Gasstreit spitzt sich zu
27. Dezember 2005Im Streit zwischen Russland und der Ukraine hat sich der Tonfall am Dienstag (27.12.2005) weiter verschärft. Äußerungen des ukrainischen Energieministers Iwan Platschkow, wonach eine Einigung erzielt werden konnte, wurden vom russischen Gasmonopolisten Gasprom jedoch umgehend dementiert. Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow nannte Platschkows Äußerung eine Provokation. Der ukrainische Energieminister hatte erklärt, im Streit über die von Gasprom geplanten Preissteigerungen sei es zu einer Einigung gekommen.
Der Konzern Gasprom, der mehrheitlich in russischem Staatsbesitz ist, will den Preis für Lieferungen an die Ukraine vom 1. Januar an mehr als vervierfachen und hat gedroht, dem Land andernfalls gar kein Gas mehr zu verkaufen. Das Unternehmen begründet die Preiserhöhung von derzeit knapp 50 Dollar auf dann 230 Dollar für 1000 Kubikmeter Gas mit der Abschaffung von Sonderkonditionen und dem Übergang zu international üblichen Handelsbedingungen. Die Regierung in Kiew wehrt sich dagegen und kritisiert die Steigerung als Bestrafung für die westlich orientierte Politik der Ex-Sowjet-Republik.
"Juristisches Analphabetentum"
80 Prozent der für Westeuropa bestimmten Gasexporte fließen allerdings über ukrainisches Territorium. Gasprom warnte am vergangenen Freitag, wenn keine Einigung mit Kiew zu Stande komme, dürfe die dortige Regierung keinesfalls die für Europa bestimmten Exporte anzapfen.
Der ukrainische Ministerpräsident Jurij Jechanurow erklärte dazu, die Ukraine sei berechtigt, 15 Prozent der über ihr Territorium transportierten Gasmenge als Transitgebühr abzuschöpfen. Dies sei im Vertrag mit Gasprom ausdrücklich festgehalten, hieß es in einer am Dienstag von Jechanurows Büro veröffentlichten Mitteilung. Gasprom-Sprecher Kuprianow erklärte, dies zeuge von juristischem Analphabetentum.
Warnung an Kiew
Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow warnte Kiew unterdessen davor, Moskau höhere Gebühren für die Nutzung des ukrainischen Hafens Sewastopol abzuverlangen. Der Minister reagierte damit auf Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Der hatte gesagt, nach der angekündigten Preiserhöhung könnte die Ukraine die Mietpreise für die in Sewastopol liegende Basis der russischen Schwarzmeerflotte überdenken. Die beiden Länder hatten das Abkommen über die Schwarzmeerflotte 1997 unterzeichnet. Demnach muss Moskau jährlich rund 100 Millionen Dollar (gut 84 Millionen Euro) für die Nutzung des Hafens in der Stadt Sewastopol zahlen. Der marktübliche Preis würde laut ukrainischen Kreisen bei bis zu zwei Milliarden Dollar liegen.
Die Klauseln seien Teil eines größeren russisch-ukrainischen Abkommens, dessen zweiter Teil Bestimmungen zur "Unverletzlichkeit der Grenzen" beider Länder enthalte. Bei einer Änderung wäre auch die Anerkennung der territorialen Integrität infrage gestellt. "Deswegen wäre es meiner Ansicht nach fatal, diese Vereinbarungen zu verändern", sagte Iwanow im staatlichen Fernsehen. Der ukrainische Verteidigungsminister Anatolij Gritsenko versicherte, Kiew werde die Bedingungen nicht einseitig ändern. Inzwischen stellen einige ukrainische Politiker das Existenzrecht der Basis überhaupt in Frage. (stu)