Frère Alois: Den Jugendlichen zuhören
27. Oktober 2018Deutsche Welle: Frère Alois, zum Ende der Jugendsynode im Vatikan - wie fällt nach dreieinhalb Wochen Ihre Bilanz aus?
Frère Alois: Es gibt Hoffnung, vor allem dass sich die Jugendlichen in der Kirche noch mehr angenommen fühlen. Bischöfe haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Kirche ein Ort sein soll, an dem alle willkommen sind und begleitet werden, und zwar ohne Bedingungen und ohne Bevormundung. Ich hoffe, dass das in der Kirche noch mehr zur Wirklichkeit wird.
Aber kirchliche Sprache ist oft eine Sprache der Gängelung, des Ge- und Verbots. Rechnen Sie da wirklich mit raschen Veränderungen?
Das braucht sicher seine Zeit. Gerade weil die tieferen anthropologischen Fragen in der Weltkirche unterschiedlich gesehen werden. Da braucht es Zeit, Antworten zu finden. Aber die meisten Bischöfe wollen, gerade was Fragen der Sexualität angeht, den Jugendlichen zuhören und die Menschen so annehmen, wie sie sind.
In dieser Woche wurden neue Zahlen bekannt: In Europa schwindet die katholische Kirche, auf allen anderen Kontinenten wächst sie. Was bedeutet das für junge Katholikinnen und Katholiken in Europa?
Wir müssen zunächst einmal erleben, wie lebendig die Kirche zum Beispiel in Afrika ist. Ein Bischof sagte während der Synode: "Wir dürfen nicht nur Bilder von ertrunkenen Flüchtlingen zeigen. Das ist eine harte und schlimme Realität, aber es gibt in Afrika auch eine sehr lebendige Kirche, von der wir etwas lernen können." Es ist so wichtig, dass wir in der Kirche Kontakte zwischen den Kontinenten haben, damit wir uns in Europa von dieser Vitalität anstecken lassen. In Taizé versuchen wir bei unseren Jugendtreffen auf den anderen Kontinenten - zuletzt 2017 in Benin - auch immer europäische Jugendliche mit einzubinden. Diese können dabei tiefe Erfahrungen machen.
Und doch bleibt Europa ein Kontinent, der sich von den verfassten Kirchen entfernt.
In Taizé haben wir jedes Jahr viele zehntausend Jugendliche aus allen Teilen Europas zu Gast. Und wir erleben, wie viele Jugendliche sich heute die Frage stellen: Welchen Sinn hat mein Leben? Welche Hoffnung gibt es in dieser zerrissenen, sich rasch verändernden Welt? Und - was weit über Sexualität hinausgeht - was heißt Liebe, Angenommensein? So grundlegende Fragen treiben Jugendliche heute um, was immer auch eine spirituelle Dimension hat. Jugendliche müssen erfahren können, dass Kirche ein Ort der Freundschaft ist. Das ist die Grundlage für alles Weitere.
Bei dieser Synode wurde immer betont, dass die Kirche hier als Gemeinschaft unterwegs sei. Aber gleichzeitig dürfen selbst Ordensfrauen nicht mal mit abstimmen.
Ja, das ist nicht mehr verständlich. Die eingeladenen Ordensmänner dürfen, auch wenn sie keine Priester sind, mit abstimmen - die Ordensfrauen nicht. Weltweit gibt es wesentlich mehr Ordensfrauen als Ordensmänner, doch hier sind sie völlig unterrepräsentiert. Das sollte bei der nächsten Synode anders werden.
Ist das letztlich nur ein Schlagwort, dass bei der Synode die Laien eine stärkere Bedeutung haben?
Mein Eindruck ist, dass sich die Kirche in einem Klärungs- und Lernprozess befindet: Was bedeutet "Kollegialität der Bischöfe", und was bedeutet "Synodalität"? Wenn der Papst im Februar mit den Vorsitzenden sämtlicher Bischofskonferenzen über die Missbrauchsskandale berät, dann ist das Kollegialität, dann sind die Bischöfe seine Kollegen im Amt. Aber bei einer Synode könnte man über eine breitere Einbeziehung von Laien nachdenken, damit zum Ausdruck kommt, dass das Volk Gottes gemeinsam unterwegs ist. Während der vergangenen Wochen wurde deutlich, dass die Teilnahme von Jugendlichen ein großer Schatz ist, der die Atmosphäre hier stark verändert hat. Alles war viel offener, diskussionsfreudiger. Ich würde mir wünschen, dass das Konsequenzen für künftige Synoden hat und man die Einbindung von Laien stärker in den Blick nimmt.
Frère Alois (64) hat auf Einladung von Papst Franziskus als Sondergast an der Jugendsynode teilgenommen. Die Synode endet am Sonntag (28. Oktober) mit einem Gottesdienst mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz. Frère Alois ist gebürtiger Deutscher und leitet seit 2005 die ökumenische Gemeinschaft von Taizé in Burgund. Ihr gehören gut 100 Männer aus rund 25 Ländern und verschiedenen christlichen Kirchen an.
Das Interview führte Christoph Strack.