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Bewährungsstrafe im Prozess um die Football Leaks

James Thorogood
Veröffentlicht 10. September 2023Zuletzt aktualisiert 12. September 2023

Urteilsspruch im mehrfach unterbrochenen Gerichtsprozess um die Enthüllungen im Spitzenfußball: Der Whistleblower Rui Pinto erhielt vier Jahre Haft, muss aber nicht zurück ins Gefängnis. Worum ging es in dem Fall?

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Hacker Rui Pinto vor Gericht in Portugals Hauptstadt Lissabon
Rui Pinto vor Gericht: Nach mehr als drei Jahren wird ein Urteil gegen den Hacker erwartetBild: Armando Franca/AP Photo/picture alliance

Es war die wohl größte Enthüllung der Sportgeschichte und brachte einige der "schmutzigen Geheimnisse" des europäischen Spitzenfußballs ans Licht: die sogenannten Football Leaks, für die sich der Hacker Rui Pinto verantworten musste. Im ersten von zwei unabhängig voneinander geführten Prozessen wurde der Portugiese zu vier Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Urteilsverkündung war bereits zweimal verschoben worden. Einmal im April und einmal im August dieses Jahres wegen des Besuchs von Papst Franziskus in Lissabon. Dort tagte auch das Gericht. 

Was wurde veröffentlicht?

Von einigen als "Robin Hood des Fußballs" verehrt, erklärte Pinto immer wieder, er habe den "verrotteten Fußball" sichtbar machen wollen. Zwischen 2015 und 2018 ließ Pinto Journalisten des Magazins "Der Spiegel" unter dem Pseudonym "John" 18,6 Millionen Dokumente mit einer Datenmenge von ca. 1,9 Terabyte zukommen.

Das Gerichtsgebäude auf dem "Campus de Justiça" in Lissabon, in dem der Prozess gegen Pinto stattfindet
Das Gerichtsgebäude auf dem "Campus de Justiça" in Lissabon, in dem der Prozess gegen Pinto stattfindetBild: João Carlos/DW

Aus den veröffentlichten Dokumenten geht hervor, wie Spielerberater, Vermittler und Klubs, darunter Champions-League-Titelträger Manchester City, ethische und finanzielle Regeln bewusst umgingen, um ihren Profit zu maximieren. Es folgten länderübergreifende Ermittlungen in ganz Europa, durch die belegt werden konnte, wie "schmutzige Deals" aus dem Profi-Fußball ein teils illegales Business gemacht haben - in dem Millionenbeträge in bar abgezweigt werden. 

Wer sind die Betroffenen?

Als "Der Spiegel" Pinto während seiner Zeit im Gefängnis fragte, ob sich das alles angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe gelohnt habe, hob Pinto "einige Ergebnisse" bei der Suche nach Gerechtigkeit hervor. "Letztendlich muss man geduldig sein, um zu beurteilen, ob es das alles wert war", sagte er. 

Eine der ersten Folgen der Football Leaks-Enthüllungen waren Ermittlungen gegen mehrere Klienten des portugiesischen Top-Agenten Jorge Mendes wegen Steuerhinterziehung, darunter auch Cristiano Ronaldo. Der fünffache "Ballon d'Or"-Gewinner musste 2019 über 18 Millionen Euro an die spanischen Steuerbehörden zahlen, nachdem er zugegeben hatte, "freiwillig und bewusst gegen seine steuerlichen Pflichten verstoßen" zu haben.

Während einige der größten europäischen Fußballvereine die Auswirkungen ebenfalls zu spüren bekamen, wurden nur wenige so hart getroffen wie Manchester City. Die Premier League hat den Klub im Februar wegen zahlreicher Verstöße gegen die Finanzvorschriften angeklagt - Ergebnis offen. 

Cristiano Ronaldo im Trikot des saudischen Klubs Al-Nassr
Cristiano Ronaldo zahlte 2019 im Zuge von "Football Leaks" rund 18 Millionen an die spanischen SteuerbehördenBild: AA/picture alliance

Wofür wurde Pinto angeklagt?

Der 34-jährige Pinto wurde im Jahr 2019 in der ungarischen Hauptstadt Budapest verhaftet und im August 2020 an Portugal ausgeliefert, wo ihn der Prozess erwartete. Nach seiner Zeit im Gefängnis kam er im vergangenen August frei. Pinto musste sich in 89 Fällen wegen "Hacking" verantworten. Dazu wurde ihm Erpressung vorgeworfen, worauf in Portugal bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen. 

Während der Beweisführung im Prozess forderte Pinto das Gericht auf, ihm den Schutzstatus eines Whistleblowers zuzusprechen. Pinto bekannte sich schließlich des Hackings schuldig und gab auch einen Erpressungsversuch gegen Nelio Lucas vom Investmentfonds Doyen Sports zu. Pinto sagte, er sei "empört über das, was ich entdeckt habe" gewesen und habe daraufhin beschlossen, es öffentlich zu machen. "Ich habe nie etwas für Geld getan", sagte Pinto. Aber erkannte an, dass sein Verhalten "als Erpressung ausgelegt" werden könne.

Drohen Pinto weitere Verurteilungen?

Am 4. Juli wurde ein weiteres Verfahren eröffnet, in dem Pinto insgesamt 377 Anklagepunkte vorgeworfen werden - darunter "Verletzung des Schriftverkehrs". Die meisten Vorwürfe beziehen sich darauf, dass Pinto auf vertrauliche E-Mails des portugiesischen Fußballvereins Benfica zugegriffen und diese anschließend an den Kommunikationsdirektor des rivalisierenden FC Porto, Francisco Marques, geschickt hat. 

"Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", schrieb Vera Camacho von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift. Es sei darüber hinaus unwahrscheinlich, "dass die mit der Durchführung beauftragte Kriminalpolizei sie in den kommenden Monaten abschließen wird". In einer Erklärung, die von Pintos Anwälten in seinem Namen abgegeben wurde, werfen sie der Staatsanwaltschaft vor, "die Anklage sei Teil der Strategie", um Pintos Prozess in die Länge zu ziehen. 

 Aníbal Pinto, einer der Anwälte von Hacker Rui Pinto
Pintos Anwalt Anibal Pinto wirft der Staatsanwaltschaft vor zu taktierenBild: João Carlos/DW

Laut eigener Aussage steht Pinto auch hinter den Luanda Leaks, einer Sammlung von 715.000 E-Mails, Verträgen, Rechnungen und anderen Dokumenten, die zeigen, wie Isabel dos Santos, Tochter des verstorbenen angolanischen Diktators Jose dos Santos, ein Geschäftsimperium aufbaute und zur reichsten Frau Afrikas wurde.

Aus dem Englischen übersetzt und nach der Urteilsverkündung aktualisiert