Freispruch für Journalisten
17. Dezember 2015Der frühere Büro-Chef der japanischen Zeitung "Sankei Shimbun" in Seoul ist von einem Gericht in der südkoreanischen Hauptstadt vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen worden. Das Verfahren gegen Tatsuya Kato lief seit Oktober 2014. Der Korrespondent hatte in einem Artikel im August 2014 von Gerüchten in der südkoreanischen Zeitung "Chosun Ilbo" und am Finanzmarkt berichtet, wonach Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye sich aus privaten Gründen nicht um eine tragische Schiffskatastrophe mit über 300 Toten gekümmert habe.
Der Untergang der Schiffsfähre Sewol beschäftigt Südkorea wegen vieler staatlicher Fehler bis heute. Erst Ende November hatte das Parlament ein spezielles Untersuchungsgremium eingesetzt, das den Verbleib der Präsidentin am Unglückstag aufklären soll. Park hatte die Unglücksnachricht am 16. April 2014 um 10 Uhr erhalten und blieb danach bis 17 Uhr verschwunden. Diese Zeit soll sie mit einem damals noch verheirateten, früheren Berater verbracht haben. Das Präsidentenbüro hat diese Unterstellung immer zurückgewiesen. Aber die Gegner von Park nennen den Zeitraum bis heute die "sieben leeren Stunden".
Recht auf freie Meinungsäußerung
Das zentrale Bezirksgericht von Seoul erklärte in seiner Urteilsbegründung, Kato sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Die Pressefreiheit müsse im Sinne der Entwicklung der Demokratie vollständig respektiert werden, auch wenn die Gerüchte über den Verbleib der Präsidentin falsch gewesen seien, so der Richter. Katos Anwalt hatte argumentiert, der Bericht sei von öffentlichem Interesse gewesen. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch und 18 Monate Haft für Kato verlangt. Zuvor hatte das südkoreanische Außenministerium erklärt, es habe Japans Bitte um Milde in dem Fall dem Justizministerium in Seoul vorgetragen.
Die Mitteilung kam nicht zufällig: Die Anklage von Kato hatte die Beziehungen zwischen beiden Ländern zusätzlich belastet. Denn die Justiz war nicht gegen die südkoreanische Zeitung vorgegangen, die über das Gerücht zuerst berichtet hatte, sondern nahm ein ausländisches Medium ins Visier. Kato durfte erst nach neun Monaten aus Südkorea ausreisen und kehrte jetzt für das Urteil zurück. In Japan wurde spekuliert, dass die Anklage auch der Zeitung "Sankei Shimbun" galt. Das rechtskonservative Blatt setzt sich dafür ein, die japanische Entschuldigung für die Versklavung von Zehntausenden Koreanerinnen in Soldatenbordellen während des Zweiten Weltkriegs zurückzunehmen. Dabei geht es darum, wie groß die Verantwortung der japanischen Armee für die Zwangsprostitution war.
Chance für bessere Beziehungen
Die Regierungen in Tokio und Seoul sind in dieser Frage so zerstritten, dass die erste direkte Begegnung zwischen Premier Shinzo Abe und Präsidentin Park erst Anfang November nach dreijähriger Eiszeit zustande kam. Der Freispruch von Kato wurde daher von beiden Seiten mit Erleichterung aufgenommen. "Ich erwarte eine positive Auswirkung auf die japanisch-südkoreanischen Beziehungen", erklärte Abe in Tokio. Südkoreas Regierung äußerte sich ähnlich. "Nachdem diese Belastung aus dem Weg geräumt ist, ergibt sich eine Gelegenheit für die Verbesserung der Beziehungen", verlautete aus dem Außenministerium in Seoul.
Menschenrechtler und Oppositionelle sehen das Verfahren gegen den japanischen Journalisten als Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Dabei benutze die Präsidentin Gesetze, die eigentlich gegen die Beeinflussung der südkoreanischen Öffentlichkeit durch Nordkorea gerichtet sind. Oh Chang-ik von der Organisation Citizens' Solidarity for Human Rights in Seoul meinte, die Präsidentin missbrauche diese Gesetze zum Image-Schutz. "Die Regierung hat übersensibel auf den Kato-Bericht reagiert", kommentierte der Politologe Park Won-gon von der Universität Handong in der Zeitung "Korea Times". "Wenn Frau Park den Bericht beleidigend fand, hätte nicht die Regierung, sondern sie persönlich Kato verklagen sollen."
Regierungskritiker sprechen von einem wachsenden Klima der Bevormundung und Zensur in Südkorea. So wurde kürzlich eine südkoreanische Wissenschaftler wegen Verleumdung angeklagt, weil sie die offizielle Meinung zu den historischen Hintergründen der sogenannten Sexsklavinnen hinterfragt hatte. Die Regierung hat kürzlich auch angeordnet, die Schulbücher für den Geschichtsunterricht zu vereinheitlichen. Damit könnte Frau Park versuchen, die Jahre der Diktatur unter ihrem Vater und Militärherrscher Park Chung-hee zu beschönigen. Auf negative Berichte in der US-Presse reagierte das südkoreanische Konsulat in New York mit Protestanrufen bei den Zeitungen "The New York Times" und "The Nation".