Franz Beckenbauer ist 75 - Gesichter des "Kaisers"
Weltmeister als Spieler, Weltmeister als Teamchef: Für viele ist der einstige Über-Fußballer Franz Beckenbauer eine Kultfigur. Doch wegen der "Sommermärchen-Affäre" bekommt sein Lichtgestalt-Image mehr und mehr Kratzer.
Von der Lichtgestalt zur Schattenfigur
Einst die Lichtgestalt des deutschen Fußballs: Weltmeister als Spieler und Trainer, Beschaffer der Heim-WM 2006. Doch welche Rolle spielt er beim "Sommermärchen" und den dubiosen Zahlungsvorgänge, die er nicht erklären kann? Gegen den 75-Jährigen wird staatsanwaltschaftlich ermittelt. Zu einer staatsanwältlichen Aufklärung kommt es nicht - die Betrugsvorwürfe sind inzwischen verjährt.
Diese Kugel ist seine Welt
Lange meidet er die Öffentlichkeit, offensichtlich um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Dabei beherrscht er alle Spielarten seines Fachs: vom grünen Rasen über die Medien bis hin zum Grünen Tisch. Der Name Beckenbauer ist zur Marke gereift. Franz Beckenbauers Beruf: Franz Beckenbauer. Ein Tausendsassa, der den deutschen Fußball geprägt hat.
Einzigartige Titelsammlung
Beckenbauer wird kurz nach dem 2. Weltkrieg am 11. September 1945 in München geboren. Von 1965 bis 1983 legt er die Fundamente seiner Spieler-Karriere: Im Vereinsfußball wird er mit dem FC Bayern München je viermal Deutscher Meister und Pokalsieger, zudem einmal Meister mit dem Hamburger SV. Drei US-Titel folgen mit Cosmos New York. Außerdem holt er vier europäische Titel und einmal den Weltpokal.
Nebenspielplätze
Früh schon entdecken Werbemanager und Musikverleger das Potential des Fußballers: Von der Fertigsuppe über die eigene Schallplatte bis hin zu Mobilfunknetzen gibt Beckenbauer über Jahrzehnte für vieles seinen Namen her. Der bayerische Einschlag mit rollendem R ist sein sprachliches Erkennungsmerkmal. Der Werbeslogan "Ja, is' denn heut' scho' Weihnachten?", wird zum geflügelten Satz.
Der sportliche Gipfel
Fußball ist ein Rasenspiel, denn Fußballspieler rasen viel - nur Beckenbauer meistens nicht. In seinem zwar eleganten, aber teilweise auch überheblich wirkenden Spiel ist Abrackern nicht vorgesehen. Warum auch? Seine vorausdenkende Spielweise, seine präzisen und genialen Pässe machen ihn weltberühmt. Sein größter Erfolg: 1974 führt er die Nationalelf bei der Heim-WM als Kapitän zum Titel.
Kaiserkrone und Kaiser-Klone
Wenn's läuft, dann läuft's - könnte eine der tiefen Beckenbauerschen Lebensweisheiten lauten. Denn selbst als Spielfigur im Nationaldress gibt es den Libero ab 1977. Zu diesem Zeitpunkt wird er von Fans und Medien schon neun Jahre lang mit dem Spitznamen "Kaiser" geadelt. Wegen seiner Spielintelligenz, seiner Persönlichkeit, seiner Erfolge. Doch endgültig auf dem Fußball-Olymp landet er 1990.
Traumbilanz
Als Teamchef führt Beckenbauer die deutsche Nationalmannschaft gegen Argentinien zum dritten Weltmeistertitel. Vier Jahre zuvor war er noch an diesem Gegner gescheitert, aber Vizeweltmeister geworden. Nach dem Finale in Rom genießt er zunächst still den Erfolg, bevor es zum Jubeln geht. Der Kaiser ist der Zweite - Mário Zagallo war der Erste -, der als Spieler und Trainer Weltmeister wird.
Vereinstrainer und Sportfunktionär
Nach dem WM-Triumph widmet sich Franz Beckenbauer wieder dem Vereinsfußball. Zunächst bei Olympique Marseille. Ab 1991 übernimmt er Verantwortung in der Führungsetage seines Heimatvereins Bayern München. Als zweimaliger Interimscoach wird er Deutscher Meister und UEFA-Pokal-Sieger. Von 1994 bis 2009 hat er als Präsident Anteil daran, den FC Bayern zu einem weltweiten Spitzenclub zu formen.
Des Kaisers Frauen
Licht zieht an. Lichtgestalten auch. Der Charme Franz Beckenbauers wirkt scheinbar auf Frauen. Mit Vieren hat der Kaiser fünf Kinder. Trotz des Trubels während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland heiratet er im Juni 2006 Heidi, seine dritte Frau, mit der bis heute verheiratet ist. Aus der Ehe gehen zwei Kinder hervor.
Schwerer Schicksalsschlag
Als einziger der drei Söhne tritt Stephan in die fußballerischen Fußstapfen seines Vaters, wird Profifußballer beim FC Saarbrücken und arbeitet später erfolgreich als Trainer in der Nachwuchsabteilung des FC Bayern München. Ende Juli 2015 stirbt er im Alter von 46 Jahren nachlanger Krankheit an einem Hirntumor. Für Vater Franz ist es "der größte Verlust in meinem Leben."
"Kaiserschmarrn"
...ist für gewöhnlich eine meist süße Mehlspeise der bayerischen Küche. Als Schmarrn bezeichnet die bayerische Mundart aber auch den Unsinn, den jemand von sich gibt. In Bezug auf Franz Beckenbauer bekommt das Wort Kaiserschmarrn mitunter eine ganz eigene Bedeutung. So stellt der passionierte Golfer mit Blick auf die Baustellen für die WM in Katar sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in Abrede.
Eigene Ansichten
Kritiker monieren zudem, dass Beckenbauer seit 1982 - vermutlich aus steuerlichen Gründen - seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat. Und dass sich der Kaiser 2012 als "Global Ambassador" des Verbandes russischer Gasproduzenten in "Putin-Land" hat anwerben lassen, für Russland als Ausrichter der WM 2018 votiert und danach einen Vertrag mit einem russischen Gasproduzenten unterschreibt.
Franz und das Sommermärchen
Für Beckenbauer bleibt der Ball die Weltkugel. Von 1998 bis 2010 einer der Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, wird er zusätzlich Chef des Bewerbungskomitees, das die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland holen soll. Dem Weltmann in Sachen Fußball gelingt es. Es folgt das Sommermärchen, wofür ihm nicht nur der Karneval huldigt. Doch dieses Märchen enthält wohl auch ein dunkles Kapitel.
Die unerklärlichen Millionen
Denn für die WM 2006 fließt Geld, das niemand erklären kann. Sechs Millionen Schweizer Franken gehen 2002 von einem Konto von Beckenbauer und dessen früheren Manager über eine Kanzlei an den damaligen FIFA-Vizepräsidenten Mohammed bin Hammam. Ein Geldfluss, der bei der Schweizer Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht auf Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäsche sowie Veruntreuung nährt.
Rückblick ohne Reue
Der Prozess wird wegen Verjährung eingestellt, auch weil es dem heutigen Ehrenpräsident des FC Bayern gesundheitlich nicht gut geht: Nach 2016 wird er zweimal am Herzen operiert. "Das hat mich schon sehr mitgenommen", sagt er im Rückblick der "Bild"-Zeitung. Sein Alter von 75 Jahren mache ihn zum ersten Mal in seinem Leben nachdenklich, erklärt er im Bayern-Magazin. Dennoch sei er sehr zufrieden.