Fragen Sie bloß nicht nach Weblogs!
6. Dezember 2004Ein Tipp: Fragen Sie bloß niemanden, was denn eigentlich ein Weblog sei. Die Chancen stehen gut, dass Sie aus der Antwort auch nicht schlauer werden. Denn entweder Sie fragen jemanden, der den Begriff noch nie gehört hat und das auch freimütig zugibt, oder Sie fragen jemanden, der selber eins betreibt. Und das ist noch schlimmer.
Doch zunächst zu den Fakten. "Weblog" ist ein Begriff, der etwa um die Jahrtausendwende, zuerst auf englischsprachigen Webseiten auftauchte. Zusammengesetzt ist er aus "web" (wie Internet) und "log" (wie -buch) - ein Weblog ist also das Logbuch eines Reisenden durch die Weiten des World Wide Web. Interessante Beobachtungen auf der Reise werden ins Log eingetragen, und weil selbiges Log selbst wiederum im Netz steht, kann jeder mitlesen. Damit der Leser auch etwas von den Beobachtungen hat, sollten Links auf den Gegenstand des Logeintrags verweisen - dies ist meist eine andere Webseite, und der Link ist kein Problem. Und damit aus der Webseite ein Weblog wird, sollte sie regelmäßig durch neue Einträge aktualisiert werden - wie ein Logbuch eben.
Sehen Sie - war doch gar nicht so schwer!
Das Problem kommt erst mit den Webloggern. Denn die sind, auch wenn sie es mit Abscheu und Empörung von sich weisen werden, auch nicht anders als andere Menschen, die ein Hobby betreiben - sie sind auch nicht anders als Golf-GTI-Sammler oder Briefmarkenzüchter oder Dackelfahrer.
Anders ausgedrückt: Nur ihre Art, ein Weblog zu führen, einen GTI zu wienern, eine Briefmarke abzulösen, einen Dackel zu füttern ist die einzig richtige; was die anderen treiben, ist pures Amateurtum. Jetzt wissen Sie's.
Aber sagen Sie bloß nicht weiter, woher Sie das haben!
Die Folgen sind ohnehin schon schlimm genug. Nicht nur, dass es im deutschsprachigen Raum geradezu heilige Kriege darum gibt, ob es nun "Weblog" heißen muss oder "Blog" heißen darf (Insidertip: es heißt "Weblog"!), ob es "der" oder "das" Blog ist (Insidertip: es ist "das" - es heißt ja auch nicht "der Logbuch"!), ob ein Weblog nun eine gewisse Linkdichte haben muß oder nicht, um sich vom Webtagebuch zu unterscheiden (Insidertip: keine Ahnung!), ob ein Webtagebuch sich auch Weblog nennen darf (Insidertip: Nein! Doch! Nie! Aber sicher! Niemals! &%$#@$** &%amp;$@!).
Darüber hinaus gibt es dann noch die technischen Auseinandersetzungen darüber, ob man ein Weblog mit fertig eingerichteter Software, in der heimeligen Umgebung einer Blogger-Community, oder vielleicht doch besser mit individuell installierter und angepasster Technik, womöglich auf dem eigenen Server betreibt. Sobald die Diskussion um diese Themen kreist, kommen unvermittelt Erinnerungen an die Auseinandersetzungen zwischen den oben erwähnten GTI-Fahrern und ihren schärfsten Gegnern, den Kadett-GSi-Fans wieder hoch.
Ungeschriebene Weblog-Regeln
Und schließlich gibt es ungeschriebene Regeln für Blogger, die zu brechen ein gewisses Selbstvertrauen erfordert. So hat jedes Weblog ein gewisses Maß an Katzenbildern aufzuweisen, mindestens einmal die Woche auf einen Artikel zu verlinken, in dem nachgewiesen oder widerlegt wird, dass Weblogs DIE neue Form des "Journalismus von unten" seien, mindestens zweimal im Jahr ein komplett neues Design durchzumachen, sowie einmal im Jahr aus Überdruss wieder geschlossen zu werden.
Zum Glück ist das alles übertrieben - wenn auch nur ein wenig. Weblogs sind nichts anderes als regelmäßig aktualisierte, sehr subjektive, oft rasend komische, manchmal schon literarische, nicht selten politische Webseiten, gemacht, gepflegt und publiziert von Individualisten, die was zu sagen haben und sich (meist) auch gut ausdrücken können. Weblogs sind keine Nachrichtenquellen, sie sind Kommentare zur Welt- oder auch zur persönlichen Lage des Autors. Und sie sind - und in dieser Hinsicht stimmt das hyperventilierende Hypergestammel der Hyper - die einfachste, schnellste und billigste Möglichkeit, ein Millionenpublikum zu erreichen.
Theoretisch ...
... denn der Erfolg eines Weblogs hängt dann doch ein klein wenig von dem Können seines Autors ab. Wenn Sie es auch versuchen wollen, aber von der Technik hinter den Kulissen Ihres Browsers keine Ahnung haben, versuchen Sie es doch mit einem Account bei einem Dienst wie 20six.de, blogg.de, blogger.de, blogigo.de, myBlog.de, twoday.net oder vanus.de.
Wenn Sie von HTML schon mal gehört haben und auch FTP nicht für eine Partei halten, besorgen Sie sich einen Account bei einem Webhoster, installieren ein Programm wie movabletype.org, pmachine.com (beide nur in den einfachsten Versionen kostenfrei!), nucleuscms.org, wordpress.org oder textpattern.com und legen einfach los. Und wenn das (nicht: der) Weblog (nicht: Blog) dann läuft, steht einer Karriere als Ein-Mann-Medienkonzern nichts mehr im Weg.