Frauenrechte in muslimischen Ländern
28. September 2017Saudi-Arabien war das einzige Land der Welt, in dem Frauen kein Auto steuern durften. Für das rückständige Verbot war die Golfmonarchie lange verhöhnt und getadelt worden. Auch deshalb war es ein historischer Moment, als der König in Riad diese Woche ein Dekret erließ, dass Frauen ab 2018 gestattet, den Führerschein zu machen - und zwar ohne Erlaubnis eines männlichen Vormunds. Darüber hinaus werden Frauen in dem extrem konservativen wahhabitischen Königreich weiterhin diskriminiert.
Männliche Vormundschaft
So werden saudische Frauen zwar bald mobil sein und damit leichter zum Wirtschaftsleben des Landes beitragen können. Ihre männlichen Vormunde - Ehemänner, Väter, Brüder oder manchmal sogar Söhne - bestimmen aber weiterhin, wohin sie reisen, wen sie heiraten und ob sie sich scheiden lassen dürfen. Auch Verträge dürfen Frauen nicht selbstständig unterzeichnen. Selbst wenn eine Frau im Gefängnis sitzt, liegt es im Ermessen ihres Vormunds, ob sie frei kommt.
Der Kontakt mit anderen Männern unterliegt strengen Grenzen. Deshalb sind in Saudi-Arabien viele öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel und Parks nach Geschlechtern getrennt. Vor Gericht zählt die Zeugenaussage von zwei Frauen so viel wie die von einem Mann. Als diese Regelung im 7. Jahrhundert im islamischen Recht festgeschrieben wurde, war sie fortschrittlich, denn bis dahin zählte die Aussage einer Frauen nichts. Im 21. Jahrhundert verstößt Saudi-Arabien damit gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Auch im Iran haben Ehemänner Verfügungsgewalt über ihre Frauen. So darf der Gatte seiner Frau verbieten zu arbeiten, wenn der Job "mit den Interessen der Familie oder der Würde der Frau unvereinbar" ist. So steht es im iranischen Zivilgesetzbuch. Unabhängig davon zwingt die wirtschaftliche Lage viele Frauen (nicht nur in mehrheitlich muslimischen Ländern), zum Familieneinkommen beizuragen..
Auch in Bahrain ist das System der männlichen Vormundschaft weiterhin intakt. Erst 2016 erließ das Justizministerium des Golfstaates ein Gesetz, dass es Frauen, die jünger als 45 sind, nur dann erlaubt, nach Mekka zu pilgern, wenn sie in Begleitung ihres Vormunds sind.
Politische Teilhabe
Das Recht zu wählen haben Frauen in Saudi-Arabien erst vor kurzem bekommen: 2015 wurde ein entsprechendes Gesetz erlassen. Im gleichen Jahr war es Frauen erstmals erlaubt, für ein gewähltes Amt in der absoluten Monarchie zu kandidieren, also das passive Wahlrecht auszuüben.
Anders sieht es in Syrien aus. Dort wurde Frauen das Wahlrecht bereits 1949 gewährt. 2015 waren zwölf Prozent der Abgeordneten im Parlament weiblich. Hadiya Khalaf Abbas, die Sprecherin des Parlaments, war die erste Frau, die in dieses Amt gewählt wurde.
Nach den syrischen Frauen durften 1956 auch Frauen in Ägypten wählen, 1959 folgte Tunesien und 1961 wurde das Wahlrecht auch in Mauretanien eingeführt. Im Iran wurde Frauen das Wahlrecht 1963 gewährt, nachdem die Mehrheit der Iraner sich in einem Referendum dafür ausgesprochen hatte.
Dress Code
In Saudi-Arabien wird die Kleiderordnung von der extrem konservativen Auslegung der Scharia bestimmt. Wenn Frauen das Haus verlassen, müssen sie ein Kopftuch und eine sogenannte Abaya tragen, die den Körper vollständig bedeckt.
Im Iran müssen Frauen offiziell einen Tschador tragen, eine Art Umhang um Kopf und Körper, der aber das Gesicht frei lässt. Alternativ geht auch ein Kopftuch mit langer Kleidung. Vor allem in ländlichen Regionen werden diese Regeln streng beobachtet. Aber auf den Straßen der Großstädte, wie etwa der Hauptstadt Teheran, tragen viele Frauen ihre Kopftücher lose, sodass ihre Haare sichtbar sind.
Liberaler geht es in Ländern wie Tunesien oder Ägypten zu. Eine offizielle Kleiderordnung gibt es dort nicht. Zur kulturellen Tradition gehört, dass Frauen Knie und Schultern bedecken - und übrigens auch, dass Männer nicht in Shorts herumlaufen.
Auch viele irakische und syrische Frauen tragen schlichte westliche Kleidung, vor allem in städtischen Regionen, da beide Diktaturen unter Saddam Hussein und den Assads weitgehend säkular ausgerichtet waren. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere Fundamentalisten haben jedoch versucht, andere Bekleidungsregeln durchzusetzen. Während der IS Mossul kontrollierte, mussten Frauen einen Ganzkörperschleier tragen, der selbst die Augen verbirgt.
Ehe und Scheidung
Auch in der Ehe gelten unterschiedliche Rechte für Mann und Frau. Während in Saudi-Arabien der Mann mehrere Partnerinnen haben darf, kann die Frau nur mit einem Partner zusammen sein. Auch das hat historische Wurzeln: Der Islam hat im 7. Jahrhundert die Zahl der Ehefrauen gegenüber der vorislamischen Zeit auf vier begrenzt.
Ob Frauen (und Männer) selber entscheiden dürfen, wen sie heiraten, oder ob die Verbindung arrangiert wird, ist unterschiedlich. Zwangsehen wurden zwar 2005 verboten, doch noch immer schließt nicht die Frau selbst den Ehevertrag mit ihrem künftigen Mann, sondern ihr Vater als offizieller Vormund. Will sich der Ehemann scheiden lassen, reicht es, drei Mal "Ich lasse mich von dir scheiden" zu sagen - oder der Ehefrau eine schriftliche Nachricht zu schicken. Für saudische Frauen ist eine Scheidung hingegen wesentlich schwieriger, da der Ehemann zustimmen muss. Außerdem verlieren sie automatisch das Sorgerecht für Töchter, die älter als neun Jahre, und für Söhne, die älter als sieben Jahre sind.
Das Familienrecht ist in vielen Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens kein säkulares, sondern religiöses Recht. Darum gelten für Angehörige unterschiedlicher Religionen unter Umständen unterschiedliche Regeln. In Ägypten etwa können sich muslimische Frauen prinzipiell scheiden lassen - während das für koptische Christinnen unmöglich ist, weil die koptische Kirche keine Scheidung kennt.
In Marokko ist das Familienrecht jüngst reformiert worden. Nun ist im Familiengesetzbuch - der Moudawana - festgeschrieben, dass Scheidungen aufgrund von "unüberbrückbaren Differenzen" erlaubt sind - und zwar für Männer wie für Frauen.
Wenn Frauen Gewaltopfer werden, haben sie oft besonders wenige Rechte. So galt in Marokko lange, dass ein Vergewaltiger der Strafe entgehen konnte, wenn er sein Opfer heiratete. 2012 machte der Fall der 16-jährigen Amina Filali Schlagzeilen, die nach einer solchen Zwangsheirat mit dem Täter Selbstmord beging. Nach massiven Protesten wurde das Gesetz 2014 in Marokko abgeschafft. Ägypten hat ein entsprechendes Gesetz 1999 gekippt, der Libanon 2017. In Bahrain hat das Parlament 2016 für die Abschaffung votiert, doch die autokratische Regierung will die Regelung nur in Fällen ändern, in denen mehrere Männer gemeinsam eine Frau vergewaltigen.