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Warum der Klimagipfel scheitert

Andreas Becker27. November 2015

Die Verhandlungen beim UN-Klimagipfel in Paris müssen scheitern, weil die Spielregeln falsch sind, sagen Wissenschaftler. Dabei könnte alles so einfach sein, wenn man auf das Prinzip der Gegenseitigkeit setzen würde.

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Mensch ärgere dich nicht
Bild: M. Schuppich

Seit fast zwei Jahrzehnten scheitert die Weltgemeinschaft regelmäßig beim Versuch, ein globales Abkommen zum Klimaschutz zu erreichen. Selbst beim 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokoll hatten sich nur 37 Industrieländer zu bindenden Klimazielen verpflichtet.

Seitdem gab es viele Klimagipfel, dramatische Aufrufe zum Handeln - und keine Ergebnisse. Das Verfahren zum Pariser Gipfel sieht nun vor, dass jedes Land eigene Pläne zum Klimaschutz einreicht, die dann regelmäßig überprüft werden.

Auch das wird scheitern, glaubt David MacKay von der Universität Cambridge. "Es wird ständig dazu aufgefordert, uneigennützig zu handeln, also das gemeinsame Ziel über das Eigeninteresse zu stellen", so MacKay zu DW. Vierzig Jahre wissenschaftlicher Forschung über Formen der Kooperation hätten jedoch gezeigt, das dies eine Einladung zum Trittbrettfahren sei, weil jedes Land starke Anreize habe, selbst möglichst geringe Anstrengungen zu unternehmen.

Zwischen Eigennutz und Selbstlosigkeit

Die Absichtserklärungen, die 146 Länder schon vor dem Gipfel in Paris vorgelegt haben, scheinen MacKay recht zu geben. "Viele Länder versprechen nur das, was sie aus reinem Eigeninteresse ohnehin tun würden", sagt MacKay. "China etwa müsste die Nutzung von Kohle ohnehin einschränken, damit es weniger Gesundheitsprobleme in der Bevölkerung gibt."

Die oberste Klimaschützerin der UN, Christiana Figueres, lobte die Pläne zwar als "deutliche Anstrengung", musste aber zugeben, dass sie nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Sie hoffe daher, die Absichtserklärungen der Länder seien "nicht das letzte Wort".

MacKay und die Ökonomen Peter Cramton, Axel Ockenfels und Steven Stoft glauben, dass sich die Kluft zwischen nationalen Interessen und globalem Klimaschutz einfach überbrücken ließe.

Ein CO2-Preis für alle

Statt endlos über Emissionsziele zu feilschen, sollte die Weltgemeinschaft über einen global einheitlichen Preis für Kohlendioxidemissionen verhandeln - und dabei das Prinzip der Gegenseitigkeit beachten. "Das bedeutet: Ich stimme zu, wenn du auch zustimmst. Stimmst du nicht zu, stimme ich auch nicht zu", sagt MacKay.

Übertragen auf den Preis für eine Tonne CO2 heißt das: "Wir werden dafür sorgen, dass dieser Preis bei uns erreicht wird, wenn alle anderen Länder dasselbe tun."

Wie der Preis genau zustande kommt - ob durch den Handel mit Emissionsrechten oder eine CO2-Steuer - könne jedes Land für sich entscheiden. "Auch für Länder, denen der Klimawandel eigentlich egal ist, ist eine CO2-Steuer eine interessante Einnahmequelle", glaubt MacKay. "Wenn sie wollen, können sie im Gegenzug andere Steuern senken."

Indien Umweltverschmutzung Fabrikschlot in Bangalore
Trotz Smog wie hier in Bangalore: Indien wäre ein möglichst niedriger CO2-Preis am liebsten - eigentlichBild: Getty Images/AFP/D. Sarkar

Die Suche nach dem Gleichgewicht

Trotzdem würden Länder wie China und Indien für einen möglichst geringen CO2-Preis plädieren, mit dem Argument, ihre Wirtschaft würde sonst unfair belastet, zumal die Pro-Kopf-Verschmutzung noch immer weit unter der in Industrieländern liege.

MacKay und seine Kollegen schlagen deshalb einen Klima-Ausgleichsfonds vor, in den reichere Länder einzahlen und aus dem ärmere Länder Geld erhalten. "Wenn man diese Mechanismen miteinander verbindet, gäbe es für ein Land wie Indien einen Anreiz, für einen höheren CO2-Preis zu stimmen, denn dann erhielte es höhere Ausgleichzahlungen aus dem Klimafonds."

Weil die Industrieländer möglichst geringe Ausgleichszahlungen leisten wollen, würden sie umgekehrt für einen etwas geringeren CO2-Preis stimmen. In den Verhandlungen gelte es dann nur noch, den "sweet spot" zu finden, also den optimalen Preis, auf den sich alle einigen können, sagt MacKay.

Zehn Dollar pro Tonne

"Könnte man sich auf einen global gültigen Preis von mindestens zehn US-Dollar pro Tonne CO2 einigen, wäre der Effekt schon größer als das, was wahrscheinlich in Paris erreicht wird", glaubt MacKay.

Bis 2014 war er oberster wissenschaftlicher Berater des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel. Mit seinen Kollegen hat MacKay den Vorschlag in der Fachzeitschrift "Nature" publiziert, macht sich aber wenig Hoffnung, dass er bei den Klimaverhandlungen berücksichtigt wird.

"Wenn Paris kein großer Erfolg wird, erinnert man sich vielleicht beim nächsten Mal an unsere positive Botschaft", sagt er. "Man kann die Spielregeln so ändern, dass die Eigeninteressen aller Beteiligten mit dem großen Ziel übereinstimmen." Und dann seien Klimaverhandlungen auch nicht mehr so kompliziert.