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"Nichts Neues" aus Nordkorea

Esther Felden3. Januar 2013

Ist die Neujahrsrede von Diktator Kim Jong Un tatsächlich der große inhaltliche Wurf, als der sie von einigen westlichen Medien gefeiert wird? Ganz und gar nicht, meint Nordkorea-Experte Rüdiger Frank.

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Nordkorea-Experten Prof. Rüdiger Frank. Prof. Frank ist Deutscher und lehrt an der Universität Wien.
Rüdiger FrankBild: Privat

Deutsche Welle: Zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten hat sich ein nordkoreanischer Staatschef zum neuen Jahr direkt ans Volk gewandt. Und mit dieser Überraschung nicht genug: in seiner Rede hat der amtierende Machthaber Kim Jong Un einen "radikalen Wechsel" in der Politik Pjöngjangs angekündigt, hat von Aussöhnung mit dem Süden gesprochen und sogar das Wort Wiedervereinigung benutzt. Was bedeutet das?

Rüdiger Frank: Also ich habe kurz im Internet gesucht, und nach ungefähr zehn Sekunden hatte ich einen Artikel von Juli 2011 gefunden, in dem Kim Jong Uns Vater Kim Jong Il einen "radikalen Wechsel in der Verbesserung des Lebensstandards der Menschen" fordert. Und am 8. Dezember 2012 hat die Parteizeitung Rodong Sinmun geschrieben: "Was Nord- und Südkorea brauchen, ist nicht Säbelrasseln, sondern Dialog und Kooperation für die Verbesserung der Beziehungen." Was ich damit sagen möchte, ist, dass diese Aussagen in keinster Weise neu sind – und mit Sicherheit auch kein Durchbruch.

Und was ist davon dann inhaltlich zu halten?

Es ist die offizielle Position der nordkoreanischen Regierung. Danach ist die Wiedervereinigung oberste nationale Priorität. Es ist auch offizielle Position der Regierung, dass diese Wiedervereinigung friedlich zu erfolgen hat und dass sie eine innerkoreanische Angelegenheit ist. Das heißt auf deutsch: Die Amerikaner sollen draußen bleiben. Man bezieht sich dabei auf Prinzipien, die noch von Kim Il Sung, dem Großvater Kim Jong Uns, veröffentlicht wurden. Inwiefern man die Neujahrsansprache angesichts der tatsächlichen Ereignisse auf der koreanischen Halbinsel für bare Münze nimmt, bleibt den Beobachtern überlassen. Was den Begriff "radikaler Wechsel" betrifft, so ist das eine übliche Formulierung, die man in nordkoreanischen Propaganda-Publikationen relativ häufig findet. Damit gemeint ist aber nicht eine Reform in Richtung Marktwirtschaft, sondern “radikaler Wechsel” ist eher Teil der recht militanten Sprache in Nordkorea. Derartige Begriffe werden sehr häufig verwendet. Es geht einfach darum, dass man noch größere Anstrengungen unternehmen muss, um die ohnehin gesetzten Ziele zu erreichen.

In den westlichen Medien gab es ein sehr lautes Echo auf die Neujahrsansprache Kim Jong Uns. Agenturen haben sogar von einer "Zeitenwende" gesprochen. Wie erklären Sie sich eine solche Interpretation der Rede?

Mit Verlaub: Das ist ein Armutszeugnis für die westliche Berichterstattung. Das muss ich einfach so sagen. Nordkorea-Experten nennen das den "Kolumbus-Effekt": Damit sind Leute gemeint, die – ich unterstelle jetzt – zum ersten Mal eine nordkoreanische programmatische Rede lesen und sie dann im Einklang mit dem üblichen Nordkorea-Bild interpretieren. Um diesbezüglich solide arbeiten zu können, muss man sich die entsprechenden Verlautbarungen regelmäßig durchlesen, dann erkennt man auch, was wirklich neu ist und was nicht. Ich denke, die westliche Presse hat wirklich schon bessere Tage gesehen als den, an dem diese Meldung als großer Durchbruch propagiert wurde.

Wie passen die verhältnismäßig sanften Töne in der Wortwahl zusammen mit dem militärischen Säbelrasseln, das seit Kim Jong Uns Amtsantritt unvermindert weitergeht?

Man differenziert in Nordkorea ziemlich deutlich zwischen der nationalen Aufgabe der Wiedervereinigung und der Regierung in Südkorea, die aus nordkoreanischer Sicht in den vergangenen fünf Jahren ihr Volk unterdrückt hat. Natürlich sind die Nordkoreaner froh, dass es jetzt eine neue Präsidentin gibt, auch wenn sie noch nicht genau wissen, was von ihr zu halten ist. Deshalb halten sie sich mit Kritik derzeit auch noch zurück. Aber man hat in der nordkoreanischen Propaganda gegenüber dem Süden immer schon differenziert zwischen der Führung und der Bevölkerung. Von daher gibt es da eigentlich keinen Widerspruch. Man rasselt mit dem Säbel gegenüber der Führung des Südens, und gegenüber den Brüdern und Schwestern auf der anderen Seite der Grenze bietet man den Streichelkurs an.

Sehen Sie durch die Tatsache, dass Südkorea jetzt eine neue Präsidentin bekommt, eine Chance, dass sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel auch politisch entspannt?

Na ja, wenn man ganz unten ist, dann geht es einfach nicht weiter runter. Die vergangenen fünf Jahre waren wirklich nicht gerade rosig für die innerkoreanischen Beziehungen. Die südkoreanische Regierung hat eine relativ harte Linie ausprobiert, hat auf das Prinzip der Reziprozität gesetzt, und das hat nicht funktioniert. Viele mühsam erarbeitete Errungenschaften der vergangenen Jahre sind dadurch zum Stillstand gekommen oder sogar zu Bruch gegangen. Die neue südkoreanische Präsidentin tritt in nicht allzu große Fußstapfen, die sie problemlos ausfüllen wird. Und die Chancen dafür, dass sie auch Erfolge erzielen wird, sind relativ groß. Mehr kann man im Augenblick nicht sagen. Ich weiß noch sehr genau, wie wir vor fünf Jahren darüber spekuliert haben, wie der neue Präsident Lee Myung Bak sich wohl gegenüber Nordkorea verhalten wird. Damals waren wir alle relativ optimistisch – und danach ziemlich entsetzt ob der tatsächlichen Entwicklungen. Deshalb bin ich jetzt vorsichtig. Aber das aktuelle Niveau der Beziehungen ist so niedrig, dass eine Verbesserung nicht allzu schwer zu erzielen sein wird.

Rüdiger Frank ist Professor am Institut für Ostasienkunde der Universität Wien.