G20 vor Einigung zu Digitalsteuer
8. Juni 2019Die 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen gemeinsame Regeln vorantreiben, mit denen Schlupflöcher für international tätige Unternehmen wie Facebook, Google und Amazon geschlossen werden. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung hervor, die beim Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs am Wochenende im japanischen Fukuoka verabschiedet werden soll. Allerdings dürfte die Arbeit an den Details schwierig werden. Denn die USA wollen verhindern, dass die Steuerregeln zu stark heimische Technologiekonzerne treffen.
"Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, eine Lösung im Konsens zu finden", heißt es in dem Entwurf, der der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Demnach soll bis 2020 ein abschließender Bericht präsentiert werden.
Das Grundproblem
Bei Digitalkonzernen ist es oft sehr schwierig, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten sowie Umsatz und Gewinn in einem Land eindeutig zu erfassen. Sie haben ihren Sitz meist nur in einem Staat, erzielen aber durch ihre Nutzer auf der ganzen Welt erhebliche Einnahmen. Dabei verwenden Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon und Apple häufig ein Netzwerk aus Tochtergesellschaften, mit dem sie Gewinne aus den großen Märkten in Steuerparadiesen verbuchen und dadurch die Steuerlast noch weiter drücken. Bislang geschieht das meist völlig legal.
Die EU-Kommission schätzt, dass Digitalfirmen im Schnitt etwa neun Prozent Unternehmenssteuern zahlen, klassische Betriebe aber mehr als 20 Prozent. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vermutet, den Staatshaushalten gingen durch die Steuertricks der Konzerne allein im Jahr 2015 bis zu 240 Milliarden Dollar (211 Milliarden Euro) an Einnahmen verloren.
Das gemeinsame Steuerregime der G20-Staaten soll nun auf zwei Säulen ruhen. Erstens geht es um neue Vorschriften, die den Konzernen eine Verlagerung ihrer Gewinne in Niedrigsteuerländer erschweren. Die zweite Säule soll eine internationale Mindeststeuer sein. Bei dem Treffen in Fukuoka seien alle für die Idee gewesen, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. "Das kommt jetzt auch." Es werde dadurch mehr Einnahmen für die Staaten geben. Vertreter der deutschen Wirtschaft warnten allerdings vor zusätzlichen Belastungen für heimische Unternehmen.
Flickenteppich vermeiden
Die Einführung einer EU-weiten Digitalsteuer für Konzerne mit einem gewissen Mindestumsatz war am Widerstand Irlands und skandinavischer Staaten gescheitert. Irland sorgte sich um die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas. Einige Länder - darunter Großbritannien und Frankreich - brachten daraufhin nationale Modelle bei der Digitalsteuer auf den Weg. Doch dies würde zu einem Flickenteppich an internationalen Steuerregeln führen - wodurch es möglich wäre, unterschiedliche Systeme auszunutzen, wie es dazu aus deutschen Regierungskreisen hieß.
Auch die USA lehnen eine solche Lösung ab. "Ein fragmentierter Ansatz ist nicht gut für irgendwen von uns", sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin. Sein chinesischer Amtskollege Liu Kun sagte, eine gemeinsame Koordinierung sei entscheidend, auch um Doppelbesteuerungen zu vermeiden.
Die Vereinigten Staaten hatten bereits zuvor eine eigene Steuerreform verabschiedet, in der ebenfalls Mindeststeuersätze enthalten sind. Gleichzeitig kritisierte Mnuchin allerdings Frankreich und Großbritannien für ihre nationalen Alleingänge - es sei aber gut, dass dadurch der Druck gestiegen sei. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, sein Land werde den Sonderweg aufgeben, sobald es eine internationale Verständigung gebe.
Die Diskussionen beziehen sich allerdings nicht nur auf Internetkonzerne, sondern auf eine generelle Neuregelung der Besteuerung. Vor allem Schwellenländer wie Indonesien und Indien forderten nun, dass in sämtlichen Branchen der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit statt des Unternehmenssitzes deutlich wichtiger werden solle. Bei klassischen Industriebetrieben profitiert Europa nämlich von den bislang bestehenden Regeln. Vor allem Deutschland als Industrie- und Exportland würde erhebliche Steuereinnahmen verlieren, wenn stärker am Ort des Konsums und nicht am Produktionsstandort besteuert würde - etwa in der Automobilindustrie. Bis 2020 soll es eine Gesamtlösung zu sämtlichen Fragen geben.
ust/ml (rtr, dpa, afp)