Freihandelsabkommen und Kultur
14. Juli 20141. Was ist TTIP?
Die Abkürzung TTIP steht für #link:http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/november/tradoc_151904.pdf :"Transatlantic Trade and Investment Partnership"#. Ziel bei dem angestrebten Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA ist die Erschaffung der weltweit größten Freihandelszone. TTIP würde über den Atlantik hinweg Handel und Investitionen erleichtern. Das Abkommen soll Handelshemnisse wie Zölle und Wettbewerbsregulierungen abbauen und Regelungen bei Sicherheitsstandards und technischen Normen gleichstellen - zum Beispiel könnte es einheitliche EU-US-amerikanische Steckdosen geben. Über die Partnerschaft verhandeln die USA und die EU offiziell schon seit Juli 2013.
2. Was erhoffen sich die transatlantischen Partner vom Abkommen?
Das Abkommen soll der Weltwirtschaft durch regeren Handel einen neuen Impuls geben. Es könnte nach Expertenmeinung für die EU zu 0,5 Prozent zusätzlichem Wirtschaftswachstum führen, für die USA zu 0,4 Prozent. Die EU erhofft sich mit dem Freihandelsabkommen 400.000 neue Arbeitsplätze. Für Verbraucher wären viele Produkte billiger, wenn zwischen den USA und der EU Zölle wegfielen.
3. Was sagen Kritiker von TTIP?
Es gibt auf beiden Seiten des Atlantiks Kritik am TTIP-Abkommen. Kritiker in der EU befürchten, dass dadurch die Umwelt-, Gesundheits-, und Sozialbestimmungen zugunsten von wirtschaftlichen Interessen gefährdet würden. Europäische Standards könnten dann als Handelshemmnis gelten. Beispielsweise könnte es beim Wegfall dieser Standards eine zunehmende Einfuhr von genmanipulierten Lebensmitteln und Fleisch von hormonbehandelten Tieren geben. Die Amerikaner wiederum bangen um ihre Zulassungsregelungen für Pharmazeutika und Elektrogeräte sowie um Arbeitsplätze. Außerdem wehren sie sich gegen die Datenschutzstandards der EU.
Die Hans-Böckler-Stiftung warnt außerdem, dass das Wirtschaftswachstum durch TTIP sich nur sehr langsam bemerkbar machen würde. Die EU solle lieber zu neuen Wirtschaftsmächten wie China blicken, statt alte Handelsverbindungen mit Amerika zu stärken, so die Kritik.
4. Was hat die Kultur damit zu tun? Wird überhaupt über kulturelle Bereiche verhandelt?
Derzeit ist die Kultur gar nicht Gegenstand der Gespräche. In den Vorverhandlungen zu den Freihandelsgesprächen wurde vor allem von Frankreich darauf gedrungen, die Kultur auszuklammern. Paris setzte diese "Exception culturelle" (die kulturelle Ausnahme) durch. Der Anteil am Handelsvolumen der Kultursparte zwischen den beiden Kontinenten wird auf nicht mehr als zwei Prozent geschätzt.
5. Warum wollen Kulturschaffende die Kultur ausklammern?
Kulturelle Angebote seien keine Produkte, die sich im freien Markt behaupten sollten, so die Franzosen. Müsste sich die Kultur am freien Markt behaupten, dann könnten viele Angebote, vor allem auch in ländlichen Gebieten und in der Provinz, nicht aufrecht erhalten werden. Bestimmte Bereiche der Kultur werden in EU-Staaten stark subventioniert, sie leben nur von öffentlichen Geldern. Dahinter steckt eine grundsätzliche andere Auffassung von Kultur. In Europa gehört sie zum schützenswerten Gut, in den USA wird sie als Ware wie viele andere angesehen.
6. Welche kulturellen Bereiche wären besonders betroffen?
Immer wieder ist besonders von der Filmsparte die Rede. Deutschland, Frankreich, aber auch andere EU-Länder, haben in den letzten Jahren ein weitverzweigtes System der Filmförderung aufgebaut. In Hollywood und in den USA wird das Kino in allererster Linie von privaten Studios und Produzenten finanziert. Sollte der Bereich Film also in die Freihandelsgespräche miteinbezogen werden, stünden diese Kultur-Subventionen in Frage. US-Produzenten könnten wegen Wettbewerbsverzerrung klagen. Das beträfe in letzter Konsequenz auch das öffentlich-rechtliche Fernseh- und Rundfunksystem in Deutschland.
7. Gibt es noch andere kulturelle Sparten, die bei einer Einbeziehung der Kultur in die TTIP-Gespräche betroffen wären?
Genannt werden auch immer wieder die Sparten Theater und Oper. Auch hier werden, insbesondere in Deutschland, Bühnen von Staat und Kommunen hoch subventioniert. In den USA, wo beispielweise das Musicalgeschäft blüht, existiert diese Art von Kultursubvenstionierung nicht. Auch hier könnten US-Musicaltheater klagen. Aber auch die Buchbranche wäre betroffen. Die Buchpreisbindung ist eine "indirekte" Art von Kulturföderung. Verlage werden zwar nicht bezuschußt, mit der gesetzlichen Regelung einer Preisbindung sind Bücher aber nicht dem klassischen, freien Spiel der Marktkräfte ausgesetzt.
8. Wie geht es weiter?
Die Gespräche finden hinter verschlossenen Türen statt. Bisher wird offiziell an der "Exception culturelle" festgehalten. Vertreter der EU versichern, dass der Bereich Kultur nicht grundlegend angetatstet werden soll. Es gibt allerdings keine festgeschriebene Garantie, dass auch in den noch folgenden Gesprächsrunden zwischen EU und USA an der "kulturellen Ausnahme" festgehalten wird.