Gabriel auf heikler Mission in China
31. Oktober 2016Sigmar Gabriel gilt nicht unbedingt als Meister der Diplomatie. Der Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Chef ist bekannt für seine polternde Angriffslust und dafür, dass er auch unverblümt seine Meinung sagt. Ob das in China gut ankommt? "Es ist wichtig, dass wir nicht hochnäsig auftreten, aber durchaus selbstbewusst, auch gegenüber China", lässt der Bundeswirtschaftsminister vorab in einem Zeitungs-Interview wissen. "Angsthasen oder Liebedienerei nimmt niemand ernst."
Das lässt aufhorchen und so darf man gespannt sein, wie die fünftägige Reise Gabriels in die chinesische Hauptstadt Peking, die Industriemetropole Chengdu und die Sonderwirtschaftszone Hongkong verlaufen wird. Wobei man den Aufenthalt in Hongkong getrost als den entspannten Teil der Reise bezeichnen könnte. Dort leitet der Bundeswirtschaftsminister von Donnerstag bis zu seiner Heimreise am Samstag die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft, kurz APK.
Hat Li Keqiang Zeit für Gabriel?
Es ist die größte deutsche Wirtschaftskonferenz außerhalb Deutschlands mit fast 1000 Teilnehmern, darunter der Premierminister Sri Lankas, der Handelsminister Neuseelands und die Industrieministerin Thailands. Dennoch wird das Hongkonger Treffen Gabriel weit weniger fordern, als die politischen Gespräche, die am Dienstag und Mittwoch in Peking und Chengdu geplant sind. Einen Vorgeschmack bietet die Tatsache, dass zwar der chinesische Handelsminister Gao Hucheng, der Vorsitzende der Nationalen Reform- und Entwicklungskommission, Xu Shaoshi, der Minister für Industrie- und Informationstechnologie, Miao Wei, sowie Vize-Premierminister Ma Kai den Besucher aus Deutschland empfangen wollen. Ob Chinas Premierminister Li Keqiang Zeit für Sigmar Gabriel haben wird, lassen die Gastgeber hingegen demonstrativ offen.
Man verfolge die jüngsten Entwicklungen in Deutschland "mit großer Sorge", ließ die chinesische Führung Sigmar Gabriel vor seiner Abreise wissen. In Peking ist man empört darüber, dass der Bundeswirtschaftsminister kürzlich überraschend die Erlaubnis zurückgezogen hat, dass chinesische Investoren den deutschen Maschinenbauer Aixtron kaufen dürfen.
Marktzugang für alle
Dabei war aus Sicht der Volksrepublik bislang doch alles so gut gelaufen. Im ersten Halbjahr 2016 hatten sich die Chinesen gleich 40 deutsche Unternehmen einverleibt, dazu kamen sechs Minderheitsbeteiligungen. Als Höhepunkt galt die Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka im Sommer. Jetzt soll damit Schluss sein?
Die Deutschen haben die Nase voll. Aus dem Unbehagen über die Geschwindigkeit, mit der sich China auf dem deutschen Markt bedient, ist offene Ablehnung geworden. Denn es ist keine Geschäftsbeziehung auf Gegenseitigkeit. Im abgeschotteten China wird es für deutsche Unternehmen immer schwieriger, Firmen zu kaufen oder zu gründen. "Ich verstehe sehr gut, dass China nicht nur eine verlängerte Werkbank sein, sondern eigene Wertschöpfung und Technologie haben will", sagt Wirtschaftsminister Gabriel. "Doch das muss mit fairen Regeln erfolgen."
Voraussetzung für expandierenden Handel seien Spielregeln für Investitionen, Marktzugang und Wettbewerb, an die sich alle in gleicher Weise halten. "Und genau hier ist ein Problem zu benennen." Außerdem wolle man wissen, wer der Käufer sei und welche industriepolitischen Interessen hinter den Einkäufen steckten. "Wir müssen uns vor unfairem Wettbewerb schützen."
Deutsche Wirtschaft drängt
China hat sich für Deutschland vom Partner zum Konkurrenten gemausert. Die Bundesregierung muss einen Weg finden, damit umzugehen. Ziel der China-Reise sei, so heißt es offiziell, für fairen Wettbewerb zwischen den Partnern zu werben und die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Das wird schwierig. Immerhin wirft China Deutschland bereits Protektionismus vor und protestiert unverhohlen gegen jeden Versuch, die Expansionspläne der Volksrepublik auf dem europäischen Markt einzuschränken.
Kurz vor der Ankunft Sigmar Gabriels in China bestellte das chinesische Außenministerium am Montag den deutschen Gesandten in Peking ein, um ihm eine offizielle Protestnote zu übergeben. Deutlicher kann die Kritik nicht ausfallen. Doch auch die deutsche Wirtschaft übt Druck auf den Wirtschaftsminister aus, denn niemand kann es sich leisten, auf dem chinesischen Markt ins Abseits gestellt zu werden. 60 Köpfe umfasst die Wirtschaftsdelegation, die den Minister auf seiner China-Reise begleitet, darunter Spitzenmanager deutscher Konzerne, aber auch Mittelständler und Start-up-Gründer.
Verträge sollen auf der Reise nicht unterschrieben werden und das Ministerium beeilt sich auch, die Aixtron-Übernahme außen vorzuhalten. "Konkrete Fälle möglicher Unternehmensübernahmen in Deutschland stehen in keinem direkten Zusammenhang mit der Reise", steht als Schlusssatz unter dem Reiseprogramm. Indirekt aber wird es wohl um kaum etwas anderes gehen.