Mehr Klartext, weniger Diplomatie
26. Januar 2017März 2015, Sigmar Gabriel reist nach Saudi-Arabien. Für den Wirtschaftsminister eine wichtige Visite. Er will dabei sein, wenn die deutsch-saudische Wirtschaftskommission in Riad tagt. Aber das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist vielfältig belastet, noch in Berlin setzt sich Gabriel für den in Saudi-Arabien inhaftierten Blogger Raif Badawi ein, der schon einmal öffentlich ausgepeitscht wurde und dessen Leben massiv bedroht ist. Gabriel empfängt demonstrativ Menschenrechtsgruppen, um sich über den Fall zu informieren. Und in Riad selbst übergibt er dem saudischen König einen Brief von Badawis Ehefrau, die im Exil lebt.
"Für uns unvorstellbar"
Prompt kursieren in Riad Berichte, die saudische Regierung dulde keine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Gabriel schreckt das nicht ab: "Wir werden versuchen, deutlich zu machen, dass für uns die Härte der Strafe, auch gerade die Körperstrafe, etwas ist, was für uns unvorstellbar ist, und was natürlich auch die Beziehungen belastet." Nicht alle in Gabriels Delegation halten das für angemessen. Gut möglich, ist zu hören, dass derart offene Worte Badawi eher schaden.
Nuancen, aber wichtige
Jedenfalls hört sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ebenfalls SPD, in gleicher Angelegenheit anders an. Er bittet seinen saudischen Kollegen Adel al-Dschubeir im August des gleichen Jahres um eine "menschliche Lösung" des Falls Badawi. Es sind Nuancen, die zwischen dem Verhalten der beiden Politiker liegen, aber es sind wichtige Nuancen. Unter Gabriel wird der Ton klarer werden. Er wird öfter anecken, Kontroversen auslösen.
"Werde sprachlich keine Krisen auslösen"
Kurz nachdem bekannt wird, dass Gabriel das Auswärtige Amt übernimmt, fragt ihn in Berlin ein Journalist, ob er noch schnell einen Intensivkurs in Diplomatie macht. Gabriel nimmt es mit Humor: "Es ist ja nicht so, dass ich im Iran, in China, in der Türkei und in Saudi-Arabien kurz vor der Inhaftnahme war, als ich die Länder besucht habe. Ich hoffe doch, dass ich in der Lage sein werde, größere außenpolitische Krisen nicht sprachlich auszulösen."
Krisen vielleicht nicht gleich, aber für Debatten wird Gabriel auch außenpolitisch sicher sorgen. Schon seit Jugendzeiten ist er etwa ein Freund und Kenner des Nahen Ostens, ist in Israel sehr gut vernetzt. Aber 2012 platzt ihm nach einem Besuch des Westjordanlandes der Kragen: "Ich war gerade in Hebron", schreibt er auf seiner Facebook-Seite. "Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keine Rechtfertigung gibt." Gabriel und seine SPD sind zu diesem Zeitpunkt in Deutschland in der Opposition, aber die Wellen schlagen hoch, die CDU verlangt, Gabriel müsse sich bei Israel entschuldigen.
"Reaktionäre der 20er-Jahre"
Und auch Gabriels Reaktion auf die Amtseinführungsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump ist scharf, wenn auch noch als Wirtschaftsminister abgegeben: "Das waren hoch nationalistische Töne", sagt er im Zweiten Deutschen Fernsehen: "Es fehlen eigentlich nur noch so Begriffe wie das Parlament als Quasselbude zu bezeichnen, oder von Systemparteien zu reden. Dann sind Sie in der politischen Rhetorik der Konservativen und Reaktionäre der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Der meint das wirklich ernst, und ich glaube, wir müssen uns warm anziehen."
Mitte der Woche, als klar ist, dass Gabriel das Außenamt übernimmt, klingt das schon zurückhaltender: "Ich rate dazu, so viel wie möglich an Bindungen zu den Vereinigten Staaten zu erhalten. Herr Steinmeier ist ja durchaus kritisch mit der Entwicklung in den USA ins Gericht gegangen. Und ich glaube, er hat recht."
Kein Diplomat wie Steinmeier
Gabriel ist versiert auf internationaler Ebene, er ist viel gereist, als Wirtschafts- und vorher auch als Umweltminister. Er spricht gutes Englisch. Er hat viele Kontakte, schon jetzt. Ein vornehm zurückhaltender Diplomat wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier wird er aber wohl kaum werden.