Pressefreiheit in Kroatien
7. Mai 2010In den vergangenen Jahren hat die Pressefreiheit in Kroatien nach Meinung kroatischer und internationaler Journalistenorganisationen herbe Rückschläge erlitten. Mehrere Journalisten, die im Bereich des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität recherchierten, wurden telefonisch bedroht oder auch körperlich angegriffen. Einen Tiefpunkt stellte vor eineinhalb Jahren die Ermordung des Journalisten und Herausgebers Ivo Pukanic und seines Mitarbeiters Niko Franic in Zagreb dar. Pukanic schrieb Enthüllungsartikel über dubiose Geschäfte der Balkan-Mafia. Er berichtete vornehmlich über Zigarettenschmuggel, in den Politiker aus der Region verwickelt sein sollen. Den polizeilichen Ermittlungen zufolge war dies auch der Grund für den Auftragsmord an Pukanic.
Der Fall Pukanic
Tomislav Klauski, Kolumnist beim Internetportal "index.hr" räumt zwar auch ein, dass Ivo Pukanic zu den renommiertesten Enthüllungsjournalisten in Kroatien gehörte. Dennoch kritisiert er ihn auch, weil dieser zuletzt den politischen Eliten näher gestanden habe als seinem Metier. "Ivo Pukanic war mehr ein politischer Akteur als ein Journalist, der sich mit allen gut stellte, seine Verbindungen und Freunde ausnutzte. So hat er nicht nur die Medien gelenkt, sondern auch die Politik."
Deshalb könne man schwer sagen, ob der Mord an Punkanic ein Schlag gegen die Pressefreiheit in Kroatien war, sagt Klauski. Zweifelsohne eigne sich jedoch dieser Fall sehr gut, um auf die desolate Lage der Medien lautstark aufmerksam zu machen. Das zeigen auch die in Zagreb und Belgrad angelaufenen Prozesse gegen die mutmaßlichen Attentäter und ihre Hintermänner.
Redaktionspolitik wird diktiert
Seit mehreren Jahren sei generell zu beobachten, dass die Lage der Medien in Kroatien sich zum Negativen verändere, so Klauski. "Seit die HDZ 2004 an die Regierung gekommen ist, hat sich die Lage der Medien in Kroatien rapide verschlechtert. Dies liegt nicht allein an dem politischen Druck, der ausgeübt wird, sondern auch am Wirtschaftswandel, an Eigentümerwechseln, an den Erwartungen der Eigentümer - am wenigsten aber an den Journalisten", erklärt Klauski.
Das größte Problem sei, dass rund 70 Prozent der Medien in Kroatien nicht für ihr Publikum arbeiteten, sondern für die Inserenten und die jeweilige Regierung. "Daraus entstehen alle übrigen Probleme, so dass Affären vertuscht werden, nicht nur politische, sondern auch die in der Wirtschaft. Unantastbar sind die Branchen, die die meisten Anzeigen aufgeben wie die Telekommunikation oder Banken", so Klauski.
Quid pro quo
Hautnah spüren, konnte dies Vedrana Milas, Chefredakteurin der Monatsschrift "In medias res". Eine Marketingagentur bot ihr ein Anzeigenpaket an, von dem das Blatt sehr gut hätte leben können. Der Haken: außer Werbung für die Mobilfunkanbieter "T-Com" und "VIP" sowie den größten kroatischen Lebensmittelkonzern "Agrokor" sollte keine journalistische Zeile im Blatt erscheinen. Der Eigentümer von Agrokor hatte zudem "Tisak" aufgekauft, praktisch die einzige Vertriebskette für Printmedien im Lande. Damit diktiert er allein die Bedingungen, unter denen bestimmte Titel in den Zeitschriftenhandel gelangen.
Dies ist nur ein Beispiel für den Druck auf kroatische Medien, den nach der Politik nun auch die Wirtschaft ausübt. Unbequeme Medien würden mit Informationsentzug bestraft, bestätigt die Politikerin Zeljka Antunovic von den oppositionellen Sozialdemokraten. "Informationen bekommen nur ausgewählte Journalisten und das natürlich für diverse Gegenleistungen", so Antunovic. Unter diesen Umständen würden die Journalisten nur Themen aufgreifen, die sie auch aufgreifen dürften, meint Klauski.
Schneller, kürzer, flacher
Immer wieder wird auch kritisiert, dass die Medienlandschaft in Kroatien immer weiter in Richtung Boulevard abflacht. Davor warnte auch Kroatiens ehemaliger Präsident Stjepan Mesic gegen Ende seiner Amtszeit. "Ich missbillige die Eigentümer, die sich ausschließlich dem Profit verschreiben und dabei das öffentliche Interesse außer Acht lassen. Insbesondere missbillige ich Medien, die öffentlich-rechtlich sind und sich dennoch des Sensationsjournalismus bedienen, der in besorgniserregender Weise die kroatische Medienlandschaft beherrscht", so Mesic.
Alle drei kroatischen Rundfunksender, ein öffentlich-rechtlicher und zwei kommerzielle, senden in den Hauptnachrichtensendungen immer kürzere Berichte, was dem internationalen Trend der schnellen Berichterstattung entspricht. Dies zeigte eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Sender. Danach stehen am häufigsten Mitglieder der Regierung im Mittelpunkt der Berichte. Die Opposition sei etwas häufiger bei den kommerziellen Fernsehsendern vertreten als die Regierung, aber dort werde auch häufiger über Kriminelle und Prominente berichtet als über Sportler und Künstler. Bei den Printmedien ist laut der Analyse die Lage nicht besser. Diese sind im Übrigen praktisch zwischen zwei Konzernen aufgeteilt: EPH, dessen Miteigentümer die deutsche WAZ-Gruppe ist, und der österreichischen Styria-Mediengruppe.
Journalisten unter Druck
Die Medien erfüllten ihre Aufgabe nicht, sagt der Vorsitzende des kroatischen Journalistenverbandes Zdenko Duka: "Die Medien kommen ihrer gesellschaftlichen Pflicht nicht ganz nach. Das heißt, sie kritisieren weder gesellschaftliche Trends noch die Politik. Somit überwachen sie die Machtzentren im Land nicht".
Der Verlust an Professionalität, meint Duka, habe mehrere Gründe: die Arbeitsplätze der Journalisten seien gefährdet und ihre Arbeitsrechte eingeschränkt, die Bezahlung werde gekürzt und Redaktionen würden geschlossen. Den Journalisten werde schließlich mit Entlassung gedroht, wenn sie nicht auf die Forderungen der Arbeitgeber eingingen, so Duka. In Kroatien seien heute zwar die Medien frei, die Journalisten jedoch nicht.
Autorinnen: Tatjana Mautner / Mirjana Dikic
Redaktion: Nicole Scherschun