Freiwillige gesucht
23. September 2014"Ich bitte Sie darum, sich zu melden, wenn Sie einen Beitrag leisten können und wollen!" Mit diesen eindringlichen Worten richtete sich Ursula von der Leyen am Montag (22.09.2014) an Ärzte und Pfleger der Bundeswehr, aber auch an Logistiker und Techniker. Zusehends gefährde die Ebola-Epidemie nicht nur die Sicherheit und Stabilität Westafrikas, sondern nehme auch eine globale Dimension an. Alle seien nun gefragt, schnell und wirkungsvoll zu helfen, so die Bundesverteidigungsministerin. Der Aufruf zeigte bereits 24 Stunden später Wirkung: 500 Interessenten meldeten sich für den Einsatz. Nun wird laut Ministerium ihr Kenntnisstand geprüft.
Seit Ausbruch der Krankheit sind in Sierra Leone, Liberia und Guinea mehr als 2500 Menschen an Ebola gestorben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht aber davon aus, dass die tatsächliche Opferzahl weit über den offiziell 5762 Infizierten und 2793 Toten liegt.
Jüngst hatte die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" das zögerliche Verhalten der Bundesregierung kritisiert und die angekündigte Hilfe als unzureichend bezeichnet. Von der Leyens Appell an die eigene Truppe soll da nun offenbar ein Zeichen dagegen setzen.
Ein Fehler kann tödlich sein
Gunnar Urban findet den Aufruf sehr gut und wichtig. Der Mediziner arbeitet seit zwei Wochen in Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones. 15 Meter von seinem Büro entfernt liegen mehrere Infizierte auf einer Isolierstation, erzählt er im DW-Interview. Auf dem Gelände eines Krankenhauses überwacht er für die Hilfsorganisation "Cap Anamour"gerade den Aufbau einer Ebola-Station. Damit zum Eröffnungstermin alles sicher ist, überprüft er die Schutzkleidung und trainiert das Anlegen der mehrteiligen Anzüge. Kopfschutz, Augenschutz, Atemfilter, Atemschutz, zwei Lagen Handschuhe, Plastikschürze und Gummistiefel. Das muss perfekt sitzen. Die Freiwilligen der Bundeswehr würden das vermutlich auch lernen. Von der Leyen hat ihnen vor dem Einsatz eine spezielle Ausbildung in Aussicht gestellt. "Wenn Sie mit Ebola-Patienten zusammenarbeiten müssen Sie sich vor allem aufeinander verlassen können", sagt Urban. Damit man keine Fehler macht sei man deshalb beim Arbeiten in einer kontaminierten Zone, der sogenannten "Red Zone", immer zu zweit.
Starke Nerven gefragt
Urban hofft, dass sich für den Bundeswehr-Einsatz vor allem Profis melden. Die sollten neben ihrem Fachwissen vor allem starke Nerven mitbringen. Immer wieder komme es vor, dass Tote 30 Stunden auf der Straße liegen gelassen würden, bis sie einer abhole. "Da darf man nicht gleich zusammenbrechen." Erst vor kurzem hatte er einen Fall, der ihn selbst sehr mitgenommen hat. Ein Vater hatte seine siebenjährige Tochter in einem Straßenprojekt der Hilfsorganisation abgegeben. Plötzlich entwickelte das Mädchen Fieber. Weil es zunächst keine Möglichkeit gab sie zu transportieren, musste das Mädchen allein in einem Zimmer isoliert werden. 48 Stunden dauerte es, bis eine Ambulanz geschickt wurde. Die anschließende Blutuntersuchung ergab: Kein Ebola. Dafür stellte sich heraus, dass das Kind an einer HIV-Infektion erkrankt war, eine offene Lungen-Tuberkulose hatte und sich zudem mit Malaria infiziert hatte. Urban findet es angesichts solcher Vorkommnisse wichtig, dass niemand dazu gezwungen wird zu helfen.
Verteidigungsministerin von der Leyen setzt deshalb betont auf die Freiwilligkeit. Für einen Einsatz gegen eine Seuche wie Ebola gebe es keine festen Einheiten in der Bundeswehr, so ihr Sprecher Jens Flosdorff. Im Falle einer Infektion sichert sie den Helfern außerdem einen schnellen Heimflug zu. "Im Notfall können Sie sich darauf verlassen, dass Sie nach Deutschland zurückgeholt und Sie in Deutschland medizinisch fachgerecht behandelt werden", so von der Leyen.
Selbstüberschätzung macht unvorsichtig
Ob es vor Ort auch eine psychologische Betreuung geben wird, ist unklar. Die sei aber unbedingt nötig, findet Sybille Fezer von der Frauen-Hilfsorganisation "medica mondiale". Fezer leitet das Liberia-Programm und ist erst im Juni vor Ort gewesen. Sie fordert von der Bundesregierung unbedingt auch Trauma-Berater mit in die Krisengebiete zu schicken. Diese könnten den Freiwilligen dabei helfen, ihr psychologisches Gleichgewicht zu bewahren und sich nicht selbst zu überschätzen. Wichtig sei auch, dass die Bundeswehr gemeinsam mit lokalen Kräften arbeite. Nicht zuletzt aufgrund des großen Misstrauens gegenüber dem Westen habe sich die Krankheit in Liberia so schnell ausgebreitet. Darüber sei es auch immer wieder zu sozialen Unruhen gekommen. "Um sich nicht zu gefährden, sollte man gut auf die Zivilgesellschaft hören", rät Fezer deshalb.
100 Mitarbeiter der Bundeswehr sind für den Einsatz geplant. Gunnar Urban gibt ihnen vorab einen Rat mit auf den Weg. Es sei ungünstig zu glauben, dass man damit die Welt verändern könne. "Wir können hier nur einen kleinen Beitrag leisten und damit muss man sich abfinden." Als die Bundesverteidigungsministerin - selbst Medizinerin - am Montag (22.09.2014) in einem Interview gefragt wurde, ob sie sich selbst melden würde, sagte sie: "Das ist eine Frage, die ich unterm Strich, wenn ich wüsste, dass ich geschützt bin, mit ´ja´ beantworten würde." Es war die einzige Antwort, bei der sie zögerte.