G7-Treffen im Zeichen der Krisen
15. April 2015Mit einer gemeinsamen Erklärung ist das G7-Außenministertreffen in Lübeck zu Ende gegangen. In dem 17-seitigen Papier werden die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten behandelt, die Lage in zahlreichen Staaten in Afrika, die Ebola-Seuche, Internetkriminalität, Rüstungs- und Menschenrechtsfragen. In Bezug auf den Konflikt um die Ukraine bekräftigen die Außenminister ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, die Krise im Gespräch mit Moskau und Kiew zu lösen. Die Konfliktparteien werden aufgefordert, die Vereinbarungen des Minsker Abkommens einzuhalten und umzusetzen. Die Sanktionen gegen Russland könnten erst aufgehoben werden, wenn Moskau seine Pflichten erfülle und die Souveränität der Ukraine respektiere, heißt es in der Abschlusserklärung. Die Annexion der Krim könne nicht hingenommen werden. "Wir bekräftigen unsere Verurteilung von Russlands illegaler Annexion der Krim und bestätigen noch einmal unsere Politik der Nichtanerkennung und der Sanktionen gegen diejenigen, die darin verwickelt sind", heißt es wörtlich.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte auf einer Pressekonferenz, dass man Russland nicht isolieren wolle. Moskau könne aber erst dann wieder in den Kreis der führenden Industrienationen zurückkehren, wenn es die Forderungen aus dem Minsker Abkommen erfülle.
Krisen, Konflikte und scheiternde Staaten im Nahen Osten
Zentrales Diskussionsthema der G7-Außenminister war auch der Nahe Osten mit seinen zahlreichen Krisen und blutigen Bürgerkriegen. Die Minister verurteilten die Gräueltaten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) genauso wie die Brutalität des Assad-Regimes in Syrien, das in den letzten vier Jahren 220.000 Menschen getötet habe. Die Führung des Irak forderten sie auf, eine nationale Aussöhnung anzustreben und Reformen umzusetzen, um die Einheit des Landes zu erhalten. Besorgt zeigten sich die Minister über den neu aufgeflammten Konflikt im Jemen. Dabei stellten sie sich ausdrücklich auf die Seite des von den Huthi-Rebellen vertriebenen Präsidenten Abd-Rabbu Mansu El Hadi und zeigten Verständnis für die Luftschläge Saudi-Arabiens gegen Stellungen der Huthi. Gleichwohl betonte Steinmeier, dass der Konflikt nur politisch gelöst werden könne. In ihrer Erklärung forderten die G7-Außenminister die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, um das Blutvergießen im Jemen zu beenden.
Kerry informierte über Atomgespräche mit dem Iran
Als sich die Minister Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Kanadas und Japans am Nachmittag von Gastgeber Steinmeier verabschiedeten, war John Kerry schon längst abgereist. Der US-Außenminister war nur drei Stunden lang bei den Gesprächen dabei. Schon seine Ankunft hatte sich verzögert, weil er an einer Anhörung im Kongress zu den Atomgesprächen mit dem Iran teilgenommen hatte. In Lübeck informierte er seine Amtskollegen darüber, dass Senat und Repräsentantenhaus in Zukunft ein Mitspracherecht bei einem Abkommen mit Teheran erhalten könnten. Der Auswärtige Ausschuss des Senats sagte dem Präsidenten zu, seine Bemühungen um eine Einigung nicht zu torpedieren. Im Gegenzug sollen die Senatoren 30 Tage Zeit bekommen, um das Abkommen mit dem Iran, sollte es zustande kommen, zu prüfen.
Die Republikaner stehen den Atomverhandlungen mit dem Iran skeptisch gegenüber. In einem Brief an die Führung in Teheran wiesen 47 republikanische Senatoren kürzlich darauf hin, dass sie eine mögliche Einigung im Kongress zu Fall bringen könnten. Steinmeier zeigte sich zuversichtlich, dass der Kompromiss in den USA die Gespräche mit dem Iran nicht belasten werde. In Teheran habe man darauf bislang gelassen reagiert, sagte er. Nach 12 Jahren Verhandlungen bestehe jetzt die Hoffnung, zu einer Vereinbarung zu kommen. "Es bleibt das Ziel: Ein Iran ohne Atomwaffen. Keine nukleare Proliferation im Mittleren Osten und inmitten all dieser Konflikte in der Region hoffentlich eine Chance auf mehr Sicherheit und Zusammenarbeit."
Gemeinsame Erklärungen zu Ebola und maritimer Sicherheit
Neben ihrem gemeinsamen Kommuniqué verabschiedeten die Außenminister eine Erklärung zu Ebola. Ziel müsse es sein, den Ausbruch dieser und ähnlicher Seuchen in Zukunft zu vermeiden und die Gesundheitssysteme in vielen Teilen Afrikas zu stärken. Dabei setze man auf die enge Abstimmung und Kooperation mit den Staaten der Afrikanischen Union und anderen regionalen Organisationen in Afrika.
Außerdem beschlossen die Spitzendiplomaten die sogenannte "Lübecker Erklärung" über maritime Sicherheit. Gerade die Stadt Lübeck, die Königin der Hanse, stehe Pate für diese Erklärung, sagte Steinmeier. Die Hansestädte hätten durch ihren Zusammenschluss vorgemacht, wie man sich zur Förderung von Handel und Austausch auf gemeinsame Regeln verständigen könne, deren Einhaltung dann durchgesetzt werde.
Aufatmen in Lübeck
In der so geehrten Stadt atmet man nach Abschluss der Außenministerkonferenz nun erleichtert auf. Die Hansestadt war in den letzten beiden Tagen deutlichen Belastungen ausgesetzt. Straßensperren und Polizeikontrollen behinderten den Verkehr. Die Busse hatten ihren Betrieb zeitweise völlig eingestellt. Selbst Fußgänger mussten Wartezeiten in Kauf nehmen, wenn der Tross der Minister ihren Weg kreuzte. Die Altstadt auf der Trave-Insel war im Ausnahmezustand. 3500 Polizeibeamte patrouillierten durch die Straßen und sicherten die Konferenzorte, Scharfschützen waren auf den Dächern postiert. Viele Geschäfte und Cafés waren geschlossen. Andere hatten zwar geöffnet, warteten aber vergeblich auf Kundschaft. Denn viele Bürger mieden an den beiden Gipfeltagen die pittoreske Altstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten, mit ihren Backsteinkirchen und Museen und mit den Häusern, die an die großen Söhne dieser kleinen Stadt erinnern: die drei Nobelpreisträger Thomas Mann (Literaturnobelpreis 1929), Günter Grass (Literaturnobelpreis 1999) und Willy Brandt (Friedensnobelpreis 1971). Die Außenminister dagegen genossen die Altstadt von Lübeck bei strahlendem Sonnenschein mit einer kurzen Bootsfahrt auf der Trave.