Flüchtlinge: Eine neue Existenz in Uganda
Wer aus einem der Nachbarländer nach Uganda flieht, der darf sich dort ein Haus bauen, arbeiten und bekommt mit etwas Glück sogar ein eigenes Stück Land. Dahinter stecken wirtschaftliches und politisches Kalkül.
Liberale Flüchtlingspolitik
Uganda zählt zu den Ländern mit der weltweit liberalsten Flüchtlingspolitik. Rund eine halbe Million Menschen aus den Bürgerkriegsländern der Region suchen hier Schutz: aus dem Ostkongo, Südsudan, Somalia, Eritrea und Burundi. Täglich erreichen bis zu einhundert Menschen die gigantischen Flüchtlingslager im Südwesten Ugandas.
Aus Burundi über Ruanda nach Uganda
Derzeit retten sich vor allem Flüchtlinge aus Burundi nach Uganda: Pierre Karimumujango floh im Juli 2015 mit seiner Frau und drei Kindern aus seinem Heimatdorf, zuerst nach Ruanda. "Doch dort lebten wir dicht gedrängt in den Lagern. Es ist schwer, sich dort niederzulassen", sagt der Familienvater. Mit dem Bus fuhren sie weiter bis nach Uganda.
Das eigene Stück Land
"Wir hatten nichts dabei als wir hier ankamen, nur die Kleidung, die wir am Leib trugen", sagt Karimumujango. Vom UN-Flüchtlingshilfswerk erhielt er Kochgeschirr, Wasserkanister, Zeltplanen und Lebensmittel. Ugandas Regierung teilt jeder Familie ein Stück Land zu, auf welchem sie ein Haus bauen und einen Acker anlegen kann. Der Bauer aus Burundi hat Maniok gepflanzt.
Hilfe von außerhalb
An die Neuankömmlinge verteilt Ugandas Regierung Second-Hand-Kleidung, in der Regel Altkleiderspenden aus Europa. Das UN-Flüchtlingshilfswerk und zahlreiche internationale Nichtregierungsorganisationen helfen mit, die Flüchtlinge zu versorgen. Uganda ist selbst ein armes Land und wäre ohne Unterstützung mit dem Ansturm überfordert.
Eine Stadt nur für Flüchtlinge
Das Lager Nakivale im Südwesten des Landes ist das größte in Uganda. Auf rund 180 Quadratkilometern leben mehr als 100.000 Flüchtlinge - Nakivale gleicht einer Stadt. Das Land in der trockenen, fast unbewohnten Savanne gehört der Regierung, die es an die Flüchtlinge verteilt. Sie brennen Ziegel aus Lehm, um sich selbst ihre Häuser zu bauen.
Eine neue Existenz unter Landsleuten
In Nakivale leben die Flüchtlinge je nach Nationalität in verschiedenen "Vierteln". Seit dem Ausbruch der Krise in Burundi vergangenes Jahr sind 22.000 Burundier nach Uganda geflohen. In Nakivale errichten sie nun "Klein Bujumbura", benannt nach der Hauptstadt ihrer Heimat. Viele kommen mit all ihren Habseligkeiten und ihrem Ersparten, um sich in Uganda eine neue Existenz aufzubauen.
Ein Arbeitsmarkt entsteht
Im Zentrum von Nakivale geht es zu wie in einer Kleinstadt: Hier gibt es Tischlereien, Werkstätten, Schneidereien, Friseursaloons, Läden, Apotheken,... Viele Flüchtlinge versuchen, an den Berufen anzuknöpfen, die sie in ihrer Heimat ausgeübt haben. Einige bringen ihre Waren und Werkzeuge mit und schaffen damit Arbeitsplätze.
Wirtschaftsfaktor Flüchtling
Ein Müller aus Burundi hat seine Getreidemühle mit nach Uganda gebracht. Der 16-jährige Michel Tweramehezu aus Burundi ist froh, eine Arbeit im Lager gefunden zu haben. "Es gibt hier ja nicht viel zu tun", sagt er. Ugandas Regierung sieht die Flüchtlinge als wirtschaftliches Kapitel, eine Arbeitserlaubnis ist nicht erforderlich: Sie dürfen und sollen aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen.
Ostafrikanische Großmachtpolitik
Präsident Museveni gibt sich gern als Großvater der Region und verfolgt eine Großmachtpolitik, in welcher Flüchtlinge eine entscheidende Rolle spielen. Auch Oppositionelle und Rebellen fliehen aus den Nachbarländern nach Uganda. Ugandas Regierung ist sich der politischen Dimension ihrer Flüchtlingspolitik durchaus bewusst.
Mit Sport gegen den Hass
In den Lagern setzten sich die Konflikte der Region fort: Ruandische Hutu und Tutsi leben in Nakivale noch immer in verschiedenen Vierteln. Oft kommt es zu Reibereien, dann muss Ugandas Lager-Polizei einschreiten und vermitteln. Sport ist ein Weg, Konflikte friedlich beizulegen. Breakdance-Wettbewerbe, ein Jugendzentrum und eine Radiostation sollen das Gewaltpotenzial mindern.
Es mangelt an allem
Olive Nyirandambyza ist 2007 aus ihrem Dorf im Ostkongo geflohen. Die 38-Jährige hat fünf ihrer sieben Kinder in Nakivale geboren. Sie erhält vom UN-Welternährungsprogramm monatlich 50 Kilo Mais. "Das reicht oft nicht aus und dann muss mein Mann in die Stadt fahren, um für die Ugander zu arbeiten", sagt sie. Es mangele ihr an Seife, Hygieneartikel und Medikamenten.
Nach der Grundschule ist für viele Schluss
Die Mehrheit der Einwohner in Nakivale sind Kinder im schulfähigen Alter. Sechs staatliche und kostenlose Grundschulen gibt es im Lager. Eine weiterführende Schule gibt es nicht, die Sekundarschüler müssen kilometerweit ins Nachbardorf laufen. Die Schule dort ist jedoch privat und die meisten Flüchtlingsfamilien können sich die Schulgebühren nicht leisten.
Rinder als Geldquelle
Einige Flüchtlinge - zum Beispiel Banyamulenge aus dem Ostkongo oder Tutsi aus Ruanda oder Burundi - schlagen mit ihren Rinderherden im Lager auf. In Ugandas fruchtbarer Graslandschaft rund um Nakivale finden sie genug zu fressen. Die Rinderherden sind für viele Familien wie ein wanderndes Bankkonto. Um Schulgebühren zu bezahlen, werden die Kühe auf dem örtlichen Rindermarkt in Nakivale verkauft.
Nie wieder nach Hause
Ndahayo Ruwogwa weiß, dass er in Uganda sterben wird. Der 69-Jährige verlor im Krieg im Ostkongo seinen rechten Arm, er hat gerade so überlebt. Seit 13 Jahren lebt er mit seiner Familie in Nakivale: "Hier in Uganda gibt es zumindest Frieden. Wir haben eine Chance auf ein neues Leben bekommen", sagt er. "In meinem Heimatdorf herrscht immer noch Krieg. Wir werden wohl nie dorthin zurückkehren."