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Friedensforscher: Militär wird überschätzt

26. Mai 2009

Die deutschen Friedensforschungsinstitute beklagen eine Überschätzung des Militärs zur Beilegung von Konflikten. Sie kritisieren vor allem die Afghanistan-Politik der Bundesregierung.

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Friedensforscher stellen in Berlin das Friedensgutachten 2009 vor (Foto: dpa)
Weniger Militär, mehr Staatsaufbau, fordern die FriedenforscherBild: picture-alliance/ dpa

In ihrem am Dienstag (26.05.2009) in Berlin vorgelegten Friedensgutachten 2009 forderten die großen Friedensforschungsinstitute mehr internationales Engagement zur Stärkung von staatlichen Strukturen. So hätten die Probleme sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan ihren Grund auch in fehlenden rechtsstaatlichen Strukturen und verbreiteter Korruption.

Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg in der Bundespressekonferenz in Berlin (Foto: dpa)
Jochen Hippler spricht von "politischer Flickschusterei" in Afghanistan und PakistanBild: picture-alliance/ dpa

Die Lage in Afghanistan bleibe auch mit größerem militärischem Engagement aussichtslos, wenn nicht der Staatsaufbau stärker unterstützt werde, sagte Jochen Hippler vom Duisburger Institut für Entwicklung und Frieden (INEF). "Weitere Truppen nach Afghanistan zu entsenden, um den dortigen Staat zu verteidigen, wird den Krieg nicht beenden." Die internationale Gemeinschaft betreibe so in Afghanistan und Pakistan nur "politische Flickschusterei". Pakistan habe fast eine Million eigene Sicherheitskräfte. Trotzdem sei das Land nicht sicher.

Die Bundesregierung sollte daher den Wissenschaftlern zufolge eine Übergewichtung des Militärischen in Afghanistan aufgeben und die Stabilisierung der Atommacht Pakistan unterstützen.

Kritik an Waffenlieferungen nach Israel

Ein Palästinenser trägt ein verletztes Kind auf dem Arm (Foto: dpa)
Im Verlauf der israelischen Offensive 'gegossenes Blei' wurden mehr als 1400 Palästinenser getötetBild: picture-alliance / dpa

Zugleich mahnten die Friedensforscher mehr Engagement der Staatengemeinschaft im Nahostkonflikt an. So solle sich die Europäische Union auf palästinensischer Seite für eine Regierung der nationalen Einheit von Fatah und Hamas einsetzen und diese anerkennen, wenn sie auf Gewalt gegen Israel verzichte.

Heftig beklagten die Institute deutsche und europäische Waffenlieferungen an Israel. Sie seien nach dem Gaza-Krieg "noch schwerer erträglich als vorher". Der Verdacht von Kriegsverbrechen während der "Operation Gegossenes Blei" sei nicht ausgeräumt, Israel lasse keine unabhängige Untersuchung zu. Deshalb müsse die EU ihren entsprechenden Verhaltenskodex anwenden und vom Waffenexport an Israel absehen. Der EU-Verhaltenskodex untersage die Ausfuhr von Waffen, wenn hierdurch das humanitäre Völkerrecht verletzt werden könnte.

Anti-Pirateneinsatz am Horn von Afrika problematisch

Als weiteres Beispiel für die Grenzen eines militärischen Einsatzes führten die Institute den Kampf gegen Piraten vor der Küste Somalias an. Ursachen für die Piraterie seien auch die Überfischung der Küstengewässer durch internationale Flotten sowie die illegale Verklappung von Giftmüll aus Industrieländern vor Ostafrika. Damit werde den Küstenbewohnern die Existenzgrundlage entzogen. Daher müsse die internationale Gemeinschaft auch die Interessen der somalischen Bevölkerung berücksichtigen.

Als Piraten verdächtigte Männer werden auf einem kleinen Boot zur Fregatte Rheinland-Pfalz begleitet (Foto: AP)
Die Konfliktforscher kritisieren auch den Anti-Piraten-Einsatz am Horn von AfrikaBild: AP

Mit Blick auf die Beziehungen der Nato zu Russland sprachen die Friedensforscher vom schlechtesten Stand der Beziehungen seit 20 Jahren. Angesichts der Aufbruchstimmung in Washington gelte es, auf Russland zuzugehen und das Land dauerhaft in die europäischen Sicherheitsstrukturen einzubinden. - Zugleich sahen die Friedensforscher durch den Präsidentenwechsel in den USA neue Chancen zur Abrüstung. Die EU solle sich daher rasch auf eine gemeinsame Position zur nuklearen Abrüstung verständigen. Deutschland solle endlich den Abzug aller Atomwaffen beschließen, forderte Hippler vom INEF.

Das Friedensgutachten ist ein gemeinsames Jahrbuch der fünf wissenschaftlichen Institute für Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland. Es wird im Auftrag des Bonner Internationalen Konversionszentrums von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen erstellt. (je/wl/kna/epd/dpa/ap)