Regierung sieht Fortschritt
23. Januar 2013Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Aber Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kann sich nicht so richtig darüber freuen. Ihr wird das Angebot an kompetenten Arbeitnehmern zu knapp. Das mache der deutschen Wirtschaft zu schaffen, warnt sie. Tatsächlich: Offene Stellen bleiben länger unbesetzt - 2005 waren es im Durchschnitt 62 Tage, mittlerweile sind es schon 66. "In manchen Regionen wird händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht", so beschwört von der Leyen, "und dabei geht es nicht nur um Akademiker, sondern um Leute aus Ausbildungsberufen, Lokführer, Umwelttechniker und Heizungsinstallateure". Den Fachkräftemangel bezeichnet die Ministerin als "Achillesferse der deutschen Wirtschaft". Aber, so signalisiert sie beruhigend mit einer in Hochglanz gedruckten Broschüre in der Hand, die Bundesregierung hat das Problem erkannt. Das Druckwerk ist der Fortschrittsbericht zu dem Fachkräftekonzept, das die Bundesregierung vor zwei Jahren angestoßen hat. Es ist ein Bericht der Erfolge.
"Wir müssen die Potenziale all derer, die da sind, ausnützen", beschreibt von der Leyen ihre Strategie. Das gelingt anscheinend: So ist die Quote der Beschäftigten in den letzten sieben Jahren auf 77 Prozent gestiegen. Einen deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenquote vermeldet der Fortschrittsbericht besonders bei den Älteren, sie seien inzwischen zu 62 Prozent im Arbeitsleben vertreten, Anfang des Jahrtausends war es nur ein Drittel. Dies sei, so die Ministerin dadurch befördert worden, dass es nicht mehr so lukrativ ist, früher in Rente zu gehen und der Ruhestand mit 67 beschlossen wurde. Darüber hinaus sei die Akzeptanz für ältere Arbeitnehmer gewachsen: "Das ist eine Folge der öffentlichen Diskussion, die wir geführt haben", sagte von der Leyen. "Das Bild des Alters hat sich in positiver Weise verändert."
Frauen in der Teilzeitfalle
Deutschland sei, was die Beschäftigung älterer Menschen angehe, nun auf dem zweiten Platz in Europa, gleich hinter Schweden. Der Verdacht steht im Raum, dass viel davon eine natürliche Folge des demographischen Wandels sein könnte - es gibt generell weniger Bürger und darunter immer mehr Alte. "Quantifizieren kann man das nicht", gibt die Ministerin zu.
Zahlenmäßig benennt von der Leyen allerdings, wie sich die Situation von Frauen in Arbeitsverhältnissen verbessert hat. 2005 waren 63 Prozent der Frauen am Arbeitsmarkt, inzwischen sind daraus 72 Prozent geworden. Das sei sehr erfreulich, aber es gebe noch viel zu tun, urteilt die Ministerin. Fast jede zweite Frau sei in Teilzeit beschäftigt und komme da schwer wieder heraus. Man müsse über Regelungen nachdenken, die es einfacher machen, aus der "Teilzeitfalle" wieder zur Vollzeitbeschäftigung zurück zu finden. Verpflichten wolle sie die Arbeitgeber aber nicht dazu, stellte von der Leyen klar.
Fachkräfte und Auszubildende aus dem Ausland
Derzeit kommen wieder mehr Menschen nach Deutschland, als abwandern. Auch dies ist eine Entwicklung, die der Fortschrittsbericht der Bundesregierung positiv vermerkt. Es ist das dritte Jahr in Folge, dass es einen "Wanderungsgewinn" gibt. Der belief sich im vergangenen Jahr auf 340.000 Personen. Für von der Leyen ist das ein Ausdruck der gestiegenen Attraktivität Deutschlands als Arbeitsplatz. "Die Botschaft ist im Ausland angekommen, dass wir Fachkräfte brauchen", freut sie sich und verweist auf die erleichterte Anerkennung von Berufsabschlüssen und die "etwa 1000 Blue-Cards", die seit dem vergangenen Jahr ausgegeben worden seien - dabei handelt es sich um erleichterte Aufenthaltsgenehmigungen für hochqualifizierte Arbeitnehmer.
Ein neues Sonderprogramm, MobiPro, fördere die berufliche Mobilität ausbildungsinteressierter Jugendlicher, die nach Deutschland kommen wollen, wirbt von der Leyen. Überhaupt zeige sich, dass die neuen Arbeitsmigranten hervorragend ausgebildet seien. Ihr Niveau liege mit 44 Prozent Akademikern über dem der deutschen Durchschnittsbevölkerung (42 Prozent). Allerdings dürfte von der Leyen wissen, dass die massive Zuwanderung von gut gebildeten jungen Menschen aus Italien, Frankreich und Spanien derzeit durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Herkunftsländern angefacht wird und beim Abklingen der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder schrumpfen könnte.
Während der Fortschrittsbericht ein sehr positives Bild von den aktuellen Zuwanderern zeichnet, sieht es bei den Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Deutschland sind, eher düster aus: Sie sind doppelt so häufig ohne Arbeit, als die Mehrheitsbevölkerung. "Die Ursache ist vor allem in niedrigen Bildungsabschlüssen zu finden", sagte von der Leyen, "aber es tut sich Erhebliches." So sei die Erwerbsquote in den letzten sechs Jahren auf 68 Prozent gewachsen. Der Frauenanteil dabei sei zwar aktuell noch niedriger (60 Prozent), aber dafür seien die Zuwächse kräftiger als bei den Männern.
Zustimmung von der Industrie
"Die Ansätze der Bundesregierung sind im wesentlichen richtig", schätzt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK) das Fachkräftekonzept der Bundesregierung ein. Das betreffe vor allem die Felder, bei denen die Bundesregierung ansetze. Dercks sieht jedoch noch weiteren Handlungsbedarf: "Wer sich um die Teilzeitarbeit Sorgen macht, der muss auch den Kita-Ausbau vorantreiben", sagt Dercks, "da bedarf es noch erheblicher Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden."