Sand gerät in Abstiegsnot
28. März 2021SC Sand gerät in akute Abstiegsnot
Es wird eng für Sand: Die Konkurrentinnen im Abstiegskampf aus Meppen haben gewonnen und sich am SC Sand vorbeigeschoben, der in der Bundesliga eine Sonderrolle einnimmt. Er ist einer der wenigen unabhängigen Frauenvereine, die der Liga noch verblieben sind, dürfte aber finanziell wenig Aussichten haben, dort noch allzu lange zu bestehen. Der SC Sand symbolisiert ein wenig den alten, provinziellen Charme, für den früher zahlreiche Vereine - wie beispielsweise der SC Bad Neuenahr oder der FFC Brauweiler Pulheim - in der Frauen-Bundesliga standen. Aus dem winzigen Sander Stadion kann man über Hügel und Wiesen schauen. Sand selbst ist nur ein Ortsteil der 10.000-Einwohner-Gemeinde Willstädt bei Freiburg im Südwesten Deutschlands.
Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch beim "kleinen SC" ambitionierte Arbeit geleistet wird. Mit Nora Häuptle hat der SC Sand die einzige Trainerin der Bundesliga. Die coole Schweizerin machte zuletzt mit ihren Kommentaren gegen Sexismus und zur Trainersuche für das Männer-Nationalteam (sinngemäß: "Warum nicht eine Frau?") auf sich aufmerksam. Über ihr Team sagt sie: "Wir haben viele junge Spielerinnen. Sie sind sehr lernwillig."
Auch im Spiel gegen das Spitzenteam aus Wolfsburg hielten die Sanderinnen tapfer und vor allem fußballerisch spielstark mit. Mit schnellen Gegenstößen über ihre wunderbare Mittelfeldspielerin Chiara Loos war Sand immer gefährlich, doch am Ende ging es aus, wie solche Partien eben enden: mit 3:1 für die Favoritinnen aus Wolfsburg. "Leider haben wir diese Saison oft die Ergebnisse nicht über die Zeit gebracht", beklagte SC-Manager Gerald Jungmann. "Gegen Bremen und Meppen müssen wir punkten, sonst wird es am Ende nicht reichen." Doch noch hat der SC Sand, der jetzt auf dem vorletzten Platz liegt, die Rettung selbst in der Hand - und damit die Chance, auch weiterhin die Liga zu bereichern.
Eintracht Frankfurt ringt mit sich selbst
Hoch waren die Erwartungen, als die einstigen Meisterinnen vom 1. FFC Frankfurt unter dem Dach des Männerklubs Eintracht Frankfurt in die neue Spielzeit starteten. Vor der Saison hatte das Team sich nur dezent verstärkt, mit der Verpflichtung der Nationaltorhüterin Merle Frohms gab es aber zumindest einen Transfer der Sorte, die man gemeinhin als Ausrufezeichen bezeichnet. Auf Platz drei sollte es gehen, der zur Champions League qualifiziert. Das junge Team spielt zwar streckenweise ansprechendes Flachpassspiel, liefert aber keine Ergebnisse und rutscht mit Platz acht immer tiefer in die Krise. Die letzten Spiele gegen die Top 6 gingen samt und sonders verloren, so auch gegen Bayer Leverkusen.
In einem spektakulären und kuriosen Spiel verspielten die Frankfurterinnen eine 2:1-Führung, vergaben einen Elfmeter, schossen sogar ein Eigentor und es patzte auch noch die zuvor herausragende Frohms. Plötzlich endete das Ganze - verdient - mit einer 2:3-Niederlage. "Das spiegelt ein Stück weit unsere Saison wider", sagte Frohms gegenüber der DW. "Wir müssen abgeklärter werden, das ist ein Reifeprozess." Die Ursachen für die Misere sieht sie auch in der Altersstruktur des Teams. "Dass die Saison so mittelmäßig verläuft, hätte keiner erwartet. Es ist eine Frage von Erfahrung, wir haben eine sehr junge Mannschaft. Die eine oder andere Spielerin muss noch ihre Position finden, manchmal fehlt eine Führungsspielerin."
Auch überzogene Hoffnungen dürften eine Rolle spielen, wenngleich Frohms betont, dass man von Eintracht keinen Druck bekomme. Der erhoffte Boost durch neue Fans aus der Eintracht-Szene fiel pandemiebedingt weg. Trotz vielversprechender Spielerinnen wie der jungen Kapitänin Tanja Pawollek, Nationalspielerin Sophia Kleinherne, der erst 17-jährigen Verteidigerin Camilla Küver und Laura Freigang, der zweitbesten Torschützin der Liga, liegen die Ergebnisse weit unter Potenzial.
Debatte um Sexismus und Heiko Vogel
Allmählich ist sie nun wirklich durchgekaut, die Debatte um Heiko Vogel. Der Trainer der Gladbacher U23 der Männer hatte bei einem Spiel Frauen mehrfach sexistisch beleidigt und "als Strafe" angeboten, sechsmal ein Frauen- oder Mädchenteam zu trainieren. Das erzeugte auch international eine Welle. Reichlich spät hat Vogel sich entschuldigt. Dass das Trainieren von Frauen und Mädchen weder Strafe noch Charakterübung ist, sollte allmählich überall angekommen sein. Interessant war am Wochenende, mit welcher Deutlichkeit sich DFB-Kapitänin Alex Popp in einem Exklusivinterview bei Eurosport dazu zu Wort meldete und verkündete: "Es ist Zeit, laut zu werden."
Freilich aber droht die Neigung der Twitteria, sich auf Einzelpersonen zu stürzen, den Blick fürs Umfeld zu verlieren. Aufschlussreich war da eine aktuelle Umfrage des Südwest-Rundfunks (SWR), an der 719 Sportlerinnen teilgenommen hatten - auch aus dem Fußball. 41 Prozent von ihnen verdienten weniger als 10.000 Euro im Jahr mit ihrem Sport, 77 Prozent wurden überwiegend von Männern trainiert und über die Hälfte gab an, sie fühlten sich unwohl dabei, mit dem Trainer über die eigene Periode zu sprechen, obwohl diese ihre Leistung beeinträchtige. Eine von 50 hatte aus Angst um ihre Karriere sogar schon einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Es gibt viel Klärungsbedarf.
Chelsea festigt Tabellenführung
Mit einem 2:0-Sieg über Aston Villa haben die Chelsea FC Women ihre knappe Tabellenführung in der englischen Women's Super League gehalten. Für Chelsea ist das der Abschluss einer traumhaften Woche: In der Champions League haben Melanie Leupolz und Co. mit dem unerwarteten 2:1 gegen den VfL Wolfsburg solide Aussichten aufs Halbfinale, in der Liga ist die dritte Meisterschaft der Vereinsgeschichte möglich, eigentlich eher die zweite nach dem unbefriedigenden Covid-Titel durch Saisonabbruch im letzten Jahr.
Und auch sonst drehen die Engländerinnen das Rad der Kommerzialisierung des Frauenfußballs im besseren wie schlechteren Sinne weiter. In der vergangenen Woche wurde ein Deal mit Sky und der BBC verkündet, der ab 2021/22 acht Millionen Pfund pro Saison bringen soll, eine Rekordsumme. Sky wird bis zu 44 Spiele live zeigen. Eine Sichtbarkeit, von der Spielerinnen in Deutschland nur träumen können. Aber auch eine, die die Lücken zwischen erster und zweiter Liga vergrößern wird.