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Foxconn-Arbeiter wollen Lockdowns entkommen

William Yang Taipeh
2. November 2022

Die Flucht von Arbeitern aus der weltgrößten iPhone-Fabrik wirft ein Schlaglicht auf Chinas drakonische Corona-Politik. Für Apple sollte das beim Blick auf die Arbeitsrechte ein Alarmsignal sein, sagen Aktivisten.

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China Foxconn-Fabrik in Zhengzhou
Bild: Avalon/Photoshot/picture alliance

Am vergangenen Wochenende wurden Tausende Foxconn-Fabrikarbeiter in der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou dabei gefilmt, wie sie aus dem Komplex flohen, der seit Wochen wegen eines COVID-Ausbruchs geschlossen ist.

In den sozialen Medien gepostetes Material zeigte Scharen von Arbeitern, die mit ihren Habseligkeiten über Zäune kletterten, sich auf die Ladeflächen von Lastwagen setzten oder auf einer Straße in einer ländlichen Gegend liefen. Die Städte in der Region bereiten sich nun auf einen Zustrom von Menschen vor, die aus der Fabrik geflohen sind.

Das taiwanesische Unternehmen Foxconn ist einer der größten Zulieferer für das iPhone von Apple und beschäftigt in Zhengzhou rund 200.000 Arbeiter.

In der Fabrik wird fast die Hälfte der weltweiten iPhones hergestellt. Das Unternehmen machte keine Angaben zur genauen Zahl der infizierten Arbeiter oder zur Zahl der Arbeiter, die nach Hause geflohen sind. 

Seit in den vergangenen Wochen ein Lockdown über Zhengzhou verhängt worden war, hatte das Unternehmen die Beschäftigten mehr und mehr isoliert. Das Essen in der Werkskantine war verboten worden, und die Arbeiter mussten ihre Mahlzeiten in den Schlafsälen einnehmen.

Videostill | China | Menschen verlassen Foxconn Fabrik
Menschen verlassen am 29. Oktober die Foxconn-Fabrik in Zhengzhou in der Provinz Henan (Video-Standbild)Bild: Hangpai Xingyang/AP/picture alliance

Auch im Lockdown muss die iPhone-Produktion weiter gehen

Um genug Apple-Geräte für das Weihnachtsgeschäft bauen zu können, betreibt Foxconn seine Produktion in einem "geschlossenen Kreislauf", wobei die Arbeiter während eines aktiven Coronavirus-Ausbruchs im Fabrikkomplex wohnen müssen.

Aber je mehr sich das Virus innerhalb des Foxconn-Werks ausbreitet, umso stärker sind die Arbeiter von weiteren internen Lockdowns betroffen.

"Diejenigen, die isoliert oder infiziert sind, werden während der Isolation nicht bezahlt, was zu großen finanziellen Ausfällen führt", sagt Li Qiang. Er ist geschäftsführender Direktor von China Labor Watch (CLW), einer in New York ansässigen Organisation für Arbeitnehmerrechte.

"Wenn viele Menschen Symptome zeigen, wollen manche Arbeiter nicht arbeiten. Denn wenn sie mit jemandem in Kontakt kommen, der positiv getestet wurde, werden auch sie isoliert und können nicht mehr weiter arbeiten", erklärt er gegenüber der DW. 

Laut Li haben sich die Arbeiter auch darüber beschwert, dass sie in der Isolation nicht genug zu essen haben und es ihnen an grundlegenden Dingen fehlt.

"Foxconn testet in der Regel 20 Arbeiter gemeinsam. Diejenigen, die positiv getestet werden, müssen in einem unfertigen Gebäude in Quarantäne gehen. Dort gibt es nichts außer einer Bettdecke", berichtet er. "Es gibt nicht einmal etwas zu essen."

Arbeiter, die außerhalb der Fabrik leben, hatten mehr Glück. Liu, eine Foxconn-Mitarbeiterin in den Dreißigern, hat eine Unterkunft in der Nähe gemietet. Am Montag konnte sie ohne Probleme nach Hause fahren.

"Ich war dort nur kurzfristig beschäftigt, aber zu Foxconn werde ich nicht zurückkehren, selbst wenn der Ausbruch eingedämmt ist", unterstreicht sie gegenüber der DW. "Der Gedanke, für eine ungewisse Zeit in einer Fabrik gefangen zu sein, macht mir Angst."

Nachdem der Vorfall international große Aufmerksamkeit erregt hatte, hat Foxconn laut Li von China Labor Watch einige der strengen Maßnahmen gelockert und mehr Ressourcen zur Eindämmung des Ausbruchs eingesetzt.

In einem Interview mit lokalen Medien in der chinesischen Provinz Henan sagte eine Foxconn-Führungskraft, dass das Werk am 29. Oktober die Essensausgabe in der Kantine wieder aufgenommen habe. Außerdem erhielten Mitarbeiter, die zur Arbeit erscheinen und die Kriterien zur Pandemieprävention erfüllen, einen täglichen Bonus.

Foxconn hat außerdem erklärt, dass man die Arbeiter nicht daran hindere, das Werk zu verlassen.

"Für einige Mitarbeiter, die nach Hause zurückkehren wollen, arbeitet das Werk mit der Regierung zusammen, um Personal und Fahrzeuge zu organisieren, damit die Mitarbeiter von heute an geordnet zurückkehren können", erklärte Foxconn am 30. Oktober in einer öffentlichen Erklärung. 

Videostill | China | Menschen verlassen Foxconn Fabrik
Foxconn-Mitarbeiter fliehen vor einem drohendem Lockdown aus der weltgrößten iPhone-Fabrik in Zhengzhou Bild: Hangpai Xingyang/AP/picture alliance

Warnsignal für Arbeiterrechte in China

Bislang hat sich Apple, das beim neuen iPhone 14 stark auf die Foxconn-Fabrik in Zhengzhou angewiesen ist, nicht zu dem Vorfall geäußert.

William Nee von der Nichtregierungsorganisation China Human Rights Defenders (CHRD), die ihren Hauptsitz in der US-Hauptstadt Washington hat, forderte im Gespräch mit der DW, dass internationale Unternehmen die Menschenrechte in ihren Betrieben einhalten müssen. Und das unabhängig davon, ob China diese Rechte respektiert und schützt.

"Dieser Vorfall sollte für Apple ein Warnsignal dafür sein, dass sie eine zusätzliche Sorgfaltsprüfung bei Menschenrechtsfragen durchführen müssen, um sicherzustellen, dass sie alle Menschenrechtsverletzungen, die möglicherweise stattfinden, in den Blick nehmen", fügte er hinzu.

Nee ist nach wie vor pessimistisch, was die Aussichten für Arbeitnehmer in China betrifft, wenn Präsident Xi Jinping seine dritte Amtszeit antritt. 

Der Vorfall "zeigt, dass Xi Jinping eine Politik betreibt, von der er glaubt, dass sie China und seinen unterprivilegierten Gruppen zugute kommt. Aber in Wirklichkeit trifft diese Politik diese Gruppen am stärksten", so Nee. 

"Wanderarbeiter hatten es sehr schwer durch die Null-Covid-Politik, und deshalb versuchen so viele Menschen in ihre Heimatstädte zurückzukehren. Sie haben keine Möglichkeit, sich über Missstände zu beschweren oder dagegen ohne Gefahr zu protestieren. Für marginalisierte Gruppen kann das unter Xi sehr schwierig sein", fügte er hinzu. 

Chinas autoritärer Kapitalismus

Yaqiu Wang, leitende China-Analystin bei Human Rights Watch (HRW), sagte, dass die rigide Informationspolitik der chinesischen Regierung ebenfalls zum Exodus der Foxconn-Arbeiter aus der Fabrik beigetragen habe.

"Die strenge Informationskontrolle der chinesischen Behörden erweckt bei den Arbeitern den falschen Eindruck, dass eine Infektion mit dem Coronavirus schwerwiegende Folgen hätte, und dieser Gedanke schürt bei vielen von ihnen ein Gefühl der Angst", so Wang.

"Da das Ziel der Fabrik darin besteht, Geld zu verdienen, kümmert sich die Unternehmensleitung nicht um den Zugang der Arbeiter zu medizinischer Versorgung oder zu Lebensmitteln. Einerseits wollen sie Geld verdienen, andererseits müssen sie die Pandemiebekämpfungsmaßnahmen der Regierung einhalten. Das macht die Arbeiter zum ultimativen Opfer", sagte sie gegenüber der DW. 

Teng Biao, ein in den USA lebender chinesischer Rechtswissenschaftler, erklärt, dass die von der chinesischen Regierung verfolgte Null-Covid-Strategie fast alle Menschen im Land getroffen hat, besonders diejenigen, die ihren Lebensunterhalt mit Schwarzarbeit verdienen.

"Einige Menschen haben ihr Einkommen und ihre Lebensgrundlage verloren und haben kein Geld mehr, um sich ausreichend zu ernähren, während viele andere zwangsweise isoliert wurden", sagte er gegenüber der DW. 

"Ein großes Unternehmen wie Foxconn muss sich zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Grundrechten seiner Mitarbeiter entscheiden", fügte er hinzu.

"In Chinas politischem und wirtschaftlichem Umfeld werden die Unternehmen wahrscheinlich die Interessen ihrer Mitarbeiter opfern müssen. Wenn die Interessen und der Nutzen eines Unternehmens mit den politischen Forderungen der Behörden kollidieren, haben die Unternehmen nur sehr wenig Entscheidungsfreiheit", unterstreicht er.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.