Freispruch für kroatischen Ex-General
16. November 2012Für den früheren kroatischen General Ante Gotovina ist es ein Sieg auf ganzer Linie: Das Haager UN-Kriegsverbrechertribunal erteilte ihm im Berufungsverfahren einen Freispruch. Im April 2011 war Gotovina noch wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beim Vorgehen gegen die serbische Bevölkerung in Kroatien zu 24 Jahren Haft verurteilt worden.
Damals sah es das Gericht als erwiesen an, dass der heute 57-Jährige im Jahr 1995 für ungesetzliche Angriffe sowie Morde, Vertreibungen und Plünderungen in der damals von Serben bewohnten Krajina verantwortlich ist. Gotovina und zwei weitere Kommandeure hatten damals die so genannte "Operation Sturm" geleitet. Mit ihr sollte die von kroatischen Serben proklamierte Republik Krajina zurückerobert werden. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft wurden dabei mehr als 300 Serben getötet und mehr als 200.000 gewaltsam vertrieben. Die Serben hatten 1991 die Krajina als eigenen Staat innerhalb Kroatiens errichtet.
Er war der Gegenspieler Ratko Mladics
Doch schon im ersten Prozess hatte Gotovinas Anwalt geltend gemacht, dass sein Mandant den Versuch des serbischen Generals Ratko Mladic zunichtegemacht habe, die Krajina mit bosnisch-serbischen Gebieten zusammen zu führen, was dieser mit Gräueltaten durchgesetzt hatte. Die breite Mehrheit der Kroaten glaubt nach wie vor, dass es sich um eine legitime Befreiungsaktion gehandelt habe.
Der Vorsitzende Richter Theodor Meron begründete den Freispruch ebenfalls damit, dass nicht erwiesen sei, dass die Vertreibung von rund 200.000 Serben am Ende des kroatischen Bürgerkrieges durch die Offiziere Gotovina und Mladen Markac geplant war. Auch Markac wurde freigesprochen. Der Ex-General war beim ersten Prozess vor zwei Jahren zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Einen dritten Angeklagte hatten die Richter dagegen schon damals freigesprochen.
Die beiden 57-Jährigen wurden sofort auf freien Fuß gesetzt. In Kroatien wird Gotovina nach wie vor als Nationalheld verehrt. Auf dem Hauptplatz in Zagreb wurde die Urteilsverlesung auf einem riesigen Bildschirm vor tausenden Menschen direkt übertragen. In Kroatien feierten Zehntausende Menschen das Urteil. Der kroatische Staatspräsident schickte sein Dienstflugzeug nach Den Haag, um die beiden Offiziere nach Hause zu holen.
Serbien als der Gegner im Bürgerkrieg zeigte sich geschockt. Das Tribunal habe mit dem Urteil "jede Glaubwürdigkeit verloren", sagte für die Regierung Minister Rasim Ljajic, der auch für die Beziehungen mit Den Haag zuständig ist: "Das ist heute nur der Beweis eines selektiven Rechts, das schlimmer ist als jedes Unrecht." Der serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, sprach von einem "skandalösen Urteil".
Die Europäische Union nehme das Urteil "zur Kenntnis", teilte ein Sprecher in Brüssel mit, ohne es weiter zu kommentieren. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass der EU-Beitrittskandidat Kroatien "im Geiste der Toleranz und Aussöhnung in die Zukunft schauen" werde. Im März 2005 waren die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien ausgesetzt worden, weil die Behörden Gotovina nicht an das Gericht in Den Haag überstellt hatten. Erst nachdem er - vermutlich dank Hinweisen aus Kroatien - ein Dreivierteljahr später auf Teneriffa verhaftet werden konnte, liefen die Verhandlungen weiter. Mitte nächsten Jahres soll Kroatien der EU beitreten.
mm/li/mak/kis (afp, ape, rtre)