Franziskus in Venedig: Der Papst, die Kunst und ein Knast
28. April 2024Schöngeisterei treibt Papst Franziskus nicht zu seinem Besuch der Biennale in Venedig. Vielmehr möchte er die Aufmerksamkeit für die internationale Kunstschau für ein anderes Anliegen nutzen. Das katholische Kirchenoberhaupt ist dafür in den Knast gegangen. Erste Station von Franziskus in Venedig: das Frauengefängnis der Lagunenstadt im Norden Italiens. Dort traf 87-Jährige am Sonntagmorgen mit Insassinnen zusammen.
Der Vatikan hat seinen diesjährigen Biennale-Pavillon in der Haftanstalt auf der Insel Giudecca eingerichtet. Nach eigenen Angaben will der katholische Kirchenstaat damit eine Kultur der Begegnung fördern und auf die Belange der Ausgegrenzten hinweisen. Die auf der Giudecca gezeigten Kunstwerke waren im Dialog mit den gefangenen Frauen entstanden.
Die vom Vatikan beauftragten Künstler hatten sich bemüht, deren Realität einem Publikum begreifbar zu machen, das noch nie in einer Haftanstalt war. "Con i miei occhi" ("Mit meinen Augen") heißt der Pavillon.
In seiner Ansprache an die inhaftierten Frauen bezeichnete der Papst das Gefängnis als eine harte Realität und thematisierte die nicht nur in italienischen Haftanstalten allgegenwärtigen Probleme wie Überbelegung, Ressourcen-Mangel und Gewalttaten. Zugleich könne ein Gefängnis aber auch zu einem Ort "moralischer und materieller Wiedergeburt" werden, wenn Talente und Fähigkeiten der Inhaftierten gefördert würden.
Ein Beispiel dafür sei die aktuelle Kunstschau, führte Franziskus an. Rund 80 Insassinnen wirken bei "Con i miei occhi" mit. Sie führen bis zum Biennale-Ende im November durch den Kunstrundgang im Gefängnis. So könne die Haftzeit zu einer "Baustelle für den Wiederaufbau" werden - mit einer mutigen Bewertung des eigenen Lebens, einer Loslösung von dessen schlechten Aspekten sowie einem Plan für einen Neuanfang, empfahl der Papst den Insassinnen.
Es sei wichtig, dass das Gefängnissystem den Inhaftierten auch Instrumente und Räume für menschliches, spirituelles, kulturelles und berufliches Wachstum biete und so die Voraussetzungen für ihre gesunde Wiedereingliederung schaffe. "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir alle Fehler haben, die vergeben werden müssen - auch ich", so der Papst.
An der Ausstellung beteiligen sich acht internationale Künstlerinnen und Künstler, darunter der Italiener Maurizio Cattelan und die Französin Claire Fontaine. Franziskus traf sie in der Gefängniskapelle. Bei der kurzen Begegnung ermutigte er die Kunstschaffenden, mit ihren Werken "Städte der Zuflucht" zu schaffen: Orte frei von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Ungleichheit, ökologischem Ungleichgewicht und Ausgrenzung armer Menschen.
Messe auf dem Markusplatz
Doch auch die anderen Venezianer und auch die vielen Touristen hatten an diesem Sonntag eine Chance, den Papst zu erleben: Auf dem berühmten Markusplatz feierte Franziskus unweit von Canale Grande und Seufzerbrücke mit rund 10.500 Menschen einen katholischen Gottesdienst.
Für Franziskus ist der Auftritt in Venedig die erste Reise seit einem Marseille-Besuch im September. Im vergangenen Dezember hatte er wegen einer Bronchitis seine Teilnahme bei der UN-Klimakonferenz in Dubai absagen müssen. Am Karfreitag verzichtete er wegen gesundheitlicher Probleme kurzfristig auf die traditionelle Kreuzweg-Prozession in Rom. Auftritte absolviert er im Rollstuhl sitzend.
Trotz seiner gesundheitlichen Probleme stehen für den Papst in den kommenden Monaten weitere Reisen an. Im Mai wird er in Verona erwartet, im Juli in Triest. Zudem plant der Vatikan eine zwölftägige Asien-Reise im September.
AR/sti (kna, afp, dpa)