Frankreich blickt gespannt auf zweite Wahlrunde
12. Dezember 2015Nach ihren spektakulären Erfolgen in der ersten Runde der Regionalwahlen schlägt für den rechtsextremen Front National (FN) an diesem Sonntag die Stunde der Wahrheit: Kann die Partei von Marine Le Pen (Artikelbild) erstmals in ihrer Geschichte eine Region erobern? Nach Umfragen bleibt der FN zwar stark, kann aber keine Region für sich gewinnen. Unter weiter enormen Sicherheitsvorkehrungen nach den Terroranschlägen sind mehr als 44 Millionen Franzosen zur Wahl in den neu gebildeten Regionen aufgerufen. Die Regionalwahlen sind die letzte landesweite Entscheidung vor der Präsidentschaftswahl 2017.
Bei der zweiten Wahlrunde zeichnet sich eine vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung ab. Bis zum Nachmittag gaben am Sonntag 50,54 Prozent der Wähler ihre Stimme ab, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. In der ersten Wahlrunde vor einer Woche hatte die Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt bei 43,01 Prozent gelegen; im zweiten Wahlgang bei den letzten Regionalwahlen vor fünf Jahren bei 43,47 Prozent.
In der ersten Runde der Regionalwahlen hatte der FN mit 27,7 Prozent sein bisher bestes Ergebnis erzielt - vor den konservativen "Republikanern" um Ex-Präsident Nicolas Sarkozy (26,7 Prozent) und dem Bündnis der regierenden Sozialisten von Staatschef François Hollande (23,1 Prozent). In 6 der 17 Regionen lagen die Rechtsextremen vorn.
Dies dürfte sich diesmal ändern, weil die Sozialisten aussichtslose Kandidaten zurückgezogen haben, um den Rechtsextremen den Weg an die Spitze zu verbauen. In Nord-Pas-de-Calais-Picardie, wo die FN-Chefin Le Pen vergangenen Sonntag mit 40,6 Prozent klar vorn lag, sehen Umfragen nach dem Rückzug des sozialistischen Kandidaten den Republikaner Xavier Bertrand rund sechs Punkte vor Le Pen.
Marion Maréchal-Le Pen liegt zurück
Im südöstlichen Provence-Alpes-Côte d'Azur hatte die 26-Jährige Marion Maréchal-Le Pen, Nichte der Parteichefin, ebenfalls mit knapp 41 Prozent gewonnen. In Umfragen rangiert sie nun zwei bis acht Punkte hinter dem Konservativen Christian Estrosi. Auch in der Mittelmeerregion hatte der sozialistische Kandidat den Weg für eine Mehrheit gegen die FN durch einen Verzicht freigemacht. In der Grenzregion zu Deutschland verweigerte dies der Sozialist Jean-Pierre Masseret. In Umfragen führt dennoch der Konservative Philippe Richert mit 43 Prozent zwei Punkte vor FN-Vize Florian Philippot, der am Sonntag noch an der Spitze lag.
In anderen Regionen machen Sozialisten, die von Grünen und anderen Linksparteien unterstützt werden, und der bürgerliche Block unter den Republikanern Sarkozys laut Umfragen das Rennen jeweils unter sich aus.
Viele Franzosen wählen in neu zugeschnittenen Regionen. Nach einer Reform ist das Land nun in 13 statt 22 Regionen aufgeteilt. Hinzu kommen fünf Überseeregionen, in vier davon wird ebenfalls gewählt.
Das französische Mehrheitswahlrecht stellt für kleine Parteien eine schwer zu nehmende Hürde dar. Auch die erfolgreicheren unter ihnen gehen am Ende häufig leer aus oder sind kaum in wichtigen Parlamenten des zentralistisch organisierten Frankreich vertreten. So verfügt der rechtsextreme FN trotz seiner seit Jahren deutlich zweistelligen Ergebnisse aktuell nur über jeweils zwei Sitze in den beiden Parlamentskammern Nationalversammlung und Senat. Ganz anders im Europaparlament: Bei der Europawahl, für die auch in Frankreich das Verhältniswahlrecht gilt, wurde der FN 2014 stärkste politische Kraft und holte 24 Sitze.
stu/wl (afp, dpa, rtr)