Freispruch für Deutschtürkin Yüksel Weßling
14. April 2021Yüksel Weßling, die seit eineinhalb Jahren in der Türkei festsitzt, darf nach Hause. Am Donnerstag wurde die Bonnerin von einem Gericht in Istanbul vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation freigesprochen. Im August 2019 war die pensionierte Sozialarbeiterin in die Türkei eingereist, weil ihr Bruder im Sterben lag. Als sie zwei Monate später wieder ausreisen wollte, wurde sie am Flughafen von Istanbul von der Polizei festgenommen.
Zwar wurde die 65-Jährige nach vier Tagen Haft wieder freigelassen - doch wurde ein Ausreiseverbot gegen sie verhängt. Am Donnerstag fand der nächste Verhandlungstermin in Istanbul statt. "Es gab keine ausreichenden Beweise, keine Zeugin, die den Tatbestand eines Verbrechens darstellten", sagte Weßlings Anwalt Emre Dogan im Gespräch mit der DW.
Große Erleichterung bei der Familie
Große Erleichterung auch bei der Tochter Leyla Weßling in Bonn. "Kurz nach heute Mittag klingelte das Telefon. Und der Anwalt sagte; Freispruch" erzählt Leyla Weßling der DW. "Es ist eine Erleichterung, man kann endlich durchatmen. Und gleichzeitig habe ich es noch nicht realisiert, da wir uns nicht viel Hoffnung machen wollten. Es ist eine unfassbare Ungerechtigkeit gewesen", so Leyla Weßling weiter.
Yüksel Weßling war unter anderem vorgeworfen worden, in den Jahren 2015 und 2016 Vorsitzende des 'Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurdinnen und Kurden' (NAV-DEM) in Hannover gewesen zu sein. "Dass sie dort Vorsitzende war, weisen wir zurück. Meine Mandantin ist Sozialpädagogin, die in diesem Zeitraum für die Stadt Hannover gearbeitet hat", sagt Weßlings Anwalt Emre Dogan. Laut niedersächsischem Verfassungsschutz sei das NAV-DEM eine Nebenorganisation der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Mehr als 60 Deutschtürken sitzen fest
Weßling war als Sozialpädagogin viele Jahre für die Stadt Hannover tätig, wo sie Integrationsprojekte koordinierte. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Stadt solidarisierten sich mit der Rentnerin und organisierten in der Innenstadt Demonstrationen und Mahnwachen. "Yüksel Weßling war viele Jahre für die Landeshauptstadt in der Integrations- und Netzwerkarbeit tätig", erklärte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay. "Dass sie seit anderthalb Jahren in der Türkei festgehalten wird, ist ein unhaltbarer Zustand".
Die seit einigen Jahren in Bonn wohnhafte Yüksel Weßling ist nur eine von mehr als 60 Deutschtürken, die in der Türkei mit einem Ausreiseverbot belegt wurden. In den meisten Fällen wird ihnen vorgeworfen, Mitglied einer verbotenen Organisation zu sein oder für diese Propaganda zu betreiben.
Viele Betroffene und ihre Angehörigen fordern eine klarere Haltung der Bundesregierung gegenüber Ankara - so auch Weßlings Tochter Leyla: "Es gibt dort keine Rechtsstaatlichkeit mehr. Auch im Europarat und auf EU-Ebene muss Deutschland die Einhaltung der Menschenrechte zur Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit mit der Türkei machen".