräften müssten dringend in Betracht gezogen werden, zunächst durch die Entsendung von Interventionstruppen an dem geostrategisch wichtigsten Standort, dem Bezirk Brcko. Dodik wird nicht aufhören, bis er gestoppt wird."
Man muss jetzt sehr klug und mit viel Willenskraft handeln. Die Internationale Gemeinschaft darf die Fehler der 1990er Jahre nicht wiederholen. Dodik darf keinen neuen Krieg anzetteln.
Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling war 2006/07 Hoher Repräsentant und EU-Sonderbeauftragter in Bosnien und Herzegowina. Von 1982 bis 1992 hatte der CDU-Politiker das Amt des Bundesministers für Post und Telekommunikation inne. Er trat aus Protest gegen die Haltung der Bundesregierung im Bosnien-Krieg zurück.