Florida zittert vor Hurrikan "Irma"
8. September 2017Angesichts des heranrückenden Monster-Hurrikans "Irma" hat der Gouverneur von Florida, Rick Scott, an alle Einwohner des US-Bundesstaats appelliert, sich für eine mögliche Evakuierung zu wappnen. Die gesamte Bevölkerung solle darauf vorbereitet sein, "bald" ihre Wohngebiete zu verlassen, erklärte er. Bislang betreffen die Anordnungen der regionalen Behörden nicht den ganzen Bundesstaat, sondern nur diverse Küstenregionen. Im weiter nördlich gelegenen Bundesstaat Georgia wurde ebenfalls angeordnet, Teile der Küste zu evakuieren.
Der Hurrikan wirbelt auch die Reisepläne vieler Touristen durcheinander. Der Flughafen Miami wurde geschlossen. Am Wochenende würden auch Orlando und Tampa nicht angeflogen, teilte die Lufthansa mit. Der Reisekonzern Tui riet seinen Kunden von einer Abreise nach Kuba, den Bahamas und Florida in den kommenden Tagen ab. Tui und andere Anbieter haben ihre Stornoregelungen entsprechend angepasst.
"Extrem gefährlich"
Bislang hat der Hurrikan mindestens 21 Menschen das Leben gekostet. "Es ist, als wäre jemand mit einem Rasenmäher vom Himmel über die Insel gegangen", sagte eine Augenzeugin auf der Insel Saint-Martin dem niederländischen Rundfunk NOS. "Irma" ist einer der stärksten jemals registrierten Wirbelstürme im Atlantik. Betroffen sind neben Haiti und der Dominikanischen Republik auch das britische Anguilla, Barbuda, die zu den USA gehörenden Insel Puerto Rico und die amerikanischen Jungferninseln, Bahamas und Kuba.
Inzwischen hat sich der Sturm auf seinem Weg durch die Karibik von einem Sturm der höchsten Warnstufe fünf auf Stufe vier abgeschwächt, dennoch bleibe er aber ein "extrem gefährlicher Stufe-vier-Hurrikan", teilte das nationale US-Hurrikan-Warnzentrum in Miami mit. "Irma" zieht demnach derzeit über die südlichen Bahamas. Anschließend soll er über das Meer an der Nordküste Kubas entlangwandern und am Sonntagmorgen die Inselgruppe der Florida Keys und die Südküste des US-Bundesstaats erreichen.
Auch die Luxus-Residenz von US-Präsident Donald Trump, das sogenannte "Winter White House" Mar-a-Lago soll geräumt werden. Der Golfclub in der Stadt Palm Beach liegt in einer Evakuierungszone der US-Behörden, wie die Zeitung "Sun Sentinel" berichtete. Eine Sprecherin aus dem Trump-Konzern sagte dem Sender CNN, man werde allen Anweisungen der Behörden Folge leisten.
Insgesamt 125.000 Menschen an der Atlantikküste Floridas müssen ihre Häuser verlassen. Es bestehe Lebensgefahr. Man könne die Menschen nicht retten, wenn der Sturm beginne, sagte Floridas Gouverneur Rick Scott.
Europäische Überseegebiete betroffen
Unterdessen wurde nach dem Durchzug des Wirbelsturms auf den französischen und niederländischen Karibikinseln eine erste Bilanz gezogen. So habe es Plünderungen gegeben und die Lage sei ernst, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in Den Haag über Plünderungen auf der Insel Saint-Martin. "Den Inselbewohnern fehlt es an den wichtigsten Lebensgrundlagen", führte Rutte nach einem Treffen des Krisenstabs aus. "Es herrscht totales Chaos." Auf dem notdürftig reparierten Flugplatz des niederländischen Inselteils Sint Maarten könnten zurzeit nur Militärmaschinen landen. Der Seehafen sei nur für Marineschiffe erreichbar. Zwei niederländische Marineschiffe brachten Wasser, Nahrung und andere Hilfsgüter. Weitere Transporte mit Zelten, Medikamenten und Decken sollten folgen.
135 Soldaten sind den Angaben zufolge bereits auf dem niederländischen Teil der Insel eingetroffen, um bei Aufräumarbeiten zu helfen. Weitere 100 sollten am Samstag ankommen. "Wir lassen Sint Maarten nicht im Stich", sagte Rutte. Über die Zahl der Opfer ist noch wenig bekannt. Bislang war von einem Todesopfer berichtet worden. Sint Maarten gehört mit rund 40.000 Einwohnern als autonomes Land zum Königreich der Niederlande.
Plünderungen
Auch im größeren, französischen Inselteil Saint-Martin sowie auf Saint-Barthélemy machten sich Diebe an verwüsteten und verlassenen Häusern zu schaffen, wie die französische Ministerin für die Überseegebiete, Annick Girardin, sagte.
Sie habe mit eigenen Augen Plünderungen gesehen, sagte Girardin nach einem Überflug über Saint-Martin und Saint-Barthélemy. Zuvor hatten schon Augenzeugen von Plünderungen berichtet. Girardin kündigte die Entsendung von 400 Polizisten in die französischen Gebiete an.
Die Gesundheitsversorgung und die Versorgung der Menschen mit Wasser und Lebensmitteln habe "größte Dringlichkeit", sagte die Ministerin. An zweiter Stelle komme die "öffentliche Ordnung". Justizministerin Nicole Belloubet sagte dem französischen Sender RTL, es sei ein Staatsanwalt nach Saint-Martin entsandt worden.
Der französische Rückversicherer CCR schätzte, dass der materielle Schaden in den französischen Gebieten bei deutlich über 200 Millionen Euro liegen dürfte.
Insel Hispaniola wenig betroffen
Glück im Unglück hatten Haiti und die Dominikanische Republik, die gemeinsam auf der Insel Hispaniola liegen, nach ersten Einschätzungen von Hilfsorganisationen. Dort wurden weniger Schäden verursacht als befürchtet. "Hätte 'Irma' einen südlicheren Weg eingeschlagen, wäre es zur Katastrophe gekommen", sagte Martin van de Locht, Leiter der Internationalen Programme von World Vision.
Auch bei Caritas international gab man sich vorerst erleichtert. In der Dominikanischen Republik gebe es nach ersten Berichten keine Toten, sagte ein Sprecher. Etwa 200 Häuser seien vollständig zerstört. Eine komplette Entwarnung für die Region wollte Caritas international aber noch längst nicht geben. Vor allem der tiefer gelegene Norden Haitis könne noch von Überschwemmungen bedroht sein.
Solche Überschwemmungen können laut dem Arbeiter-Samariter-Bund langfristige Folgen für das Land haben. Meerwasser könne Brunnen versalzen, Trümmer auf Feldern der Bauern hinterlassen und Erdrutsche verursachen, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation. Die Menschen auf Haiti, einem der ärmsten Länder der Region, leiden noch immer unter den Auswirkungen des Erdbebens von 2010 und des Hurrikans "Matthew" 2016. "Das Grundproblem der Haitianer ist, dass sie sich nicht auf ihren teils dysfunktionalen Staat verlassen können", sagte Caritas international-Sprecher Achim Reinke. Gerade für solche Länder, die dann Wirbelstürmen regelrecht ausgeliefert seien, müsse viel mehr in Katastrophenvorsorge investiert werden.
cgn/jj (afp, dpa, rtr)