Das Kanu-Märchen von Flüchtling Fazloula
21. August 2018Saeid Fazloula hat sich nach drei Jahren in Deutschland an vieles gewöhnt. Kartenspiele mit den neuen Kollegen der Kanu-Nationalmannschaft gehören ebenso zum Alltag des gebürtigen Iraners wie unzählige Paddel-Stunden auf dem trüben Rhein. Einzig mit dem Wetter hat der 26-Jährige noch so seine Probleme. "Hier regnet es oft tagelang. Das kannte ich so nicht", sagt Fazloula, der 2015 aus seiner Heimat flüchtete. Bei der am Donnerstag in Portugal beginnenden Kanu-WM, bei der er für Deutschland startet, kann er sich auf Sonne satt mit Temperaturen um die 30 Grad einstellen.
"Ich freue mich, dass ich den Adler auf der Brust trage. Es war nicht einfach für mich", sagt Fazloula vor den Titelkämpfen. Bei der EM im Juli war er erstmals für den Deutschen Kanu-Verband (DKV) an den Start gegangen, nun folgt mit der WM-Teilnahme die Erfüllung eines Traums. In Montemor startet er gemeinsam mit Kostja Stroinsk im Kajak-Zweier über 500 Meter. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg.
"Kleines Zimmer mit fünf, sechs Personen"
Im Iran gehörte Fazloula zu den besten Kanuten des Landes. Nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Asien-Spielen 2014 in Südkorea wurde ihm mitgeteilt, er habe "unverhältnismäßig" gejubelt. Als ihm nach einem Besuch des Mailänder Doms während der WM 2015 vorgeworfen wurde, er wolle zum Christentum konvertieren und er kurzzeitig in Haft musste, brach Fazloula die Zelte in seiner Heimat ab.
Fazloula floh - erst zu Fuß über die Grenze in die Türkei, dann auf der Balkanroute bis nach Karlsruhe. "Am Anfang war es sehr schwer. Ich hatte alles im Iran, und hier war alles weg. Mein Geld, meine Wohnung, mein Auto. Ich lebte in einem kleinen Zimmer mit fünf, sechs Personen - das war schwierig für mich", sagte Fazloula in einem ARD-Interview: "Ich dachte zuerst, dass es das war mit meinem Leben. Saeid, du hast alles verloren." Doch bei den Rheinbrüdern, einem Kanuverein in Karlsruhe, fand Fazloula neue Freunde, vor allem aber eine neue sportliche Heimat. Mit harter Arbeit schaffte er es bis ins deutsche Nationalteam. "Er ist ein guter Junge. Es ist keine einfache Situation, wenn man seine Familie verlässt. Hier in der Kanu-Familie hat er Anschluss gefunden", sagt Olympiasieger Max Hoff.
Dabei erlebte Fazloula 2016 zunächst einen Rückschlag. Er war auf dem besten Weg für die Flüchtlingsmannschaft in Rio bei den Olympischen Spielen starten zu dürfen. Es gab deutlich positive Signale vom DOSB, doch dann wurde er doch nicht vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nominiert. "Das war hart aber ich machte einfach immer weiter, immer weiter, so bin ich."
Der Traum von den Olympischen Spielen
Fazloula fühlt sich in Karlsruhe längst pudelwohl. Sein Deutsch ist beeindruckend gut, bei den Fußballern des KSC war er auch schon im Stadion, mit seiner offenen Art hat er viele Freunde gewonnen. "Ich fühle mich hier zu Hause", sagt Fazloula, der demnächst ein Sport-Studium beginnen will. Doch zunächst ist da die WM.
Und danach? Das nächste Ziel hat sich Saeid Fazloula längst gesetzt: "Ich träume von den Olympischen Spielen in Tokio 2020", sagt er und lacht: "Dafür trainiere ich jede freie Minute."
sid