G7 vereint im Kampf gegen Krisen
26. Juni 2022Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die G7-Staaten in einem gemeinsamen Kampf gegen die sich verschärfende Lage der Weltwirtschaft. "Alle G7-Staaten sind besorgt über die Krisen, die wir gegenwärtig zu bewältigen haben", sagte Scholz beim Treffen der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien im bayerischen Elmau. In einigen Ländern gebe es sinkende Wachstumsraten, steigende Inflation, Rohstoffknappheit und Störungen der Lieferketten.
Das seien "alles keine kleinen Herausforderungen". "Und deshalb müssen wir auch gemeinsam Verantwortung tragen. Ich bin aber sehr, sehr, sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, von diesem Gipfel ein ganz klares Signal der Geschlossenheit und entschlossenen Handelns auszusenden", sagte Scholz nach ersten Beratungen. Mit dieser Einigkeit könne man die Risiken koordiniert angehen und gemeinsam Investitionen und Lieferketten mobilisieren.
Scholz kündigte an, am Abend werde man über außen- und sicherheitspolitische Fragen sprechen. Die Ukaine und Russland seien nur zwei der Themen, die auf der Agenda stünden. Die G7 müssten an einer Sicherheitsarchitektur in einer Welt arbeiten, die zunehmend gefährlicher und riskanter werde.
Globale Infrastruktur-Initiative
Am Rande ihrer Beratungen stellten die Gipfel-Teilnehmer ihre "Partnerschaft für Globale Infrastruktur" vor. Das bereits im vergangenen Jahr angekündigte Vorhaben soll eine Alternative zu dem 2013 von China gestarteten Projekt "Neue Seidenstraße" sein, mit dem das Land neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließt.
Nach den Worten von US-Präsident Joe Biden umfasst die Infrastruktur-Initiative der G7 ein Volumen von insgesamt 600 Milliarden Dollar. Allein die USA würden davon 200 Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln bereitstellen, kündigte Biden an. Geplant seien unter anderem Investitionen in das Gesundheitssystem und in die digitale Infrastruktur sowie Klima und Energie. "Dies zeigt die Einheit der G7", sagte Scholz bei der gemeinsamen Präsentation.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte einen Beitrag von 300 Milliarden Euro seitens der Europäischen Union an. Diese Summe aus staatlichem und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen. Die Projekte würden zusammen mit den Ländern entwickelt. "Wir müssen als Demokratien unsere gemeinsamen Kräfte bündeln", sagte von der Leyen. Japan will im selben Zeitraum 65 Milliarden Dollar bereitstellen, um im Indopazifik den Bau von Flughäfen, Häfen und Eisenbahnverbindungen zu fördern. Aus Kanada sollen 5,4 Milliarden Dollar kommen.
Jährliches Treffen
Am Vormittag hatte der Kanzler die anderen Staats- und Regierungschefs der G7 zum jährlichen Treffen empfangen. Scholz will in der G7 um Unterstützung für die Idee eines "Marshall-Plans" für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine werben. Mit einem solchen Plan halfen die USA zwischen 1948 und 1952 Deutschland und anderen europäischen Staaten, nach sechs Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen.
Die USA wollen beim G7-Treffen eine Grundsatzvereinbarung zu ihrem Vorschlag für eine internationale Preisobergrenze für russisches Öl erzielen. Er sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Konkrete Finanzzusagen werden im Kampf gegen die Hungersnot erwartet, die vor allem in Ostafrika herrscht und sich angesichts steigender Getreidepreise im Zuge des Krieges noch verschärft. Auch die hohen Energiepreise werden Thema in Elmau sein, und natürlich der Klimaschutz.
Biden beschwört Einheit des Westen
Vor der Auftaktsitzung kam es zu einem bilateralen Treffen von Scholz mit Joe Biden. Dabei betonte der US-Präsident die enge Partnerschaft mit Deutschland und dem Kanzler. "Wir sind die engsten Partner", sagte Biden. Zudem versicherte er, dass die G7-Staaten angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine zusammenstehen werden. "Wir werden zusammenbleiben." Scholz sprach von einer "starken Botschaft". Russlands Präsident Wladimir Putin habe sich verrechnet, weil er nach dem Angriff auf die Ukraine eine Spaltung des westlichen Lagers erwartet habe, fügte Biden hinzu. Der US-Präsident dankte Scholz mehrfach für dessen Arbeit seit Amtsantritt, ohne Details zu nennen.
Biden kündigte im Vorfeld an, dass die G7-Staaten bei ihrem Gipfel ein Importverbot für russisches Gold verkünden wollen. Damit würden Russland Dutzende Milliarden Dollar Einnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter sagte in einer Telefonschalte mit Journalisten, die G7-Staaten würden den Importstopp offiziell am Dienstag verkünden, dem letzten Tag des Gipfels. "Damit wird Russland weiter von der Weltwirtschaft isoliert." Gold sei für Russland nach Energie das zweitwichtigste Exportgut.
Scholz: G7 eint der Glaube an die Demokratie
Kanzler Scholz zeigte sich nach ersten Beratungen optimistisch, dass die G7-Gruppe gemeinsam Antworten auf die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs finden werde. "Uns eint der Blick auf die Welt, uns eint der Glaube an die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit", sagte Scholz in Elmau.
Fünf Gastländer beim G7-Gipfel dabei
Zur G7 gehören neben Deutschland und den USA auch Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Außerdem nehmen an dem Gipfel EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teil. Scholz hat auch fünf Gastländer eingeladen - Demokratien aus Asien, Afrika und Südamerika: Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien. "Unser Verständnis von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassischen Westen konzentrieren", sagt Scholz zur Begründung.
Der Gipfel findet in einem zum Fünf-Sterne-Hotel umgebauten Schloss im bayerischen Wettersteingebirge statt. Wegen seiner Abgeschiedenheit auf rund 1000 Metern Höhe nahe der Grenze zu Österreich gilt das Hotel als idealer Ort für ein solches Treffen. Das Gelände ist weiträumig mit streng bewachten kilometerlangen Zäunen abgeriegelt.
uh/se/cwo/sti (dpa, afp, rtr)