Friedrich Nietzsche - Der "Hammer-Philosoph"
25. August 2020"Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit", schrieb Friedrich Nietzsche unbescheiden in seiner Autobiografie "Ecce Homo". Und tatsächlich legte der Philosoph manche Lunte an die Denktraditionen des Abendlandes. "Gott ist tot, und wir haben ihn getötet" - eines der vielen, wenn auch verkürzten, Zitate, mit denen Nietzsche in der Philosophiegeschichte weltberühmt - und berüchtigt - wurde.
Dabei wurde Friedrich Wilhelm Nietzsche 1844 im sachsen-anhaltinischen Dorf Röcken in ein protestantisches Pfarrhaus hineingeboren. Später begann er in Bonn evangelische Theologie zu studieren, wechselte jedoch bald zur Altphilologie. Nach einer Zwischenstation in Leipzig kam er nach Basel, wo ihn die dortige Universität mit kaum 25 Jahren zum Professor für klassische Sprachwissenschaften machte. Doch gesundheitliche Probleme zwangen ihn um 1875, die Lehre wieder aufzugeben. Fortan verdingte sich Nietzsche als freischaffender Schriftsteller und Philosoph.
Mit der Schrift "Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" (1872) setzte der 27-jährige Nietzsche einen ersten Paukenschlag. Hier schloss er seine Verehrung für den pessimistischen Philosophen Arthur Schopenhauer mit der für den Komponisten Richard Wagner kurz. Während seiner Zeit in Leipzig war Nietzsche Wagner begegnet und derart von dem Musiker fasziniert, dass er in ihm seinen Erlöser erblickte.
Nietzsches radikale Religionskritik
In der "Geburt der Tragödie" skizzierte Nietzsche bereits den Kern seines Denkens. Auf etwa 100 Buchseiten und in 25 knappen Kapiteln entwickelt er aus seinen Studien des Griechentums, seiner Liebe zur Musik und der Wertschätzung Schopenhauers und Wagners sein kulturelles Weltbild. Der Sprachwissenschaftler formulierte ein tiefes Misstrauen gegenüber jeder Verlässlichkeit von Worten und Texten: "Es gibt nur Interpretationen, keine Tatsachen", lautet ein berühmtes Nietzsche-Zitat. Nicht nur diese fundamentale Sprachkritik wird später von postmodernen Denkern begeistert aufgegriffen.
So verwundert es nicht, dass sich der philosophische Sprengmeister Nietzsche auch die Wort-Religion Christentum vorknöpft. Eine Religionskritik gipfelt in der scharfen Polemik "Der Antichrist", in der Nietzsche - verkürzt gesagt - Christentum und Theologie für alle Übel des Abendlandes verantwortlich macht. Nietzsche-Experten warnen davor, den Autor selbst als antichristlich anzusehen. Eher spreche vieles dafür, dass Nietzsche das Christentum durch seine Abrechnung retten wollte. Doch ist diese ein weiteres Beispiel für das robuste Vorgehen des Denkers, der mit seinen Schriften zeigte, wie er selbst eine seiner Schriften betitelte: "Wie man mit dem Hammer philosophiert."
Viele Krankheiten
War die Radikalität seiner Schriften ein Produkt fortschreitender psychischer und neurologischer Erkrankungen? Tatsächlich litt der Philosoph über viele Jahre an heftigster Migräne. Ein Magenleiden machte ihm zu schaffen und später erblindete er nahezu - womöglich wegen einer nicht ausgeheilten Syphilis.
Nachdem er mehr und mehr Briefe und Zettel verschickt hatte, die Züge von Größenwahn trugen, wurde er in psychiatrische Kliniken zunächst in Basel, später in Jena untergebracht. Ab seinem 45. Lebensjahr (1889) litt er unter einer psychischen Krankheit, die ihn arbeits- und geschäftsunfähig machte. Er verbrachte den Rest seines Lebens als Pflegefall in der Obhut zunächst seiner Mutter, dann seiner Schwester und starb am 25. August 1900 im Alter von 55 Jahren.
Seinen Ruhm, der Anfang der 1890er Jahre einsetzte, hat Friedrich Nietzsche nicht mehr bewusst erlebt. So schillernd und vielfältig Nietzsches Schriften, so vielfältig war auch seine postume Leserschaft. Nietzsches Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche verwaltete als Alleinerbin die Schriften ihres Bruders. Offenbar teils aus Unwissenheit, teils gezielt steuerte sie eine recht selektive Herausgabe seiner Schriften. So entdeckte der Expressionismus die Sprachgewalt Nietzsches und feierte insbesondere das Buch "Also sprach Zarathustra". Später bedienten sich die Nationalsozialisten und Faschisten, etwa der italienische Diktator und Nietzsche-Fan Benito Mussolini an Nietzsche-Begriffen wie "Herrenmensch" und "Wille zur Macht". Damit galt Nietzsche im Nachkriegsdeutschland weithin als braun besudelt.
Postumer Weltruhm
Es waren Philosophen in Italien und Frankreich, die Nietzsche neu entdeckten, so die Existenzialisten Jean-Paul Sartre und Albert Camus. Später griffen Denker wie Jacques Derrida oder Gilles Deleuze auf Nietzsche zurück. "Im Bergwerk dieses Denkers ist jedes Metall zu finden", warnte der italienische Philosoph und Mitherausgeber der Werke Nietzsches, Giorgio Colli (1917-1979), vor unbedachter Vereinnahmung des berühmten Kollegen: "Nietzsche hat alles gesagt - und das Gegenteil von allem!"
Im Volksmund allerdings ist vor allem dieser Satz von Nietzsche überliefert: "Wenn Du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht", was ihm den Ruf eines Frauenhassers einbrachte. Dabei hat er das selbst nie so gesagt, sondern es in dem Werk "Also sprach Zarathustra" einem "alten Weiblein" in den Mund gelegt. Sie fragt den Helden: "Du gehst zu Frauen?" und rät ihm dann, die Peitsche nicht zu vergessen - wobei sie offen lässt, wer hier wen malträtieren soll.