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Friedrich Merz, die CDU und ihr Anspruch auf die Macht

8. Mai 2024

Die größte Oppositionspartei CDU will schnellstens wieder an die Macht in Deutschland. Auf ihrem Parteitag wurde ein neues Programm verabschiedet. Die nächsten Wahlen werden dabei sehr entscheidend für die Partei.

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Deutschland | CDU-Bundesparteitag in Berlin
Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Buchstaben CDU sind im Parteilogo wieder schwarz, wie sie es früher waren. Davor leuchten drei aufsteigende Balken in Schwarz-Rot-Gold, den Nationalfarben Deutschlands. Das ist mehr als nur ein neues Design. Die "Schwarzen", so werden in Deutschland traditionell die bürgerlichen Konservativen bezeichnet. Genau so will CDU-Chef Friedrich Merz die Partei wieder verstanden wissen.

Akribisch hat der Jurist an der Neuausrichtung der CDU gearbeitet, seit er es Anfang 2022 im dritten Anlauf schaffte, den Partei- und Fraktionsvorsitz von CDU/CSU im Bundestag zu übernehmen. Er will weg vom Kurs der liberalen Mitte, den die langjährige CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrat. Mit der Alt-Kanzlerin verbindet Merz eine lange Geschichte, die von Enttäuschung, Wut und Abneigung geprägt wurde. 

Der weite Weg zur Kanzlerkandidatur

Wegen Merkel hatte Merz einst der Politik den Rücken zugekehrt und war in die Wirtschaft gegangen. Jetzt ist er zurück, will die regierende Koalition aus SPD, Grünen und FDP ablösen und Bundeskanzler werden. "Maximal vier Jahre Ampel sind genug. Jeder Tag früher, den dieses Schauspiel ein Ende findet, ist ein guter Tag für Deutschland", sagte der 68-Jährige auf dem Bundesparteitag der CDU in Berlin. 

Angela Merkel und Friedrich Merz 2002
2022 verdrängte Angela Merkel Friedrich Merz als Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU im BundestagBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Es war eine staatstragende Rede, fast eineinhalb Stunden lang, mit der sich Merz erneut für den Parteivorsitz bewarb und indirekt auch für die Kanzlerkandidatur empfiehlt. So weit ist es allerdings noch nicht, die Entscheidung soll erst im Herbst fallen. Erstmal hat sich die CDU ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Es wurde auf dem Parteitag verabschiedet und trägt eine weitgehend konservative Handschrift. "Mit diesem Programm sind wir sofort und spätestens im Herbst des nächsten Jahres bereit, wieder Regierungsverantwortung für Deutschland zu übernehmen." 

Islamisten gehören nicht zu Deutschland

Auf 75 Seiten definiert die CDU, "wer wir sind, wo wir stehen, was wir wollen", wie Merz sagt. Die Standpunkte zu allen wesentlichen politischen Themen werden durchdekliniert. 

Klare Ansagen gibt es beim Thema Zuwanderung und der Frage, wer und was nach Ansicht der Christdemokraten in Zukunft zu Deutschland gehört oder auch nicht. "Muslime, die unsere Werte teilen, sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft, heißt es und: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland." 

Das neue CDU-Logo ist auf Fahnen vor dem Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, zu sehen.
Schwarz, blau und weiß - auch optisch tritt die CDU wieder konservativer aufBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Rechtsextremismus unterschätzt, Fehler nicht wiederholen

Im Umgang mit Islamisten fordert Merz mehr Wehrhaftigkeit. "Wir müssen uns heute zu Recht sagen lassen, dass wir den Rechtsextremismus in Deutschland jahrelang unterschätzt haben und sollten sehr aufpassen denselben Fehler nunmehr nicht gegenüber den Rädelsführern des politischen Islam zu wiederholen, die uns unverhohlen drohen und die nicht bereit sind, die Regeln unseres Landes und eines friedlichen Miteinanders in Deutschland zu akzeptieren."

Von Zugewanderten verlangt die CDU ein Bekenntnis zur deutschen Leitkultur "ohne Wenn und Aber". Der Begriff stammt aus den neunziger Jahren und ist politisch umstritten. Von Seiten der Grünen wird er mit Assimilierung gleichgesetzt. Die CDU will ihn heute als Bekenntnis zum Grundgesetz und zu einem Wertekonsens verstanden wissen. Dazu würden das "gemeinsame Bewusstsein von Heimat und Zugehörigkeit" gehören, das "Verständnis unserer Traditionen und Bräuche" sowie die Kenntnis der deutschen Kultur und Sprache.

Ruanda-Modell für Deutschland?

Beim Thema Asyl setzt die Partei auf eine deutliche Verschärfung. "Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen", heißt es. Mit dem Drittstaat sollten Abkommen vereinbart werden, um Asylbewerber bei einem positiven Bescheid auf europäische Staaten zu verteilen. Ein Vorstoß auch der Kirchen, anerkannten Asylsuchenden ein Bleiberecht in Deutschland zu gewähren, fand auf dem CDU-Parteitag in Berlin keine Mehrheit.

Deutschland | CDU-Bundesparteitag in Berlin. Friedrich Merz (CDU) und andere Parteimitglieder aus dem Bundesvorstand präsentieren beim CDU-Bundesparteitag das neue Grundsatzprogramm der Union.
"In Freiheit leben" - so ist das neue Grundsatzprogramm überschrieben, das die CDU auf ihrem Parteitag beschlossen hatBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Im neuen Grundsatzprogramm erhebt die CDU zudem die Forderung, schrittweise zur Wehrpflicht zurückzukehren, die seit 2011 ausgesetzt ist. Wer keinen Dienst in der Bundeswehr leisten will, soll aber auch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr in einer sozialen Einrichtung ableisten können. 

Beim Thema Soziales fordert die CDU mehr Anreize, Arbeit anzunehmen: Wer Arbeit oder Ausbildung verweigert, "muss finanziell spürbar schlechter stehen als jemand, der sich aktiv um Arbeit bemüht". 

Merz ist (noch) nicht Kanzlerkandidat

Zwei Jahre hat die CDU an ihrem neuen Grundsatzprogramm gearbeitet. "Die verlorene Bundestagswahl war schmerzhaft", sagte Friedrich Merz auf dem Parteitag. "Aber der Gang in die Opposition hat uns auch die Zeit verschafft, die wir als Partei gebraucht haben."

Wüst (CDU): "Es braucht einen Wechsel in Deutschland"

Friedrich Merz ist allerdings noch nicht bereit, ihm fehlt die Nominierung als Kanzlerkandidat. Erst im Herbst, nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wollen die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU entscheiden, wer als Spitzenkandidat für die Union ins Rennen geht. Merz will, aber auch dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder werden Ambitionen nachgesagt - und dann ist da noch der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.

Von Löwen und Bären

Drei höchst unterschiedliche Männer, die sich permanent im Blick behalten und belauern. Söder hielt als CSU-Vorsitzender auf dem CDU-Parteitag eine Rede, die ausnehmend freundlich war und ohne Sticheleien auskam. Es war Merz, der die Konkurrenz anschließend ansprach, indem er das bayerische Wappentier, den Löwen, mit dem Berliner Wappentier, dem Bären, verglich. 

Deutschland | CDU-Bundesparteitag in Berlin. Friedrich Merz (l), CDU-Bundesvorsitzender, gibt Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nach dessen Rede beim CDU-Bundesparteitag die Hand.
Ringen um die Macht in der Union: CDU-Chef Friedrich Merz (li.) und CSU-Chef Markus SöderBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

"Löwe und Bär legen sich in der Regel nicht miteinander an. Das bekommt dem einen nicht und dem anderen nicht. Deswegen gehen sie sich eigentlich, wenn es um die Verteidigung von Jagdgebieten geht, aus dem Weg." Aber es gebe eine Gemeinsamkeit, sagte Merz ins jubelnde Lachen der Delegierten hinein: "Allen anderen sei herzlich und dringend anempfohlen, sich weder mit dem einen noch mit dem anderen anzulegen."  

Warum kann die CDU nicht stärker profitieren?

Als CDU-Vorsitzender hat Merz traditionell das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur, das räumt auch Söder ein. Doch längst nicht alle sind der Meinung, dass er der richtige Kandidat wäre. Rund 89 Prozent der Delegierten haben ihn auf dem Parteitag erneut zum CDU-Vorsitzenden gewählt. Ein überragendes Ergebnis war das nicht.

Die Kritiker von Friedrich Merz fragen sich, warum die CDU/CSU in Wahlumfragen zwar vorne, aber nur bei gut 30 Prozent liegt. Obwohl die Unzufriedenheit der Wähler mit der amtierenden Regierung aus SPD, Grünen und FDP so groß ist. Vier von fünf Bürgern sind mit der Arbeit der Ampel-Koalition unzufrieden. Müsste die CDU davon nicht stärker profitieren? 

Ältere Männer würden Merz wählen

Markus Söder und Henrik Wüst sind weitaus beliebtere Politiker als Friedrich Merz. Der Sauerländer wirkt oft kantig, er polarisiert und wird vor allem von Frauen mehrheitlich als altmodisch und gestrig wahrgenommen. In einer Forsa-Umfrage für das Magazin Stern sagten nur neun Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren, dass sie für Merz stimmen würden. In der Altersgruppe zwischen 30 und 45 Jahren waren es 13 Prozent. Bei den Männern ist die Unterstützung für Merz bei den 45 bis 59-Jährigen mit 29 Prozent am höchsten. 

Deutschland | CDU-Bundesparteitag in Berlin. Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, sitzt neben Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, EU- und EVP-Spitzenkandidatin, beim CDU-Bundesparteitag
Die CDU unterstützt ihre erneute Kandidatur als EU-Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen war am dritten Tag auf dem CDU-ParteitagBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Mit Spannung werden nun die nächsten Wahlen erwartet. Zeitgleich mit der Europa-Wahl am 9. Juni finden in vielen Städten und Gemeinden Kommunalwahlen statt. Entscheidend für die Frage, ob Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union werden wird, werden aber die Landtagswahlen im September sein. 

Keine Zusammenarbeit mit der AfD

Dabei geht es nicht nur darum, wie die CDU abschneidet, sondern auch um die Frage, welche Machtoptionen in den Blick genommen werden können. In Thüringen und Brandenburg liegt die CDU weit hinter der AfD, in Sachsen gleichauf. Einst hatte Merz vollmundig versprochen, dass sich unter seiner Führung die Zustimmungswerte der in Teilen rechtsextremen Partei halbieren würden. Das Gegenteil war der Fall. Inzwischen beschränkt sich Merz darauf, dass es Aufgabe der CDU sei, gegen die AfD zu kämpfen. Eine Zusammenarbeit lehnt er vehement ab.