Frust über ukrainische Investoren
19. Dezember 2017"Feinstaub ist bei uns nicht nachweisbar. Hier können Sie durchatmen", sagt Bürgermeister Horst Schröttner nicht ohne Stolz. Semmering, knapp eine Autostunde von Wien entfernt, ist legendär. Der Wintersport, erfährt man im Gespräch mit Einheimischen, sei genau hier vor mehr als einem Jahrhundert praktisch erfunden worden. Doch schnell wird klar: Semmerings beste Zeiten liegen lange zurück. Der Ort wirkt heute wie im Dornröschenschlaf: märchenhaft schön verschneite Wälder und Berge - und dennoch herrschen Leere und Stillstand.
Panhans: Geschichte und Faszination
Oben, gegenüber dem "Zauberberg", wie der Hausberg Hirschenkogel vermarktet wird, thront majestätisch das Denkmal der glorreichen Vergangenheit: das Grand Hotel Panhans. Dieses Haus prägte den Mythos Semmering wie kein anderes. Hier traf sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts das Wiener Großbürgertum. Den Boom leitete die Semmeringbahn, heute UNESCO-Weltkulturerbe, ein.
Es war die erste Bahn weltweit, die ab 1854 Gäste auf etwa 1000 Meter Höhe brachte. Einmalig saubere Bergluft zog vor allem gut betuchte Prominenz an, die Heilung und Linderung suchte. Spätestens als im Grandhotel 1911 der große Festsaal und ein Casino eröffnet wurden, war Semmering dabei, dem berühmten Schweizer Kurort St. Moritz die Schau zu stehlen.
Als zahlungskräftige ukrainische Investoren vor fünf Jahren in Semmering auftauchten, machten grandiose Pläne für einen Neuanfang die Runde. Zweimal wechselten in dieser Zeit die Besitzer des Hotels Panhans. Zunächst erwarb 2012 eine österreichische Firma mit ukrainischer Beteiligung, die "IBS Umwelt- und Verkehrstechnik GmbH", das Hotel. 2013 erfolgte der Weiterverkauf an die "Panhans Holding Group GmbH", die einer Firma in der Schweiz gehört. Geschäftsführer der Panhans Holding ist aber der Ukrainer Viktor Babuschtschak. 56 Millionen Euro sollten allein in der ersten Phase eines großen Investitionsplans in die Erneuerung und Aufwertung der touristischen Infrastruktur von Semmering fließen. Ein "zweites St. Moritz " versprach der Geschäftsführer der Panhans Holding vor österreichischen Journalisten.
"Geld schien keine Rolle zu spielen. Die Ukrainer versuchten, den ganzen Ort zu erwerben", erinnert sich heute Eduard Aberham, langjähriger Direktor des Grand Hotels Panhans. Am Anfang war er für die Ukrainer als Berater tätig. Sein Betrieb war der erste, den die Ukrainer erwarben. Fast alle großen Hotels wurden von der Panhans Holding nacheinander aufgekauft. Später folgten die Skilifte und Restaurants auf dem "Zauberberg". Das Skigebiet sollte um ein Vielfaches erweitert werden. Dazu sollten viele Grundbesitzer ihr Land verkaufen. "Da kam der erste Sand ins Getriebe. Es stellte sich heraus, dass viele nicht verkaufen wollten", erzählt Aberham im Gespräch mit der DW. Doch das war nicht das größte Problem der Ukrainer.
Gelder fließen nicht wie geplant
Bürgermeister Horst Schröttner berichtet von Problemen der Investoren mit Österreichs Finanzbehörden. Kontrolleure würden inzwischen jede Transaktion sehr genau prüfen, als handele es sich um Schwarzgeld, so Schrötter. "Aber wie lange darf die Prüfung dauern? Doch nicht ein Jahr, anderthalb oder zwei Jahre!", ärgert sich der Bürgermeister im DW-Gespräch. Er beklagt, dass das Geld der Ukrainer, wenn überhaupt, nur scheibchenweise ankomme.
Auch die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in Wien bestätigt der DW Ermittlungen im Zusammenhang mit Panhans. "Rund um den Verkauf des Hotels "Panhans" im Jahr 2012 ist ein Verfahren wegen Geldwäscherei gegen teils bekannte, teils unbekannte Täter anhängig", so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Anonyme Investoren
Wer sind die zahlungskräftigen Ukrainer, deren Geld Österreichs Behörden jetzt so penibel unter die Lupe nehmen? Das ist nicht leicht auszumachen. Die Namen der wirtschaftlich Berechtigten der Schweizer Firma "Renco Invest", der die Panhans Holding gehört, gibt das Handelsregister nicht her. Mehrmals ließen Vertreter der Panhans Holding Fragen von Journalisten über die Herkunft des Geldes unbeantwortet. Ein Gespräch mit der DW wurde abgelehnt.
Formell hat die Panhans Holding mit dem Kauf des Hotels durch die "IBS Umwelt- und Verkehrstechnik GmbH" im Jahr 2012 und den damit verbundenen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche, nichts zu tun. Sie erwarb das Hotel Panhans erst ein Jahr später. Doch, wie DW-Recherchen ergaben, stehen hinter beiden Firmen offenbar die gleichen Personen.
Gesellschafter der IBS waren der österreichische Geschäftsmann und Politiker Thomas Schellenbacher und der Ukrainer Ihor Palytsia, der seit Jahren in Politik und Wirtschaft aktiv ist. Sie sind seit längerem befreundet, wie Schellenbacher 2015 gegenüber dem österreichischen Magazin "Profil" bestätigte.
Ukrainisches Netzwerk in Österreich
Viktor Babuschtschak, der heutige Panhans-Manager, arbeitete bereits 2012 für Palytsia und Schellenbacher, und zwar in Projekten einer von beiden gegründeten Stiftung mit dem Namen "IBS Palytsia Schellenbacher Fund". Gemeldet ist Babuschtschak, laut Firmenbuch, in St. Leonhard am Forst, dem Heimatort von Schellenbacher. Die Einsicht ins Grundbuch ergibt: Seinen Wohnsitz hat Babuschtschak im Haus von Schellenbacher und dessen Frau.
Offenbar ist Babuschtschak nicht der einzige Ukrainer, dem Schellenbacher zu einem Wohnsitz verholfen hat. Schellenbacher, der bis vor kurzem für die FPÖ im Nationalrat saß, beteiligte mehrere Geschäftsleute aus der Ukraine an seinen Firmen. Nach Angaben der Zeitschrift "Profil" waren auch sie in seinem Haus oder im Haus seiner Eltern gemeldet. Darunter soll der damalige ukrainische Parlamentsabgeordnete Ihor Palytsia gewesen sein. Wohnsitz und Firmenbeteiligung in Österreich dienten den Ukrainern wohl vor allem zur leichteren Abwicklung von geplanten Investitionen in Europa. Schellenbacher war im Nationalrat übrigens Obmann der Österreichisch-Ukrainischen Parlamentariergruppe.
Derweil wurden die Geschäftskontakte Schellenbachers in der Ukraine immer intensiver. Die IBS verkaufte in der Ukraine Technik für Wasserkraftwerke. Auch Kläranlagen und andere Ausrüstung "Made in Austria" gehörten zum Angebot. 2012 erhielt Schellenbachers Firma einen Großauftrag in der Ukraine. Im größten ukrainischen Skiressort Bukovel baute die IBS Umwelt- und Verkehrstechnik GmbH eine Kläranlage. Zur gleichen Zeit übernahm die IBS die Abwicklung des Kaufs des Hotels Panhans in Semmering.
Die Bukovel-Connection
Dass Bukovel-Gesellschafter hinter den Investitionen aus der Ukraine stehen, ist unter Eingeweihten in Semmering ein offenes Geheimnis. Bürgermeister Horst Schröttner war bereits auf Einladung der Ukrainer in Bukovel. "Flug und Hotel hatte ich selbst bezahlt", betont der Semmeringer. In der Ukraine traf Schröttner auch die Brüder Oleksandr und Viktor Schewtschenko, die Miteigentümer von Bukovel sind und dort alle operativen Geschäfte leiten. Wie in Bukovel übernahm auch in Semmering der Jüngere der Schewtschenko-Brüder die gesamte Gastronomie rund um die Skipisten. In Österreich ist er, zusammen mit zwei ukrainischen Partnern, Gesellschafter der Firma Ambikom GmbH, wie der Blick ins Firmenbuch bestätigt. Viktor Schewtschenko, wie sein Bruder zugleich auch Parlamentsabgeordneter in der Ukraine, verschweigt die Geschäfte in Österreich, obwohl er sie nach ukrainischem Antikorruptionsgesetz offenlegen müsste.
Die entscheidende Rolle in Semmering spielt aber offenbar Ihor Palytsia. "Wenn wir über etwas verhandeln, sagt Babuschtschak immer 'ich muss noch mit Palytsia Rücksprache halten'", berichtet Bürgermeister Schröttner der DW. Den Ukrainer kenne er persönlich, er sei regelmäßig in Semmering, sagt Schröttner.
Palytsias Rolle im Hintergrund hebt auch Andreas Stühlinger hervor, der ehemalige Inhaber und Geschäftsführer eines Kurhauses. Im Oktober 2013 verkaufte er den Betrieb an die Panhans Holding. Babuschtaschak habe damals den Kaufvertrag unterschrieben, anwesend sei aber auch Ihor Palytsia gewesen, berichtet Stühlinger: "Er war als Mastermind da. Dieser Kauf war für die Investoren ein Meilenstein. Lange Zeit dachte ich, Palytsia wäre der eigentliche Investor. Doch dann gab es Gerüchte, dass da eine noch wichtigere Person dahinter steht".
Ein Oligarch hinter den Kulissen?
Diese wichtige Person hinter Palytsia ist offenbar einer der reichsten Oligarchen der Ukraine: Ihor Kolomojskij. Neben den Schewtschenko-Brüdern ist Kolomojskij Miteigentümer des bekannten ukrainischen Skiressorts Bukovel. Presseberichten zufolge ist er dort auch größter Investor. Palytsia wiederum gilt in der Ukraine als rechte Hand des Milliardärs. So war er unter anderem Vertreter Kolomojskijs im Aufsichtsrat des mehrheitlich staatlichen Ölkonzerns "Ukrnafta". Kolomojskij hat nur eine Minderheitsbeteiligung an "Ukrnafta", aber er konnte trotzdem viele Jahre lang über Geldflüsse entscheiden.
Für die Semmeringer ist Kolomojskij kein Unbekannter. "Kennen Sie diesen Mann?", das Foto Kolomojskijs lässt Stühlinger nicht lange überlegen. "Ja, das ist er", bestätigt der ehemalige Kurhausbesitzer. "Kurz vor dem Kauf kam Babuschtschak zusammen mit ihm und zeigte ihm das Kurhotel. Ich wusste damals noch nicht, wer das ist. Seinen Namen flüsterten aber die Ukrainer geradezu vor Ehrfurcht", erinnert sich Andreas Stühlinger: "Er fragte mich, was es kosten würde, aus meinem Kurhaus einen "Lanserhof" zu machen ("Lanserhöfe" sind luxuriöse Ferienhotels, die auf Wellness und Gesundheit spezialisiert sind - Red.).
Kolomojskij und andere Bukovel-Investoren verbinden übrigens nicht nur geschäftliche Interessen. Sie alle sind Mitglieder der Partei "Ukrop", deren wichtigster Sponsor Kolomojskij ist. Seine "rechte Hand" Palytsia sitzt für die Partei im Parlament der ukrainischen Region Wolhynien und ist dort auch Parlamentspräsident. Auch die Schewtschenko-Brüder gehören zur Partei "Ukrop".
Die Euphorie ist vorbei
Heute, fünf Jahre nach dem Verkauf an die Ukrainer, steht das Grand Hotel Panhans leer. Seit dem Frühjahr wird dort renoviert. Mehrmals wurden nach Razzien ukrainische Schwarzarbeiter aufgegriffen. "Die Ukrainer wurden abgeschoben. Sie hatten weder Aufenthalts- noch Arbeitsgenehmigungen", teilte ein Sprecher des österreichischen Finanzministeriums auf DW-Anfrage mit.
Nach Angaben des Ministeriums ermitteln die Behörden gegen ein Netzwerk an Scheinfirmen mit Verdacht auf organisierten Menschenhandel. Neben Schwarzarbeit sorgten auch andere Zwischenfälle für Negativschlagzeilen. Wegen unbeglichener Rechnungen wurde zwischenzeitlich der Strom im Grand Hotel abgestellt. Mitarbeiter klagten über ausstehende Löhne. Noch nicht mal die Skilifte, die ebenfalls den Ukrainern gehören, waren zum diesjährigen Saisonbeginn in Betrieb.