Vom Banker zum Staatspräsidenten?
2. Mai 2017Eigentlich ist Macron Philosoph. Zumindest, wenn man von seinem Erststudium ausgeht. Er schrieb Arbeiten über Macchiavelli und Hegel. Was in Deutschland oft beim Taxifahren endet, kann in Frankreich mit dem weiteren Besuch von Elitehochschulen in die Spitzen von Staat oder Wirtschaft führen.
Der Sohn eines Ärzteehepaars aus dem nordfranzösischen Amiens besuchte deshalb auch die Kaderschmiede "École nationale d'administration" (ENA) in Straßburg. "Er ist ein Produkt dieser französischen Eliten und hat die komplette Ausbildung genossen. Er hat einen bildungsbürgerlichen Hintergrund und ist im Grunde das, wogegen Marine Le Pen Wahlkampf macht", sagt Stefan Seidendorf, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.
Erfahrener Banker
Aber anders als viele französische Spitzenpolitiker nahm Macron nicht den direkten Weg an die Macht. Nach kurzer Zeit als Finanzdirektor im öffentlichen Dienst ging er erst einmal ins Investmentbanking zur Privatbank Rothschild nach Paris. Dort begleitete er einen Investmentdeal zwischen dem schweizerischen Nahrungsmittelkonzern Nestlé und dem US-Pharmariesen Pfizer im Umfang von neun Milliarden Euro.
Sein Organisationsgeschick und seine Fachkenntnis in Wirtschaftsfragen führten ihn 2012 als Berater zu Präsident François Hollande. Der ernannte ihn 2014 zum Wirtschaftsminister.
"Spezialfreund" Valls
Allerdings stößt Macron auch schon mal politische Freunde vor den Kopf. So legte er sich mit den Gewerkschaften an, eine Steueraffäre bescherte ihm kurzfristig die Ablehnung in der Bevölkerung. Seine ständigen Querelen mit Premier Manuel Valls hatten fast den Rauswurf durch Präsident Hollande zufolge. Dem kam Macron 2016 mit seinem Rücktritt und der Gründung seiner Bewegung "En Marche" zuvor.
Nach der ersten Runde der Wahl haben sowohl die Sozialisten als auch die konservativen Republikaner ihre Anhänger aufgerufen, für Macron zu stimmen. Auch aus anderen Lagern erhält der unabhängige Kandidat Unterstützung. So sprach sich der französische Politologe Alfred Grosser jüngst für ihn aus, aber auch der der Alt-Linke und Grüne Daniel Cohn-Bendit will für den 39-jährigen stimmen. Macron habe etwas völlig Neues versucht. Er habe eine neue Partei gegründet und rund 190.000 Menschen innerhalb von ein paar Monaten organisiert. Er sei ein Kandidat, der Hoffnung vermittle, und er sei der Einzige, der so radikal und klar den Franzosen erkläre, ohne Europa, werde man es in Frankreich nicht schaffen. Er schaffe Begeisterungsströme, mobilisiere für das europäische Projekt, das habe es schon lange nicht mehr in Frankreich gegeben, sagte Cohn-Bendit kürzlich im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Macron ist in der Tat ein überzeugter Europäer. In einem Interview aus dem vergangenen Jahr sagte er: "Wir müssen auf alle Herausforderungen die relevante europäische Antwort finden, denn nur auf europäischer Ebene können wir diesen Problemen begegnen. Die Aufgabe von Frankreich und Deutschland ist es, alles zu tun, um die europäische Integration in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft, Verteidigungs-,Sicherheits- und der Flüchtlingspolitik zu vertiefen.
Liberale Ziele
Macron plant bei einem Wahlsieg die öffentlichen Ausgaben um 60 Milliarden zu reduzieren und 120.000 Jobs in diesem Bereich zu streichen. Jedoch will er 50 Milliarden Euro in Förderprogramme wie zum Beispiel für das Klima investieren. Unter anderem möchte der unabhängige Präsidentschaftskandidat die 35-Stunden-Woche weiter aufweichen. Zudem soll die Arbeitslosenversicherung für neue Berufsgruppen geöffnet - und zugleich der Druck auf Arbeitslose erhöht werden, Jobs anzunehmen. Die Unternehmenssteuer soll von 33,3 auf 25 Prozent sinken. Angestrebt sei, Polizei und Armee aufzustocken und eine zentrale Stelle zur Verarbeitung der gespeicherten Massendaten zu schaffen.
Der Ex-Banker ist ein Humanist - trotz Machiavelli-Arbeit. So prägte er einmal den Satz "Flüchtlinge sind widerstandsfähige und innovative Menschen". Er lobte ausdrücklich die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Sie habe mit ihrem Einsatz die Würde Europas gerettet.
Der politische Senkrechtstarter galt im oftmals als langweilig bezeichneten französischen Politikbetrieb lange Zeit als eine Art Paradiesvogel. Er ist mit einer ehemaligen Lehrerin verheiratet, die 24 Jahre älter und bereits mehrfache Großmutter ist.