Friedrich der Große als Filmstar
30. Januar 2012Ob Friedrich der Große nun ein Militarist oder Philosoph war, beides vereinte, das eine oder das andere überwog, das haben Kultur-Wissenschaftler, Historiker und Biografen zur Genüge erörtert und aufgeschrieben. Das Kino hat seine ganz eigenen Antworten gegeben. Die orientierten sich weniger an den historischen Fakten als an idealistischen Überhöhungen. Sie trugen viel zum Friedrich-Mythos des letzten Jahrhunderts bei. Genau genommen setzten sie schon im vorletzten ein.
Denn in den ersten Jahren des neuen Mediums, zum Ende des 19. Jahrhunderts, als man noch nicht von Kunst und Kultur sprach, wenn es um die laufenden Bilder ging, wurden bereits die ersten Friedrich-Filme vor Publikum gezeigt. Die Skladanowsky-Brüder, die in Deutschland das Kino aus der Taufe hoben, drehten ebenso wie Film-Pionier Oskar Messter Filme über den Preußen-König schon vor der Jahrhundertwende.
Eine prägende Kinofigur
Friedrich II. sollte fortan zu einer der wichtigen Kinofiguren des deutschen Films werden. In den 1920er Jahren und während des Nationalsozialismus wurden 15 Friedrich-Spielfilme gedreht. Darüber hinaus entstanden zahlreiche Kultur- und Werbefilme, in denen es um den legendären König der Preußen ging. Eine kleine Auswahl, die eher die heiter-harmlosen Friedrich-Filme versammelt, ist jetzt auf DVD beim Anbieter "absolut medien" erschienen.
Das deutsche Kino hatte seine ganz eigenen Antworten auf die Frage, was das denn für einer gewesen sei, dieser "große" Preuße. Die viel beschworenen "deutschen Tugenden", Fleiß und Disziplin, aber auch Güte und Volksnähe, wurden im Kino noch einmal überhöht. Manchmal waren es die militärischen "Leistungen", die im Vordergrund standen, manchmal die musischen Fähigkeiten des Monarchen, immer aber stand der König am Ende der jeweiligen Filmwerke prächtig da - den großen, kritischen Friedrich-Film hat das deutsche Kino nicht hervorgebracht.
Sensationelle Erfolgsgeschichte
Nach der frühen Geburt der Friedrichfigur im Kino feierte diese in den 20er Jahren einen geradezu sensationellen Erfolg. Die vier Teile von "Fridericus Rex" (1920-23) des aus Ungarn stammenden Adeligen Arzén von Cserépy stellten so ziemlich alles in den Schatten, was es bis dahin im deutschen Kino gegeben hatte. Auf jeden Fall kommerziell. Und wohl auch, was den gesellschaftlichen Diskurs betraf. "Die Schlacht um 'Fridericus Rex'" betitelte Paul Werner in seiner Skandalchronik des Deutschen Films das Kapitel über die Friedrich-Streifen: "Schlagwörter von der 'Schmach der Niederlage' im Weltkrieg und der 'Schande des Friedensdiktats von Versailles' spukten in den Köpfen allzu vieler herum und bereiteten den Nährboden für den Blick zurück in Sehnsucht. Auf glorreiche Zeiten für die Nation, auf militärische Macht, auf charismatische Nationalhelden. Und nahtlos verband sich damit die Hoffnung auf eine Neuauflage der Vergangenheit in der Zukunft."
Von den Linken und deren Presseorganen wurden die Filme heftigst attackiert, die Rechten jubelten. Die Zensur, die eigentlich nach damaligen Vorgaben hätte tätig werden müssen und dies bei "linken" Filmen auch fleißig tat, drückte bei den Fridericus-Filmen beide Augen zu. Die Zuschauer strömten in die Kinos, die Einspielergebnisse waren enorm und brachen alle Rekorde. Und ganz nebenbei stießen die Filme zwei Entwicklungen an, die man in der Kinogeschichtsschreibung eigentlich immer erst sehr viel später datiert.
In großem Stil wurde der Erfolg der Filme damals vermarktet, mit den verschiedensten Druckerzeugnissen, Musik und Notenblättern, Postkarten und ähnlichem. Marketing-Offensive nennt man das heute; die Science Fiction Saga "Star Wars“ und deren beispiellose Vermarktung sollte erst Jahrzehnte später folgen. Und auch die in den letzten Jahren so erfolgreichen Sequels und Prequels, die zum Teil erst gedreht werden, wenn sich der Erfolg eines aktuellen Streifens abzeichnet, wurden bereits damals "erfunden".
Die Rolle seines Lebens
Noch ein anderer "Mythos" ist mit Friedrich im Kino verbunden: Otto Gebühr, ein bis dahin nur mittelmäßig erfolgreicher Theater- und Filmschauspieler fand zur Rolle seines Lebens. Die äußerliche Ähnlichkeit (mit dem berühmten Friedrich-Gemälde Adolph Menzels und all den Bildnissen des Königs, die man damals hatte) machte den gebürtigen Essener zum idealen Friedrich-Darsteller. Diese Rolle sollte er nie mehr ablegen. In fast allen Friedrich-Filmen spielte Gebühr die Hauptrolle, wurde als Werbefigur eingesetzt, als Spendensammler ins Kostüm des Königs gesteckt: "Nie zuvor in der Geschichte des deutschen Films, und auch später nicht mehr, wurde ein Schauspieler derart mit seiner Rolle identifiziert" (Paul Werner). Der Alte Fritz und sein Alter ego wurden in den folgenden Jahren nicht nur von Schulkindern durcheinandergebracht.
Otto Gebühr spielte die Rolle dann auch in den Filmen, die zwischen 1933 und 1942 entstanden. Hitler galt als ausgesprochener Fan Otto Gebührs/Friedrich II., ein Bild des Königs begleitete ihn bis in die letzten Tage im Führerbunker. Man braucht heute keine große Phantasie, um sich vorzustellen, was Goebbels mitsamt seiner Propagandamaschinerie an dem Preußenkönig gefunden haben muß. Der Mythos Friedrich II., der ja schon viele Jahrzehnte zuvor aufgebaut worden war, musste nur mit den nationalsozialistischen Ingredienzien ergänzt werden. Als "erster Nationalsozialist" wurde Friedrich von den Nazis glorifiziert.
Nationalsozialistische Vereinnahmung
Über "Der alte und der junge König" (1935 in der Regie von Hans Steinhoff) schrieb der "Völkische Beobachter": "Der Triumph des deutschen Films! Das ist ein Film. Der deutsche Film. Endlich. Ein gewaltiges Werk schöpferischer Gestaltungskraft, das mit ungeheurer Wucht die engen Grenzen sprengt... Es ist eine Offenbarung der deutschen Seele, wie sie gewaltiger und erschütternder kaum gedacht werden kann."
Auch spätere Friedrich-Filme der Nazis wurden ganz dezidiert gedreht und eingesetzt um bestimmte Reaktionen bei den Zuschauern zu provozieren. Bis hin zu Veit Harlans "Der große König" (1940 - 1942): "Durch Nacht zum Licht, durch Katastrophe zum Sieg führt dieser Film, der den zukunftsschweren Kampf des großen Friedrich in der zweiten Hälfte des Siebenjährigen Krieges schildert", textete die "Filmwoche". Als "Der große König" im Frühjahr 1942 in die deutschen Kinos kam, ahnten wohl schon viele, dass "Nacht" und "Katastrophe" nicht zwangsläufig zum Sieg führen würden. Vor allem an der Ostfront hatten die deutschen Truppen erste vernichtende Niederlagen hinnehmen müssen. Doch das Kino half noch beim Verdrängen.
Harmlose Anfänge
Schaut man sich heute einen Film wie "Die Tänzerin von Sanssouci" an, den Friedrich Zelnik 1932 drehte, so fällt die extreme Künstlichkeit der Figur Friedrichs ins Auge. In diesem ganz speziellen Fall, ein Jahr vor der Machtergreifung der Nazis gedreht, war das freilich noch ein recht harmloser Spaß. Otto Gebühr spielt hier den Preußen-König als galanten Frauenschwarm, der erst im letzen Moment vor der Verführung der berühmten Tänzerin Barberina zurückschreckt - nicht etwa, weil er kein Interesse mehr am anderen Geschlecht hätte, sondern weil Staatsgeschäfte und militärische Entscheidungen rufen.
Disziplin und Politik statt Liebe und Sex. Auch das eine Lachnummer, wenn man bedenkt, dass der König nach heutigen Stand der Forschung wohl eher dem eigenen Geschlecht zugeneigt war. Auch die anderen (kürzeren) Filme auf der DVD "Friedrich II. und der Film - heiteres und ernstes aus fünf Jahrzehnten" zeigen: die historische Figur wurde von den Produzenten und Regisseuren immer so umgedeutet, wie das gerade für richtig gehalten wurde. Da spielte es keine Rolle, ob Nazis auf dem Regiesessel saßen oder die Filme in der Bundesrepublik oder auch in der DDR entstanden.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Silke Wünsch