Afrikas Flugverkehr: Luft nach oben
31. Januar 2018Flüge zwischen Nigers Hauptstadt Niamey und Bamako im Nachbarland Mali führen im günstigeren Fall über die Elfenbeinküste. Es können aber auch noch Zwischenstopps in Burkina Faso und Togo dazukommen. Wer von Guineas Hauptstadt Conakry in Nigerias Metropole Lagos reisen will, muss möglicherweise Station in gleich drei Städten machen: im mauretanischen Nouakchott, in Paris und Amsterdam. Auch Istanbul oder Dubai erscheinen bei transafrikanischen Flügen häufig im Reiseplan. Die Fluggesellschaften heißen dann zum Beispiel Turkish Airlines, Emirates oder AirFrance.
"Der Marktanteil nicht-afrikanischer Unternehmen liegt zurzeit bei 80 Prozent", sagt Wosenyeleh Hunegnaw, Generaldirektor der äthiopischen Behörde für zivile Luftfahrt, im DW-Interview. Doch das Verhältnis werde man in Zukunft zumindest ausgleichen, zeigt er sich überzeugt. Dabei soll ein neues Abkommen helfen, das 23 afrikanische Staaten in dieser Woche beim Gipfel der Afrikanischen Union in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba besiegelt haben. Kernpunkt des Abkommens: Die Fluggesellschaften der Mitgliedsländer sollen in Zukunft freien Zugang zu den Flughäfen anderer Mitgliedsländer haben. Das heißt auch weniger Bürokratie und geringere Kosten bei innerafrikanischen Flügen.
Aufbruch aus der Abhängigkeit
Bisher gleicht der afrikanische Luftraum einem Flickenteppich. Welche Direktverbindungen es gibt, bestimmt eine Reihe bilateraler Abkommen. Diese Strukturen sind ein Erbe aus der Kolonialzeit: Viele der unabhängigen Länder haben bis heute engere Verbindungen zu den alten Kolonialmächten in Europa als zu den Ländern des eigenen Kontinents. Dieser Abhängigkeit will die Afrikanische Union nun endlich entkommen: mit der Agenda 2063 für ein "ganzheitliches, wohlhabendes und friedliches Afrika". Eines der Ziele: einheitliche Rahmenbedingungen und eine übergreifende Infrastruktur.
Der gemeinsame Luftraum sei wichtig, um die gesamte Entwicklung des Kontinents voranzubringen, sagte Ruandas Präsident und AU-Vorsitzender Paul Kagame beim Startschuss der Initiative in Addis Abeba. Er sei ein zentraler Baustein neben weiteren, die zurzeit erarbeitet würden, darunter ein afrikanisches Freihandelsabkommen und ein AU-weiter Ausweis. Ruanda ist ebenso Teil der neuen Initiative wie die großen Wirtschaftsmächte Südafrika, Nigeria und Kenia.
Startvorteil für Äthiopien
Seit Jahrzehnten ist der Bürokratieabbau im Luftraum im Gespräch. Doch bisherige Abkommen - etwa das von Yamoussoukro aus dem Jahr 1999 - blieben auf dem Papier. Zu groß war das Interesse vieler Länder, ihre teils staatlichen Unternehmen vor der Konkurrenz zu schützen. Außerdem waren die Einnahmen aus überhöhten Start- und Landegebühren ein willkommener Zuschuss für die knappen Staatskassen. Auch beim diesjährigen Treffen in Addis Abeba gab es viele Bedenken: Das Abkommen nütze nur den großen Fluggesellschaften, profitieren würden davon allein die Schwergewichte wie Ethiopian Airlines.
Die Initiatoren des Abkommens, unter ihnen Äthiopien, halten dagegen. "Die größeren Luftfahrt-Betreiber können den kleineren helfen, indem sie ihre Erfahrungen weitergeben", sagt Wosenyeleh Hunegnaw von der äthiopischen Zivilluftfahrtbehörde. Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass der größere Marktanteil auch Afrikas kleineren Fluggesellschaften nützen wird. Ethiopian Airlines etwa habe seine Führung durch Äthiopiens liberale Abkommen mit anderen Staaten ausgebaut, heißt es in einer Studie, die die Beratungsfirma InterVistas im Auftrag des internationalen Airline-Verbandes IATA durchführte. Auch die Märkte und Unternehmen anderer Länder, die sich jetzt der Initiative zur Öffnung des Flugraumes angeschlossen haben, dürften also profitieren.
Nutzen für die Bevölkerung
Tewolde Gebremariam, Chef von Ethiopian Airlines, betonte in den Verhandlungen, im Vergleich zu den großen internationalen Unternehmen seien auch Afrikas führende Fluggesellschaften ganz klein. Auch seiner Airline sei es nicht möglich, günstige Verbindungen zwischen Drittstaaten anzubieten - für europäische Fluggesellschaften wie die irische RyanAir alltägliches Geschäft.
Gebremariam plädierte für einen Imagewandel. "Hier in Afrika gibt es den Irrglauben, dass Fliegen das Fortbewegungsmittel des reichen Mannes ist", sagte er. Das soll sich jetzt ändern. Wenn sich die Prognosen der InterVistas-Studie bewahrheiten, werden Ticketpreise durch die neue Konkurrenz um mehr als ein Drittel sinken. Das würde das Fliegen für Millionen Afrikaner erschwinglicher machen. Und damit nicht genug: "Passagiere werden mehr Direktflüge wählen können", sagt Äthiopiens Verkehrsminister Abdisa Yadeta im DW-Interview. "Die größere Bewegungsfreiheit wird unseren Tourismus ankurbeln und zum Wirtschaftswachstum beitragen."
Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Viele zweifeln, dass die schwerfällige Bürokratie der Afrikanischen Union diesen Umbau stemmen kann - ganz zu schweigen von den dahinterstehenden Interessen einzelner Staaten.
Mitarbeit: Endalkachew Fekade Fisseha, Tesfalem Waldyes