Garangs Tod bedroht den Friedensprozess im Sudan
1. August 2005Die Regierung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum erklärte am Montag (1.8.2005), Garang sei auf dem Weg von Uganda in den Südsudan gewesen. Sein Hubschrauber sei bei schlechtem Wetter gegen einen Berg geprallt. Die Leiche des 60-Jährigen wurde nach Angaben aus Uganda bereits gefunden. Sechs Mitarbeiter und sieben Besatzungsmitglieder kamen ebenfalls ums Leben.
Garang war jahrelang Chef der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), die im überwiegend christlich-animistischen Süden des Landes gegen die muslimische Regierung in Khartum kämpfte. Nach dem Friedensabkommen im Januar 2005 wurde Garang am 9. Juli zum Vizepräsidenten vereidigt. Er galt als Integrationsfigur und als Stütze für Präsident Omar el Baschir bei dessen Bemühungen um Stabilität im Lande.
Brennende Autos in Khartum
In Khartum kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen, als der Tod Garangs bekannt wurde. Tausende Menschen zogen durch die Straßen; einige trugen Messer und Schusswaffen. Mehrere Gruppen zündeten Autos an und bewarfen Passanten mit Steinen. Die Bewohner von Khartum verbarrikadierten sich in ihren Häusern.
Ein europäischer Diplomat in der Stadt sprach von "ernsten Zwischenfällen". Demnach waren Gewehrschüsse zu hören; in der ganzen Stadt wurden Straßensperren errichtet. Auch der Zugang zum Flughafen sei gesperrt; Schulen und öffentliche Gebäude seien geschlossen worden.
Präsident Baschir erklärte, er habe mit Garang einen "echten Friedenspartner" verloren. Doch die Regierung werde den Friedensprozess fortführen. Garangs Stellvertreter Salva Kiir Mayardit betonte in Nairobi, auch die von der Spaltung bedrohte SPLA werde geschlossen bleiben und an den Visionen und Zielen Garangs festhalten.
Ein Nachfolger ist schwer zu finden
Ob der Friedensprozess aber tatsächlich wie geplant weiterläuft, ist nach Ansicht von Experten sehr fraglich. Der Vizepräsident galt als der einzige Politiker, der den Südsudanesen Einfluss auf die Zentralregierung verschaffen konnte. Er setzte sich für eine größere Selbstständigkeit ihrer Gebiete ein. Nach der Einigung auf ein Friedensabkommen habe es im Sudan viel Hoffnung gegeben, sagte Marina Peter, Sprecherin des kirchlichen Netzwerkes "Sudan Focal Point Europe". Die Frage sei nun, ob es neue Auseinandersetzungen um seine Nachfolge gebe.
"Garang hatte die Zügel immer allein in der Hand. Es wird schwer, einen Nachfolger zu finden, der die Massen so hinter sich vereinen kann wie er", sagte ein für Sudan zuständiger UN-Mitarbeiter: "Die neue Regierung für den Süden ist alles andere als handlungsfähig." Sudan-Expertin Jemera Rone von der Menschenrechtsbewegung Human Rights Watch zeigte sich vorsichtig optimistisch: "Jetzt besteht immerhin die Möglichkeit, dass demokratischer eingestellte Politiker im Süden die Führung übernehmen."
Zweifel am Unfall
Kurz nach dem Absturz kursierten bereits Gerüchte, der Tod Garangs sei kein Unfall. Es sei schon erstaunlich, dass ausgerechnet einem Präsidenten-Hubschrauber, der von einem Spitzenpiloten geflogen werde, so etwas passiere, hieß es am Montag in diplomatischen Kreisen in Nairobi. Andererseits seien die Flugbedingungen in der Regenzeit tatsächlich oft sehr schwierig.
Charmanter Wirtschaftsexperte mit Feinden
Der in der Öffentlichkeit oft charmant auftretende Garang hatte zumindest viele Feinde, sowohl in der Regierung, die er jahrzehntelang bekämpft hatte, als auch in den eigenen Reihen, in denen er als brutaler Alleinherrscher bekannt war.
Garang studierte in den USA Wirtschaftswissenschaften und erwarb einen Doktortitel an der Universität von Iowa. Als Rebellenführer überlebt er mehrere Mordanschläge und hielt mit viel Geschick seine SPLA zusammen. (reh)