Lutz Pfannenstiel - Der etwas andere Fußballprofi
16. März 2009DW-WORLD.DE: Den meisten Fußball-Fans ist der Name Lutz Pfannenstiel nicht bekannt, obwohl Sie einen Weltrekord halten ...
Lutz Pfannenstiel: Ich bin der erste und noch der einzige Profi weltweit, der bei Vereinen auf allen sechs FIFA-Kontinenten gespielt hat. Aber in Deutschland habe ich sehr wenig aktiv gespielt und das ist auch schon ziemlich lange her, deshalb kennt man mich kaum.
Sie haben mit 18 Jahren ein Angebot von Bayern München ausgeschlagen. Bereuen Sie das heute?
Nein, definitiv nicht. Das war ein reines Amateurangebot, ich hätte in der zweiten Mannschaft gespielt, das war ja nicht so, dass mir der große FC Bayern einen tollen Vertrag auf den Tisch gelegt hat. Ich wollte damals Profi werden und ich konnte mich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, jetzt erst mal langsam über die Amateure zu den Profis zu gelangen.
Sie sind sehr viel rumgekommen. Können Sie sich überhaupt noch an die Vereine und Länder erinnern, wo Sie gewesen sind?
Ja, das kann ich. Das ist ja schon prägend und das vergisst man auch nicht so einfach, deshalb weiß ich schon noch alle Clubs und alle Länder. Aber es waren so viele, dass ich mich da schon hinsetzten und das gedanklich durchgehen muss, um ein Überblick zu haben.
Sie haben ja bei jedem der sechs Kontinentalverbände gespielt. Was bedeutet Ihnen der Rekord?
Der Rekord war ja nicht geplant, erst zum Schluss. Es hat sich zufällig ergeben, dass ich auf fünf Kontinenten gespielt habe. Und dann habe ich irgendwann gemerkt, einer fehlt noch, dass ist Südamerika. Und dass ich es dann mit 34 Jahren noch geschafft habe, in der höchsten Liga in Brasilien zu spielen und gleichzeitig den Weltrekord zu brechen und gleichzeitig der erste deutsche Profi zu sein, der dort aktiv ist, das war schon was besonderes für mich.
In welchem Land haben Sie sich am wohlsten gefühlt?
Also ich bin wie ein Chamäleon, passe mich überall gut an. Aber Norwegen, wo ich jetzt auch wieder bin, ist schon ein Land, das mir gut gefällt. In Vancouver war ich auch sehr glücklich. Neuseeland war interessant. Und Brasilien war toll, weil Fußball da einfach so einen großen Stellenwert hat.
Und sportlich, welcher Club war da der Beste?
Sportlich war das auf alle Fälle England, damals in der Premiere League bei Wimbledon und Nottingham Forest. Die Liga ist meiner Meinung nach die beste Liga der Welt.
Gibt es einen Unterschied, wenn man in Deutschland Fußball spielt oder in Singapur?
Es gibt kulturelle Unterschiede, auch im Fußball. In Deutschland ist alles sehr konservativ, die Clubs tendieren dazu, so wenig Risiko wie möglich einzugehen. In anderen Ländern ist man offener für neue Sachen. Jürgen Klinsmann oder Ralf Rangnick, das sind junge Trainer, die Mut haben, was anderes zu machen. Und wenn man auf die Tabelle schaut, zeigt das den anderen Vereinen, welchen Weg man gehen soll.
Sie verfolgen also was in der Bundesliga los ist?
Ich hatte ja letztes Jahr in Norwegen auch deutsches Fernsehen, da habe ich mir oft die Bundesliga angschaut, ansonsten schaue ich mir die Höhepunkte im Internet an. Aber nicht nur die Bundesliga, sondern auch die 2. und 3. Liga und auch die Oberliga Bayern. Man will ja wissen, was zu Hause so passiert.
Als Weltenbummler können Sie bestimmt die ein oder andere Anekdote erzählen ...
Oh a, ich kenne sehr viele. Sagen Sie mir ein Land und ich erzähle Ihnen eine Anekdote dazu...
Brasilien ...
Wir haben mal ein Auswärtsspiel gehabt: Das war ein Derby, meine Mannschaft vom CA Hermann Aichinger gegen Blumenau. Das Stadion war voll, ein Flutlichtspiel, sehr gute Stimmung. Wir sind als Favorit in die Partie gegangen, haben überragenden Fußball gespielt und nach zehn Minuten 1:0 geführt. Und dann, nach 25 Minuten geht einfach das Flutlicht aus. Und was war passiert? Ein Angstellter von Blumenau hat einfach die Flutlichtleitung durchgeschnitten und das Spiel musste abgesagt werden. Am nächsten Tag wurde das Spiel fortgesetzt ab der 25. Minute, aber unser Lauf war weg. Wir haben das Spiel 2:1 verloren. Jeder wusste, dass das Stromkabel absichtlich durchgeschnitten wurde, aber man konnte halt nichts machen und der Erfolg gab Blumenau recht.
Eine kuriose Geschichte, weniger lustig, sondern ganz schrecklich war dagegen Ihre Verhaftung in Singapur.
Das ist die Geschichte meines Lebens, die läuft mir hinterher. Ich wurde als Torwart angeklagt, am Anfang wegen Spielmanipulation. Aber weil es keinen Beweis gab, wurde mir dann vorgeworfen, dass ich ein verbales korruptes Einverständnis gehabt hätte. Da gab es auch keine Beweise und zum Schluss wurde mir dann vorgeworfen, dass ich zu gut gehalten hätte. Das ist als Torwart total absurd, wenn man im Endeffekt für dreieinhalb Monate in eines der schlimmsten Gefängnisse der Welt muss, weil man gut gehalten hat und ein Spiel gewonnen hat.
Es gab noch ein Ereignis, das zeigt, dass Fußballer manchmal gefährlich leben ...
Das war in England, am 2. Weihnachtstag, bei einem Derby, in Bradford, das Stadion war voll. Ich bin mit einem Stürmer zusammengeprallt und hatte einen Herzstillstand. Ich war drei mal klinisch tot und der Physiotherapeut hat mich drei mal zurück ins Leben geholt. Als ich dann später im Krankenhaus zu mir kam, war ich empört, dass das Spiel abgebrochen wurde, weil wir 2:0 geführt hatten. Das Kuriose war, die Geschichte hat mich in England, vor allem in Bradford, zur absoluten lebenden Legende gemacht. Weil ein deutscher Spieler für einen englischen Club fast sein Leben gegeben hat, dass war für die Fans eine wichtige Sache.
Diese zwei Erlebnisse haben Sie bestimmt geprägt?
Da merkt man halt als typischer, etwas verzogener Fußballballspieler, dass es wirklich andere Sachen gibt im Leben, als Fußball, schnelle Autos und schöne Frauen. Mein Lebensinhalt hat sich um 360 Grad gewendet und mittlerweile engagiere ich mich ununterbrochen für soziale Projekte.
Haben Sie nie daran gedacht aufzuhören?
Fußball ist mein Leben, ich liebe Fußball über alles, das ist schon seit frühester Kindheit so. Nach dem Vorfall in Singapur habe ich ein Studium als Sport und Touristikmanager gemacht und gedacht, ich hör dann auf. Aber es ging nicht, weil ich dem Fußball so eng verbunden bin.
Wenn man so viel reist, fühlt man sich da noch als Deutscher oder als Weltbürger?
Ich glaube, ich bin schon der typische Weltbürger, oder ein globalisierter Deutscher, weil ich ja eigentlich sehr wenig in Deutschland bin. Ich hab so viele andere Kulturen, so viele andere Sachen gesehen, dass ich mich jetzt nicht als typischen Deutschen oder typischer Bayer sehe, obwohl ich wie ein typischer Bayer klinge.
Werden Sie denn irgendwann mal sesshaft?
Muss ich ja mal irgendwann. In Zukunft werde ich ich mich mehr auf mein Projekt Global Goal konzentrieren. Aber natürlich, weil es ja auch Global Goal heißt, sehr viel reisen.
Erzählen Sie doch von ihrem Projekt.
Die Idee war eigentlich, dass das globalste Spiel der Welt - der Fußball, genutzt wird, um auf das absolut größte Problem momentan, die Erderwärmung, aufmerksam zu machen und damit auch noch Geld einzuspielen und das Hilfsorganisationen zu spenden. Die erste Idee war einfach mal ein Spiel zu machen in der Antarktis, das erste Spiel überhaupt dort. Denn so etwas erregt Aufmerksamkeit, vor allem wenn man da mit Stars aufläuft. Dann wurde das Projekt immer größer. Und mittlerweile haben wir 18 Spiele weltweit geplant, von Tansania, Nepal, Fidschis, Amazonas, Grönland, Spitzbergen und so weiter und haben auch große Stars dafür begeistern können.
Wen zum Beispiel?
Wir sprechen zur Zeit mit David Beckham und Robbie Williams und Bryan Adams. Dann sind Spieler aus der Bundesliga dabei: Bobic, Barbarez, Rehmer, Heinrich. Aus Holland Pierre van Hooydonk. Aus Südamerika Giovanne Elber, Cafu. Maradona hat uns für ein Spiel zugesagt. Aus anderen Sportarten Fernando Alonso, Björndalen aus dem Biathlon, einfach quer durchs Gemüsebeet.
Warum engagieren Sie sich gerade für den Klimaschutz?
Die harten Erlebnisse in Singapur und England, da ist bei mir der Stecker umgedreht worden. Ich hab gedacht, es muss noch was anderes geben im Leben, es muss wichtigeres geben. Und ich bin einer, der viel gereist ist und viel gesehen hat, vor allem wunderschöne Natur. Ich hätte mich auch für Menschenrechte einsetzten können nachdem, was mir in Singapur passiert ist, aber mein großes Interesse gilt dem Klimaschutz.
Fußballer beschäftigen sich eher selten mit so einem Thema ...
Das ist noch das alte Stereotyp von Fußballern. Es ist nicht mehr so, dass Fußballer nichts in der Birne haben, schnelle Autos fahren und mit Scheuklappen durchs Leben laufen. Ich glaube, dass sich Fußballer heute schon mit anderen Themen beschäftigen und die Resonanz der Spieler auf mein Projekt war bisher nicht nur gut, sondern überragend. Aber wir holen uns natürlich schon Fußballer, die sich mit dem Klimaschutz identifizieren können. Aber alle Spieler, mit denen ich gesprochen habe, wollen auch die Botschaft rüberbringen und auch Vorbilder sein und Dinge in ihrem Leben ändern.
Da erste Spiel hatte der FC Global United ja schon beim Hallenturnier in Riesa Anfang des Jahres ....
Das war eine klasse Sache, wir haben den MSV Duisburg geschlagen, mit einer Mannschaft, die aus lauter alten Männern bestand, und sind immerhin Dritter geworden. Die Spieler wie Fredi Bobic haben sich auch außerhalb des Platzes ür die Sache sehr gut eingesetzt.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt?
Am 22. April ist Earth Day. Da werden wir wahrscheinlich ein Turnier spielen gegen die Mannschaft des Vatikans. Dann sind wir zur Vorbereitung des Weltklimagipfels in Bonn und spielen gegen eine deutsche Mannschaft. Dann sind wir in Norwegen, in Oslo und Spitzbergen. Hauptevent ist aber Anfang Dezember der Weltklimagipfel in Kopenhagen, das ist für mich der wichtigste Termin, dort können wir nicht nur unser Projekt vorstellen, sondern auch mit Politikern, Staatsmännern und -frauen reden und das wird eine sehr wichtige Angelegenheit für uns.
Das Gespräch führte Sarah Faupel
Redaktion: Wolfgang van Kann / Wim Abbink