G20 wollen gerechte Globalisierung
17. März 2017Der Patient Weltwirtschaft hat das Schlimmste hinter sich und befindet sich in vergleichsweise guter Verfassung. Dass man eine solche Diagnose in einem Kurhaus stellt, mag Zufall sein. Aber wenn der Tagungsort nun mal eine altehrwürdige Kurstadt ist, wie es Baden-Baden seit bald 200 Jahren ist, liegt ein solcher Vergleich nahe. Deutschland hat derzeit den Vorsitz der sogenannten G20 inne, der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer. Und zum Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in seine badische Heimat geladen.
Krisenfeuerwehr G20
Die G20 kennen sich aus mit Krisen, schließlich wurden sie mitten in einer großen Finanzkrise in Asien Ende der 1990er Jahre als eine Art Feuerwehr gegründet. Zehn Jahre lang war es ein Forum der Finanzminister, bis die ganz große Katastrophe kam: Der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers und die sich anschließende Kernschmelze des Weltfinanzsystems. Im November 2008 trafen daraufhin erstmals die Staats- und Regierungschefs der G20 in Washington zusammen, um den Flächenbrand einigermaßen in den Griff zu bekommen. Das gelang, doch die Dynamik von einst ist längst verschwunden.
Das mag damit zusammenhängen, dass die konjunkturellen Daten derzeit so schlecht nicht aussehen und die meisten Banken aus dem Gröbsten heraus sind. Da ist weniger Krisenmanagement gefragt, sondern Prävention, Vorbeugung. Und so nutzte Angel Gurría, Chef der Industrieländer-Organisation OECD, das Treffen in Baden-Baden als Gelegenheit, eine aktuelle Studie seiner Volkswirte vorzustellen, die genau das zum Thema hatte: Nicht nachlassen bei den Reformbemühungen, um Wachstum und somit Beschäftigung zu sichern. Knapp 350 Seiten umfasst das Papier, mit Empfehlungen für die Regierungen der einzelnen OECD-Länder.
"It's a good read!", warb Gurría für den Bericht - und der deutsche Finanzminister Schäuble nickte anerkennend, obwohl auch in Deutschland Reformbedarf besteht, wie dem Bericht zu entnehmen ist: So gebe es noch immer zu viele Wettbewerbshindernissen im Dienstleistungssektor, auch müssten Hürden für die Vollbeschäftigung von Frauen abgebaut und Geringverdiener steuerlich entlastet werden. Insgesamt wirbt der Bericht dafür, Wachstum so zu gestalten, das möglichst alle etwas davon haben: Globalisierung gerecht gestalten - wie es auch im G20-Kreis gerne plakativ heißt.
Neuer Plan für Afrika
Um Sicherheit und Wohlstand in den entwickelten Ländern langfristig zu gewährleisten, muss eben auch das enorme Gefälle zwischen den reichen und den armen Ländern ausgeglichen werden. Das wissen die deutschen G20-Gastgeber und haben daher den afrikanischen Kontinent nach ganz oben auf die Agenda gestellt.
Das Problem dabei: Afrika-Initiativen gab und gibt es schon zuhauf. Schon die G7/G8-Gruppe hatte Afrika entdeckt, 2001 bei einem Gipfel in Genua verabschiedete man eine "Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" (NEPAD). Acht Jahre später im italienischen L'Aquila spendierte man 20 Milliarden Dollar für arme Bauern, wobei nie wirklich nachgehalten wurde, was davon jemals angekommen ist.
"Alles nur ein Feigenblatt"
Hier in Baden-Baden nun präsentierte Schäuble eine neue Idee: "Compact with Africa" heißt sie, es ist ein Angebot einer Investitionspartnerschaft. Ziel sind bessere Rahmenbedingungen für private Investoren in Afrika. Gemeinsam mit der Afrikanischen Entwicklungsbank, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) habe man bereits bestimmte Maßnahmen und Instrumente erarbeitet, die gezielt auf die Bedingungen in den einzelnen Ländern angepasst werden könnten. Im G20-Kreis habe es eine breite Unterstützung gegeben, ließ Schäuble verlauten. Mit am Konferenztisch im Kurhaus von Baden-Baden saßen auch schon erste afrikanische Gäste: die Finanzminister aus Marokko, Tunesien, Ruanda, Senegal und der Elfenbeinküste.
Für die Hilfsorganisation One ist das alles nur ein Feigenblatt: "Sich hinter Rahmenbedingungen für private Investoren zu verstecken, ist viel zu wenig", so Friederike Röder von One im DW-Gespräch. Stattdessen müssten die G20 ein viel stärkeres Signal senden, zum Beispiel durch eine Verdoppelung der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung bis 2020 oder eine Stärkung des internationalen Finanzsystems, um den Kapitalverlust afrikanischer Staaten - etwa durch nicht funktionierende Steuersysteme oder illegale Mittelabflüsse - zu reduzieren.
Um das internationale Finanzsystem wird es am zweiten Tag des G20-Treffens gehen. Im Mittelpunkt steht der Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche, es geht um Steuerflucht und Währungspolitik. Hartes Brot in der badischen Idylle.