Weltweiter Schulstreik für besseres Klima
14. März 2019Es soll der bisherige Höhepunkt der freitäglichen Klima-Proteste werden. An diesem Freitag wollen in über 100 Ländern Schüler und andere junge Menschen auf die Straßen gehen - während der Schulzeit. Geplant sind mehr als 2000 Demonstrationen, in Deutschland in mindestens 200 Orten. Viele Aktionen sind bereits angelaufen. Es wäre die bislang größte Massenkundgebung von "Fridays for Future". Ihr Ziel: Die Regierungen sollen zu einer klimafreundlicheren Politik gezwungen werden.
"Die Vorbereitungen für Deutschland laufen auf Hochtouren", sagt der Sprecher der Bewegung für das Bundesland Brandenburg, Vincent Bartolain, vorab im DW-Gespräch. "Wir sind in verschiedene Ortsgruppen organisiert, die alle Veranstaltungen planen, aber vom bundesweiten Organisationsteam mit Infomaterial bestückt werden." Das sind dann Flyer, Sticker und Plakate, die online vertrieben werden. Meist aus recycelten Papier umweltfreundlicher Druckereien auf denen Sprüche stehen wie: "Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht!", "Hopp, Hopp, Hopp, Kohlestopp". Oder als internationale Botschaft auf Englisch: "There is no planet B!" und "March now or swim later!".
Kritik an politischen Lippenbekenntnissen
Um die Kosten für Infomaterial, Technik und Anfahrten zu decken, hat die Initiative eine Spendenkampagne gestartet, erklärt Vincent Bartolain. Das meiste würde aber privat finanziert. Wenn man wissen will, was Schüler und Studenten für "Fridays for Future" Deutschland begeistert, was sie antreibt, merkt man ihm an, wie irritierend er es findet, dass man ihn so etwas Selbstverständliches überhaupt fragt. "Wir wollen die Politik bewegen", antwortet Bartolain dann schnell. Damit endlich etwas für den Klimaschutz in Deutschland getan werde. "Damit es nicht immer nur Lippenbekenntnisse gibt und Fristen nach hinten verschoben werden."
Der 18-Jährige ist Mitglied bei den Grünen und einer ihrer Kandidaten für die Landtagswahl in Brandenburg am 1. September. Er gehört zu der jungen Generation in Deutschland, die sich politisch stärker engagiert als ihre Vorgänger. Eines ihrer Vorbilder ist die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg. Die 16-Jährige bestreikt seit Monaten jeden Freitag ihre Schule, um ein Zeichen für mehr Klimaschutz zu setzen. Vom US-Nachrichtenmagazin wurde Thunberg, die vom Asperger-Syndrombetroffen ist, in die Liste der 25 einflussreichsten Teenager des Jahres 2018 aufgenommen.
Die Schwarmintelligenz der Klimaschützer
Weltweit haben sich ihr tausende Schüler angeschlossen. Sie demonstrieren unter dem Motto "Fridays for Future" vor den Parlamenten, statt in die Schule zu gehen. Was als Einzelaktion begann, entwickelt sich zu einem weltweiten Phänomen, das sich rasend schnell professionalisiert. Allein in Deutschland gibt es nach Angaben der Initiative mehr als 155 Ortsgruppen. Sie ist auf allen relevanten Plattformen vertreten: Neben Facebook, Twitter, Telegram und Instagram auch auf Reddit und Flickr.
Auf Soundcloud und Spotify gibt es "Fridays for Future"-Podcasts und auf YouTube einen eigenen Video-Kanal. Hintergründe und Nachrichten zum Klimawandel, geplante Aktionen und Veranstaltungen - all das wird in sekundenschnelle und mit ein paar Klicks über diese Kanäle kommuniziert. Eine Initiative, die auf Graswurzeln setzt. Und gleichzeitig immer mehr Hilfe erhält. Mittlerweile gebe es "auch verschiedene Organisationen und Verbände, die uns unterstützen", sagt Vincent Bartolain, Pressesprecher für Brandenburg.
Profis unterstützen die Jugend
Zudem haben mehr als 12.000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz als "Scientists for Future" eine Petition unterschrieben, die der Bewegung weiteren Rückenwind verschafft. Darin heißt es, die Anliegen der Schüler seien berechtigt und gut begründet. Die Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichten bei weitem nicht aus. Es müsse jetzt gehandelt werden. Einer der Unterzeichner, Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, erklärte, es gebe viele Stimmen aus der Politik, die den streikenden Schülern gesagt haben, sie sollten wieder zur Schule gehen und hätten keine Ahnung.
"Deswegen sitzen wir auch hier", erklärte Quaschning auf einer Pressekonferenz am Dienstag. "Wir sind die Profis, wir sagen: Die junge Generation hat recht. Es ist ja auch mutig, mal nicht in die Schule zu gehen." Er und seine Mitunterzeichner fordern deshalb, die Forderungen der Schüler umzusetzen.
Die Forscher reagierten damit auf die politische Debatte darüber, ob Schüler nicht besser zur Schule gehen sollten statt zu demonstrieren.
"Wir stehen erst am Anfang"
Bildungsministerin Anja Karliczek hat die Aktionen entsprechend kritisiert, und die rechtspopulistische AfD spricht vom "politischen Kindesmissbrauch". Neben dieser politischen Diskussion gibt es aber auch reine Hassbotschaften, vor allem in den Sozialen Netzwerken. Auf der Homepage von Fridays for Future Deutschland heißt es dazu, es gebe "Anfeindungen und Drohungen gegen uns als Bewegung und Personen, die uns öffentlich vertreten".
Deshalb werde man Hassbotschaften nicht tolerieren und strafrechtlich relevante Nachrichten und Kommentare anzeigen. Durchhalten ist das Mindeste, was die Klimaschützer im Sinn haben. "Wir sind gerade erst am Anfang", sagt Vincent Bartolain. "Es kommen täglich neue Ortsgruppen hinzu, die Streiks und Proteste organisieren, die Mitstreiter gefunden haben. Wir machen auf jeden Fall weiter."