Union will Einigkeit demonstrieren
1. November 2015Wochenlang sah es nach einer handfesten Zerreißprobe zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU aus. Der massive Zustrom von Flüchtlingen hatte CSU-Chef Horst Seehofer sogar dazu gebracht, mit einer Verfassungsklage zu drohen. Ein Koalitionsgipfel, an dem auch der Koalitionspartner SPD in Person des Vizekanzlers Sigmar Gabriel teilnahm, ging am Sonntag ergebnislos zu Ende und wurde auf kommenden Donnerstag vertagt. Die Streitpunkte blieben demnach ungeklärt.
Einigung auf Transitzonen
Nur wenige Stunden später wartete die Union mit einem sechsseitigen Positionspapier auf, indem Transitzonen als "vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze" bezeichnet werden. Vor allem die SPD hatte sich gegen diese Maßnahme ausgesprochen und für sogenannte dezentrale Einreisezentren plädiert. Dieser Konflikt bleibt der Koalition also weiter erhalten. Auch die von Seehofer geforderte Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen findet sich in dem Papier nicht.
Dagegen kommt die CDU den Christsozialen beim Thema Familiennachzug entgegen. Das Nachholen von Angehörigen soll für Bürgerkriegsflüchtlinge für zwei Jahre ausgesetzt werden, fordern die Parteien in dem Papier. Bislang hatte das CDU-geführte Innenministerium es abgelehnt, den Nachzug zu stoppen. Als ein weiteres Zugeständnis an Seehofer kann das Vorhaben gewertet werden, mit Österreich ein gemeinsames Zentrum der Polizeiarbeit in unmittelbarer Nähe der Grenze einzurichten sowie gemeinsame Polizeistreifen an der Grünen Grenze loszuschicken. Schnellstmöglich solle zwischen Deutschland und Österreich "ein besseres und faires Grenzmanagement" hergestellt werden.
Aktionsplan mit der Türkei
In dem Papier pochen die Verfasser zudem auf den "strikten Schutz der Außengrenzen der EU", sie sprechen sich außerdem dafür aus, möglichst bald einen EU-Türkei-Gipfel einzuberufen, um einen gemeinsamen Aktionsplan zu erörtern.
Überdies fordern die Parteien einen einheitlichen Flüchtlingsausweis, der Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen sein soll. Eine Vielzahl von zeitraubenden Registrierungen bei verschiedenen Behörden würde demnach gebündelt.
Der schwarze Peter wird verschoben
CSU-Generalssekretär Andreas Scheuer sieht den Ball nun im Feld der SPD. Er rief die Sozialdemokraten im Streit um die Transitzonen zum Einlenken auf. "Jetzt ist ganz klar, dass die SPD kommen muss. Die Lage ist zu ernst, um jetzt politische Spielchen zu machen", so Scheuer.
Mit ähnlichen Worten hatte schon die Opposition nach dem Gipfel die Lage beschrieben – allerdings bezog sie sich auf die gesamte Koalition aus Union und SPD. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, niemand habe schnelle Patentlösungen, aber die besorgten Bürgerinnen und Bürger hätten mehr als "Parteigezänk" verdient.
Die Vorsitzende der Linke-Fraktions, Sahra Wagenknecht, sieht ebenfalls das Problem in der Regierung. "Es ist wirklich ein Trauerspiel, dass die große Koalition sich angesichts der Herausforderungen der Flüchtlingskrise weiterhin als zerstritten und handlungsunfähig erweist", sagte die Politikerin nach dem Koalitionsgipfel in Berlin.
fab/stu (kna, afp, dpa, rtr)