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Neuauszählung in Gabun gefordert

Jan Philipp Wilhelm2. September 2016

In Gabun ist Ali Bongo erneut zum Präsidenten gewählt worden. Opposition und internationale Beobachter fordern eine Neuauszählung. Die Regierung des ölreichen Landes reagierte mit Gewalt und Verhaftungen.

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Gabun Libreville Polizeikontrolle
Bild: Getty Images/AFP/M. Longari

Das Parlamentsgebäude in Flammen, das Hauptquartier der Opposition aus der Luft beschossen, von Polizisten gestürmt. Erst am späten Nachmittag löste die Regierung auf internationalen Druck die Blockade des Gebäudes auf, in dem bis dahin mehr als 20 Menschen ausharrten. Nach Aussagen von Regimegegnern wurden mehrere Menschen getötet und viele weitere verletzt, seit die Wahlkommission am Mittwoch die knappe Wiederwahl von Präsident Ali Bongo verkündete und damit eine Welle des Protests auslöste. Das Regime reagierte mit der Verhaftung von mehr als 1000 politischen Gegnern.

Oppositionsführer fordert Rechenschaft

Internet und soziale Medien sind abgestellt, Informationen dringen nur noch spärlich nach außen. "Unser Parteisitz wurde von der Präsidentengarde gestürmt, gemeinsam mit der Polizei und Söldnern", sagte Oppositionsführer Jean Ping im DW-Interview. "Sie sind hineingekommen und haben alles, alles, alles kaputtgemacht. Das ganze Gebäude ist zerstört, sie haben alles mitgenommen und alle Menschen festgehalten, die sie darin gesehen haben."

Zwei Menschen seien im Hauptquartier getötet worden, überall in der Hauptstadt Libreville lägen Tote. Überprüfbare Zahlen gibt es nicht. Ping warf Präsident Bongo "Tyrannei" vor und forderte Rechenschaft: "Es sind sehr schlimme Sachen, die passieren. Dieser Herr (Bongo, Anm. d. R.) wird in Den Haag vor dem Internationalen Strafgerichtshof enden", sagte Ping, der sich selbst als Sieger der Wahlen vom vergangenen Samstag sieht.

Internationale Gemeinschaft fordert Dialog

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sprach von einem unverhältnismäßigen Einsatz der Sicherheitskräfte und forderte alle Seiten zur Mäßigung auf. Er unterstützt eine Neuauszählung der Stimmen, ebenso wie die EU-Wahlbeobachter vor Ort und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die das Land in einer "tiefen Krise" sieht. Auch das Auswärtige Amt in Berlin forderte "die schnelle Rückkehr zu echtem politischem Dialog" und eine "transparente und nachvollziehbare Auswertung der Wahlergebnisse".

Bongo hatte die Wahl nur hauchdünn gewonnen - dabei gab wahrscheinlich das überdurchschnittlich deutliche Ergebnis in seiner Heimatregion Haut-Ogooué den Ausschlag. Sein Herausforderer, der ehemalige Außenminister und AU-Kommissionsvorsitzende Ping, hält das Ergebnis für manipuliert und verweist auf die Wahlbeteiligung, die in Haut-Ogooué 99,93 Prozent betragen soll - fast doppelt so viel wie im Rest des Landes. "Das sind sowjetische Zahlen, die nicht stimmen können."

Vier Tage hatte sich die Wahlkommission mit der Auszählung Zeit gelassen - bei nicht einmal 600.000 registrierten Wählern. Bereits vor der Bekanntgabe hatte die Opposition Bongo des Wahlbetrugs beschuldigt. Laut offiziellen Zahlen beträgt sein Vorsprung vor Herausforderer Jean Ping weniger als 6.000 Stimmen.

Eine absehbare Konfrontation

"Es wiederholt sich jetzt, was nach den Wahlen 2009 schon passiert ist", sagt Gabun-Expertin Kamissa Camara. Damals übernahm Ali Bongo nach ebenfalls umstrittenen Wahlen die Macht von seinem Vater Omar Bongo. Der hatte das Land 41 Jahre lang regiert. Tagelang lieferten sich Regierungsgegner und die Polizei gewalttätige Auseinandersetzungen, es gab Tote und Verletzte. "Im Idealfall sollten Ali Bongo und Jean Ping jetzt zusammenarbeiten", so Camara im DW-Gespräch.

Ein brennendes Gebäude in einer dunklen Stadt.
Demonstranten setzen in der Nacht zum Donnerstag das Parlamentsgebäude in FlammenBild: Getty Images/AFP/M. Longari

Dass das Ergebnis der Wahl so knapp ausfiel, sei ein klares Zeichen, dass sich Gabun nach einem Neuanfang sehne, sagt Kamissa Camara. "Es ist nicht so, dass Jean Ping besonders beliebt ist in Gabun." Schließlich sei er als langjähriger Außenminister lange Zeit Teil der Regierung Omar Bongos gewesen. Zudem habe er zwei Kinder mit Ali Bongos Schwester. "Er profitiert davon, dass die Bongo-Dynastie einfach nicht mehr so stark ist wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren", so die Expertin.

Auch für den Gabuner Politologen Jean-Delors Biyogue sind die Auseinandersetzungen keine Überraschung. Er sieht die Verantwortung für die Eskalation bei der Internationalen Gemeinschaft: "Alle wussten, dass es zu dieser Blockade kommen würde, doch wurde keine robuste Vermittlungsinstanz ins Leben gerufen", sagte Biyogue der DW am Telefon.

Gabun Libreville Ausschreitungen nach Wahlen
Präsident Ali Bongo bei der StimmabgabeBild: Getty Images/AFP/M. Longari

Frankreich verurteilt, aber hält sich zurück

Für eine Lösung der Krise sind die Augen nun vor allem auf Frankreich gerichtet. Die ehemalige Kolonialmacht unterhält in Gabun eine Militärbasis. Viele französische Staatsbürger leben in dem westafrikanischen Land. "Frankreich ist sehr besorgt über die Lage in Gabun", sagt Roland Marchal vom Zentrum für Internationale Studien und Forschung in Paris. "Die Regierung hätte es lieber gesehen, wenn die Wahlen fair und friedlich abgelaufen wären."

Ein Herr im Anzug wirft einen Wahlzettel in die Urne.
Herausforderer Jean Ping wirft Bongo Betrug vorBild: Reuters/E. W. Obangome

2009 hatten gabunische Oppositionspolitiker Frankreich noch vorgeworfen, Ali Bongo zur Macht verholfen zu haben. Sein Vater hat gute Beziehungen zu französischen Spitzenpolitikern. Diesmal scheinen die Vorzeichen umgekehrt zu stehen. Anfang der Woche erklärte die Partei von Frankreichs Präsident Hollande, dass ein Regierungswechsel ein positives Zeichen für den Zustand der Demokratie Gabuns setzen würde.

Doch Roland Marchal warnt davor, derlei Aussagen zu viel Gewicht beizumessen. Er glaubt, dass sich Frankreich in der Krise zurückhalten wird: "Der französische Staat ist nicht dasselbe wie die Sozialistische Partei. Außerdem treffen am Ende des Tages die Gabuner die Entscheidung, niemand sonst."