Fünf Dinge, die die EU tun muss
24. Januar 20161. Schengen-System entlasten
"Schengen ist in Gefahr", warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im vergangenen Jahr. Seit September 2015 führten insgesamt acht Schengen-Länder zumindest vorübergehende Grenzkontrollen zu ihren Nachbarländern wieder ein, um die Einwanderung von Flüchtlingen zu dämpfen. "Schengen" ist die Kurzbezeichnung des Abkommens, das den freien Personenverkehr in Teilen der Europäischen Union regelt. Kurzum, Reisen ohne Reisepass. Die Schengen-Regelung gilt vielen Europäern als Symbol der Verbundenheit der EU-Mitgliedsländer. Außerdem ist sie ein Motor der europäischen Wirtschaft - Juncker verwies jüngst darauf, dass die Grenzkontrollen enorme Kosten verursachten. Auch deutsche Wirtschaftsverbände warnten bereits vor finanziellen Folgen. Um die Situation an den Grenzen innerhalb der EU zu entspannen und Schengen wieder funktionsfähig zu machen, braucht es mehr europäischen Zusammenhalt, sowohl bei der Kontrolle der EU-Außengrenzen als auch bei der Verteilung und Versorgung von Flüchtlingen.
2. Kontrolle der Außengrenzen verbessern
Damit sich EU-Mitgliedsländer nicht mehr durch Grenzschließungen gegenseitig Flüchtlinge zuschieben, muss die Situation an Europas Außengrenzen verändert werden. Flüchtlinge müssen möglichst früh erfasst und ausreichend versorgt werden, bevor sie geordnet in andere EU-Länder weiterreisen können. Dies soll in Registrierzentren, sogenannten Hotspots, passieren. Nach monatelanger Verzögerung konnten die ersten dieser Zentren ihren Betrieb aufnehmen. Doch deren Kapazität reicht nicht aus für die etwa eine Million Flüchtlinge, die die EU im Jahr 2016 erwartet. Weitere Hotspots müssten folgen, ebenso wie mehr Personal für die bereits bestehende EU-Grenzschutzagentur Frontex. Auch mehr Geld für Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge außerhalb der EU betreuen, könnte die Situation an den EU-Außengrenzen entspannen.
3. Flüchtlinge gleichmäßig verteilen
Bereits im Juli 2015 einigten sich die EU-Innenminister - gegen den Willen einiger osteuropäischer Länder - darauf, 160.000 Flüchtlinge gelichmäßig auf die gesamte EU zu verteilen. Bislang fanden lediglich 331 von ihnen ein neues Zuhause. Immer noch werden in bestimmten Ländern besonders viele Asylanträge gestellt. Jüngst beschloss Österreich eine Obergrenze für Asylsuchende, weil es sich überlastet fühlt. Die EU muss nun dafür sorgen, dass bereits getroffene Beschlüsse zur gerechten Verteilung umgesetzt werden. Das bedeutet auch, jene Regierungen zum Einlenken zu bewegen, die sich bislang weigern, Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern aufzunehmen. Dazu haben vorübergehende Grenzschließungen als Druckmittel bislang wenig beigetragen. Wenn die EU-Innenminister neue Wege suchen, auf unkooperative Länder Druck auszuüben, könnten sie beispielsweise mit der Kürzung von Subventionen drohen.
4. Menschenrechte einhalten
Die Menschenrechte werden vielfach verletzt, wo Flüchtlinge Schutz suchen, beanstanden Experten. Dafür stehen Bilder von Flüchtlingen, die ohne Versorgung an einer europäischen Außengrenze stranden, die sich beim Versuch, einen Grenzzaun zu überwinden, schwere Verletzungen zuziehen und die sich vor Verzweiflung den Mund zunähen. Auch politische Vorschläge wie der, Schlepperboote untauglich zu machen oder Kriegsflüchtlinge in die Türkei abzuschieben, haben Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Auch innerhalb der EU gibt es verbesserungswürdige Zustände: Der Europäische Gerichtshof verbietet seit 2011 Abschiebungen von Asylsuchenden nach Griechenland. Zu menschenunwürdig seien dort ihre Lebensbedingungen. Die EU muss dementsprechend die angemessene Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen innerhalb und außerhalb der Union in ihre Flüchtlingspolitik einbeziehen.
5. Schnell handeln
Wenn die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU im bisherigen Tempo weiterginge, brauche man 750 Jahre, um 160.000 Flüchtlinge in die jeweiligen Zielländer zu schicken, rechnete die "New York Times" vor. Nicht nur das legt schnellere Lösungen nahe - auch die Tatsache, dass rechte Parteien und Bewegungen quer durch Europa Zulaufe haben, spricht für entschiedenes Handeln der EU-Innenminister. Ihr größte Herausforderung ist darum, alle 28 Mitgliedsstaaten zum gemeinsamen Handeln zu bringen.