Fußballfans in Ungarn dürfen wieder ins Stadion
2. Juni 2020Der Andrang an diesem Wochenende ist gering, selbst für ungarische Verhältnisse. Beim einzigen Spiel in Budapest zwischen Budapest Honvéd gegen Debrecen feuern offiziell 700 Zuschauer die beiden Teams an, obwohl es gefühlt eher 400 waren. Lediglich Inhaber von Honvéd-Dauerkarten und Debrecen-Auswärtsfans haben Zutritt. Normalerweise wären zu einer solchen Partie zwischen 1.500 und 3.000 Zuschauern gekommen.
Es gab Auflagen, die die Regierung Mitte der Woche zur Bedingung machte, um Fans wieder ins Stadion zu lassen: Die Zuschauer müssen drei Sitzplätze zwischen sich frei lassen und immer eineinhalb Meter voneinander entfernt bleiben. Darüber hinaus hatte der ungarische Fußballverband den Vereinen empfohlen, eine Maskenpflicht einzuführen und Kartenbesitzer registrieren zu lassen.
Mäßiges Spielniveau
"Darauf haben wir lange gewartet", sagt Hediof Budapest, die sich mit ihrer Tochter und ihrem Sohn das Spiel anschaut. "Wir sind sehr glücklich. Wir hoffen, dass dies ein Erfolg wird und dass die Fans weiterhin zu den Spielen gehen können. Es ist wichtig für uns, während der Corona-Pandemie zu einem Spiel zu gehen", so Hediof Budapest.
Hedi hat zusammen mit ihrer Familie seit dem Restart in Deutschland die Bundesligaspiele im Fernsehen verfolgt. Man habe gemerkt, dass die Spieler seit zwei Monaten nicht mehr gespielt hätten. "Das gilt auch für die ungarische Liga. Aber ich hoffe, dass sich das Spielniveau bald verbessern wird."
Sehnsucht nach dem Stadionerlebnis
Wie sehr einige Fans den Fußball und vor allem das Stadionerlebnis vermisst haben, wird nach einem Gespräch mit Zoltan deutlich: "Es bedeutet alles für uns. Der Fußball bedeutet uns alles. Kispest [ein Spitzname für Honvéd, Anm. d. Red.] ist unser Leben. Wir lieben es. Wir schauen keine ausländischen Ligen. Wir schauen uns nur die ungarische Liga an. Und diese Mannschaft ist unser Herz und unsere Seele."
Die Fußball-Liga in Ungarn, Nemzeti Bajnokság, war Mitte März aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt worden, vor zwei Wochen wurde der Spielbetrieb wieder aufgenommen – allerdings ohne Zuschauer. "Dieses Gefühl, in einem Stadion zu sein, kann man nicht durch etwas anderes ersetzen", meint Zoltan. "Jetzt kann man mit der Familie ins Stadion gehen und alle sind glücklich. Nichts kann das ersetzen, schon gar nicht, indem man sich zu Hause ein Spiel im Fernsehen ansieht."
Drei Sitzplätze Abstand? Nicht überall
Karoly, der sich mit seiner Freundin Andrea zusammen das Spiel ansieht, ist skeptisch was die Richtlinien angeht. "Sie wollen, dass man anderthalb Meter voneinander entfernt ist, also geht man händchenhaltend ins Stadion, und wenn man einmal drin ist, soll man getrennt sein. Ich verstehe, dass sie nicht wollen, dass die Fans in Gruppen zusammengefasst werden, aber die Fans gruppieren sich doch, und dass Einzelne nicht zusammen sitzen können, funktioniert offen gesagt nicht."
Das bestätigt der Blick auf die Tribüne: Während sich dort die meisten Zuschauer an die Abstandsregel halten, ist dagegen in den zwei Fanblöcken nichts davon zu sehen. In beiden Bereichen sitzen die Menschen eng zusammen und jubeln, obwohl der Stadionsprecher die Fans ständig daran erinnert, die Abstandsregeln einzuhalten.
Die Spieler freuen sich über die Unterstützung von den Zuschauerrängen. "Natürlich ist es spannender, emotionaler, es ist mehr eine echte Show, als ohne Fans zu spielen", meint Torhüter Robi Levkovich: "Jeder kann sehen, dass man viel besser spielt, wenn Fans da sind. Das Niveau des Spiels ist besser. Es treibt einen mehr an. Man spielt nicht nur für sich selbst, man spielt für sie. Sie schreien dich an, und du gibst ihnen mehr."
Ob der Spielbetrieb unter diesen Bedingungen tatsächlich so weiterläuft, bleibt abzuwarten. Aus finanzieller Sicht zumindest ist der Neustart ein Erfolg: Der serbische Pay-TV-Sportnetzwerk Arena hat die Rechte an den Spielen der 1. Ungarischen Fußballiga gekauft und überträgt sie nun nach Serbien, Kroatien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro.