"Unmittelbare Gefahr von Massakern"
13. August 2014Angesichts der dramatischen Situation der Flüchtlinge im Norden des Irak mehren sich Warnungen vor einem Völkermord durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Nach Einschätzung von UN-Experten sind Tausende Jesiden "der unmittelbaren Gefahr von Massakern" durch den IS ausgesetzt. "Es muss dringend alles getan werden, um massenweise Gräueltaten und möglicherweise gar einen Völkermord" zu verhindern, forderte die UN-Sonderberichterstatterin für Minderheiten, Rita Izsák, in Genf.
Die Zivilbevölkerung in der Region müsse "aus den am schlimmsten betroffenen Gebieten evakuiert werden". Dafür seien sowohl die irakische Regierung als auch die internationale Gemeinschaft verantwortlich, sagte Izsák. Im Sindschar-Gebirge sitzen nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR weiter 20.000 bis 30.000 Menschen fest. Die meisten von ihnen gehörten der religiösen Minderheit der Jesiden an.
Ein weitere UN-Vertreterin teilte mit, den Vereinten Nationen lägen Berichte vor, wonach IS-Truppen systematisch Jesiden und andere Angehörige von Minderheiten oder Andersgläubige in die Enge trieben. Zugleich verwies die UN-Berichterstatterin über Gewalt gegen Frauen, Rashida Manjoo, auf Informationen, IS-Kämpfer hätten Hunderte von Kindern und Frauen entführt und viele von ihnen vergewaltigt. Viele Frauen seien ermordet worden.
Sterben im Gebirge
Der Sprecher des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Holger Geisler, warnte, die Menschen im Sindschar-Gebirge seien akut vom Tode bedroht. "Sie werden stündlich weniger", berichtete er. "Sie sterben an Hunger und Durst oder weil sie Blätter oder Baumrinde essen und dadurch vergiftet werden oder daran ersticken." Nach Informationen des Zentralrats kamen binnen nur eines Tages 300 Kinder um.
Die USA setzten unterdessen ihre Angriffe auf Stellungen des IS fort. Das US-Zentralkommando teilte mit, Drohnen hätten eine Mörserstellung der Dschihadisten nördlich der Stadt Sindschar zerstört. Die IS-Kämpfer hätten auf kurdische Einheiten gefeuert, die jesidische Flüchtlinge verteidigten, die sich in Sicherheit zu bringen versuchten. Die US-Luftwaffe sowie irakische und britische Flugzeuge warfen außerdem wieder Hilfspakete für die Flüchtlinge ab. Laut Pentagon flog die Luftwaffe zuletzt täglich 50 bis 60 Kampf- und Hilfseinsätze.
Weitere US-Militärberater
Die USA schicken rund 130 weitere Militärberater in den Irak. Sie sollen feststellen, welche weiteren Schritte beim humanitären Einsatz zum Schutz der Jesiden unternommen werden können, teilte das Pentagon mit. Damit steigt die Zahl der im Irak stationierten US-Soldaten auf fast 1000. "Diese Kräfte werden an keiner Kampfhandlung teilnehmen", hieß es.
Anschlag vor Haus des künftigen Regierungschefs
In der Nähe des Hauses des designierten Ministerpräsidenten Haider al-Abadi in Bagdad sprengte sich ein Selbstmordattentätet in die Luft. Er habe seinen Sprengsatz an einem Kontrollpunkt an einer Zufahrt zum Haus des Politikers gezündet, sagten Polizisten.
Auch Iran für al-Abadi
Alle politischen Kräfte, die an Verfassung und Demokratie glaubten, müssten zusammenzustehen, um die großen Probleme des Irak anzugehen, betonte al-Abadi. Die rasche Bildung einer Regierung in Bagdad unter Einbeziehung von Vertretern der Sunniten und der Kurden gilt es Voraussetzung für die erfolgreiche Bekämpfung der IS-Terroristen.
wl/SC (dpa, afp, epd, rtr)