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Flucht in die Armut

Peter Philipp, zurzeit in Jordanien20. Mai 2007

Millionen von Irakern sind auf der Flucht. Die Flüchtlingsströme stellen die Nachbarländer wie Jordanien vor riesige Probleme. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

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Irakische Flüchtlinge in Jordanien, Foto: AP
Ungewisse Zukunft: irakische Flüchtlinge in JordanienBild: AP

In einem kleinen Laden unweit des jordanischen Innenministeriums in Amman hängt im Eingang ein Bild von Saddam Hussein. Der Besitzer ist offenbar ein Flüchtling aus dem Irak, der aus seinen politischen Sympathien keinen Hehl macht. Neu-eröffnete Lokale im Stadtteil Rabi’a tragen die selben Namen wie einst florierende Lokale in Bagdad. Irakische Wirte servieren irakischen Gästen irakisches Essen. Am Straßenrand in der Innenstadt sitzen schwarz gekleidete Irakerinnen und verkaufen Zigaretten. Nicht nur ganze Packungen, auch einzeln. Szenen aus dem jordanisch-irakischen Alltag seit dem amerikanischen Einmarsch in den Irak. Ein Alltag, der zur Belastung geworden ist.

Reiche Iraker verderben die Preise

Weltwirtschaftsforum in Amman Flagge
Amman wird immer teurerBild: AP

Natürlich nicht für die reichen Flüchtlinge, die nach Amman gekommen sind – unter ihnen die Tochter Saddam Husseins und betuchte Geschäftsleute. Auch solche, deren Geld aus dunklen Quellen kommt. Wer genug hat, um sich eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, der erhält eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Reichen treiben die Immobilienpreise hoch. Viele Jordanier können sich heute die im Vergleich zu früher mehr als doppelt so teuren Wohnungen kaum noch leisten.

Die Armen – vor allem die Illegalen – werden als billige Arbeitskräfte missbraucht, oft auch von ihren eigenen Landsleuten. Alle anderen müssen das Land alle paar Monate verlassen und können dann wiederkommen. Wer das Geld dafür nicht hat, der bleibt illegal und riskiert Verhaftung und Abschiebung. Seit irakische Selbstmordattentäter Anschläge auf Hotels in Amman verübt haben, sind die Sicherheitsvorkehrungen sehr strikt geworden.

Problem nicht angesprochen

Zwischen 700.000 und einer Million Flüchtlinge leben zurzeit allein in Jordanien – das wäre so, als nähme die Bundesrepublik fast 15 Millionen Flüchtlinge auf. In Syrien gibt es mindestens ein weitere Million. Ein Drittel gilt der Flüchtlinge als arm. Offiziell spricht man in Jordanien nicht von einem Flüchtlingsproblem. Vielleicht, weil man sonst gefordert wäre, den eigenen Armen mindestens ebenso zu helfen. International beginnt man gerade erst, sich des Problems bewusst zu werden. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat jetzt einen internationalen Spendenappell gestartet, um 15 Millionen Schweizer Franken für Flüchtlingshilfe aufzubringen - mit wenig Erfolg.

Karte Amman Jordanien
Bild: AP Graphics/DW

Auch das Deutsche Rote Kreuz bereitet einen Antrag an die Bundesregierung vor, die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Spenden einzutreiben werde immer schwieriger, sagt Alfred Hasenöhrl vom Roten Kreuz in Amman: "Es besteht eine Spendenmüdigkeit für den Nahen Osten durch diese langen Jahre der verschiedenen Konflikte." Zum anderen sei die Situation der irakischen Flüchtlinge ein schleichendes und unsichtbares humanitäres Problem.

"Unsichtbar" ist das Problem, weil weder die Behörden noch die Betroffenen darüber sprechen. Aber die Folgen sind deutlich und sie werden immer gravierender. Natürlich wieder in erster Linie für die Ärmeren, die weder am Gesundheits- noch am Bildungssystem teilhaben können.

Viel Erfahrung mit Flüchtlingen

Jordanien hat mehr als andere Länder der Region Erfahrung mit Flüchtlingen: Zuerst waren es Palästinenser, dann Libanesen, dann Palästinenser aus Kuwait und anderen arabischen Golfstaaten. Die Lage heute mit den Irakern ist aber nicht vergleichbar mit früher, vor allem nicht mit dem Problem der palästinensischen Flüchtlinge. Die Lage der Iraker verschlechtert sich aber rapide, weil deren Ressourcen zur Neige gehen. Eine Wende ist nicht abzusehen und Jordanien – ein armes Land – ist damit zusehends überfordert. Die Hoffnung, dass die Flüchtlinge entweder bald in ihre Heimat zurückkehren oder in Drittländer weiterreisen können, erweist sich als trügerisch: "Die Realität sieht derzeit nicht so aus. Es glaubt auch niemand, dass sich die Situation im Irak kurz- oder mittelfristig soweit bessern wird, dass die Flüchtlinge zurückgehen werden", sagt Alfred Hasenöhrl vom Roten Kreuz. Bisher hätten nur sehr wenige Nationen sehr beschränkte Kontingente an Visa für Iraker bereitgestellt. Eine Ausreise in Drittländer komme für die große Mehrheit der Flüchtlinge nicht in Frage, erklärt Hasenöhrl.

Vor der schieren Masse an Flüchtlingen schrecken selbst hilfsbereite Staaten zurück. Die Lösung kann nicht darin liegen, allen Flüchtlingen anderswo Asyl oder eine neue Heimat zu bieten. Das Problem im Irak muss gelöst werden. Es müssten massiv Mittel für die Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge in den derzeitigen Aufenthaltsländern bereitgestellt werden, sagt Hasenöhrl.