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Flaute für Frankreichs Windenergie

26. September 2018

Frankreich gilt nicht gerade als Vorreiter bei der Produktion "grüner" Energie. Zu wichtig ist dort die Atomkraft. Nun droht auch noch dem Markt für Windenergie ein jahrelanger Stillstand.

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Ein Techniker arbeitet auf einer Windkraftanlage in Barkhagen, Mecklenburg-Vorpommern (Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Es ist kein einfaches Unterfangen. Mehrere Männer befreien mühevoll eine große Kabelspule von einer Plastikumhüllung. Dann zieht ein mächtiger Kran das Ganze in die Höhe. Ein Dutzend Arbeiter sind an der Operation beteiligt – am Boden, aber auch am oberen Ende des rund 100 Meter hohen Turms, durch den sie die Kabel später ziehen werden. Darauf werden bald das Maschinenhaus und die Windblätter kommen.

Die Windturbine ist Teil des Windparks Dizy-le-Gros im Nordosten von Frankreich, den der Windparkbauer WPD gerade um zwei Maschinen erweitert. Solche Windparks – und vor allem mehr von ihnen – braucht das Land, um seine Ziele in Sachen Erneuerbare Energien zu erreichen.

Frankreichs Justiz bremst Bau von Windparks

Aber sie zu bauen ist in Frankreich nicht einfach. Jetzt hat auch noch eine Justizentscheidung den Onshore-Windenergiemarkt fast zum Stillstand gebracht. Das ist symptomatisch für ein Land, das sich zwar als Klimachampion darstellt, doch in dem die Atomenergie wohl auch in Zukunft noch eine große Rolle spielen wird.

"Frankreich ist schon etwas Besonderes. Es gibt überall Wind, und man kann theoretisch im ganzen Land Windparks bauen. So etwas lohnt sich in Ländern wie Deutschland nicht", begeistert sich Grégoire Simon, Chef von WPD Onshore in Frankreich. Das Unternehmen will hier noch Dutzende weiterer Windparks bauen. Das Land ist, gleich nach Deutschland, der zweitwichtigste Markt für WPD.

Langer Anlauf für Bauerlaubnis

Aber der Bau von Windparks ist langwierig in Frankreich. Um eine Bauerlaubnis zu bekommen, braucht man hier bis zu acht Jahre - doppelt so lange wie zum Beispiel in Deutschland. Denn es gibt viel Widerstand gegen Onshore-Windparks und die Gerichtsverfahren ziehen sich oft in die Länge.

Und zur Zeit dauert es sogar noch länger, Baugenehmigungen zu bekommen. Frankreichs oberstes Gericht hat Ende vergangenen Jahres den Genehmigungsprozess teilweise ausgehebelt. Denn regionale Präfekten erteilten sowohl Umweltzertifikate – die nötig sind für die Bauerlaubnis – als auch die endgültigen Baugenehmigungen. Nach EU-Regeln stelle das einen Interessenkonflikt dar, so der Conseil d'Etat. Die Regierung hat bis heute – fast ein Jahr später – noch immer keine neue Prozedur juristisch festgelegt.

Windparkbauer wie Simon sind verärgert: "Das hat uns wirklich gerade noch gefehlt. Die Regierung hätte dieses Problem schon längst regeln sollen. Noch immer ist nicht rechtlich festgelegt, wie wir neue Baugenehmigungen bekommen können und ob die aktuellen noch gültig sind. Es ist sehr frustrierend, so viel Zeit zu verlieren."

Anna Creti, Ökonomin an der Pariser Universität Dauphine (Foto: DW/L. Louis)
"Der Anteil der Atomenergie muss sinken", fordert Anna Creti, Ökonomin an der Pariser Universität DauphineBild: DW/L. Louis

Liegt die Crux in der Atomenergie?

Landesweit wird sich so der Bau von Windparks um Jahre verzögern. Dabei könnten die Anlagen, die jetzt in der Warteschlange stehen, bis zu fünf Atomreaktoren ersetzen. Zudem braucht Frankreich die Windräder - denn auch bei anderen alternativen Energien geht es nur langsam voran. Die ersten Offshore-Windräder werden sich nicht vor 2023 vor Frankreichs Küsten drehen – obwohl die Regierung die Projekte schon 2012 in einer Ausschreibung vergeben hatte.

Das letzte große Unternehmen – Naval Energies – hat sich gerade aus dem Markt der Gezeitenenergie zurückgezogen. Dabei hatte Frankreich einmal vor, Spitzenreiter auf diesem Gebiet zu werden.

Windenergie-Ziele mussten aufgegeben werden

Das Ziel, dass sich bis 2023 Windmühlen mit einer Gesamtleistung von 26 Gigawatt drehen, ist kaum mehr erreichbar, denn bislang stehen nur Onshore-Windparks mit einer Kapazität von rund 14 Gigawatt im Land. Dabei könnten diese Onshore-Windparks theoretisch 26 der 58 Atomreaktoren ersetzen.

Doch genau da liege vielleicht die Crux, meint Anna Creti, Ökonomin an der Pariser Universität Dauphine. "Frankreichs Energieverbrauch bleibt gleich", sagt sie. "Deswegen muss der Anteil der Atomenergie, der jetzt bei drei Vierteln der Stromerzeugung liegt, sinken, um für Erneuerbare Energie Platz zu schaffen. Aber das ist sehr teuer, und es gibt es Widerstand dagegen – auch in der Bevölkerung. Atomenergie ist ein fester Bestandteil des Weltbilds und fast schon Teil des Kulturerbes hier. Deswegen ist es fast unmöglich, Reaktoren zu schließen."

Jennifer de Temmerman von der Regierungspartei LREM in Frankreich (Foto: DW/L. Louis)
Frankreich habe sich zu lange auf Atomenergie verlassen, sagt Jennifer de Temmerman von der Regierungspartei LREMBild: DW/L. Louis

Die Regierung verspricht, dass jetzt alles anders wird. "Frankreich hat sich zu lange auf Atomenergie verlassen. Wir werden das ändern und den Atomanteil auf 50 Prozent senken", sagt Jennifer de Temmerman, Abgeordnete der Regierungspartei LREM. "Man kreidet uns zwar an, dass wir das von der Vorgängerregierung gesetzte Ziel aufgekündigt haben, diese 50 Prozent bis 2025 zu erreichen. Aber das wäre einfach unmöglich gewesen. Wir hätten dafür bis September bis zu 27 Reaktoren schließen müssen. Wir werden uns jetzt eine realistische Deadline setzen."

Neue Atomkraftwerke trotz grüner Energiepläne

Wie genau das passieren soll und wann, darüber schweigt die Regierung bisher. Dass vor kurzem der in Frankreich sehr beliebte Umweltaktivist Nicolas Hulot sein Amt als Umweltminister niedergelegt hat, verschafft Paris dabei nicht gerade Glaubwürdigkeit. Bei seiner überraschenden Kündigung live im Radio sagte er, er fühle sich "ganz allein" in der Regierung im Kampf für den Umweltschutz.

Windparkentwickler Grégoire Simon, Chef von WPD, steht vor dem Onshorewindpark Dizy-le-Gros in Frankreich (Bild: DW/L. Louis)
Windparkentwickler Grégoire Simon sagt, er liebe die Herausforderung des französischen Marktes.Bild: DW/L. Louis

Ein neuer Bericht des Umweltministeriums empfiehlt nun, weitere sechs Atomwerke des neuen, angeblich sicheren Modells EPR zu bauen - obwohl der erste der Reaktoren im nordwestlichen Flamanville inzwischen acht Jahre Verspätung hat und über zehn Milliarden Euro kosten wird. Das sind mehr als dreimal soviel, wie zunächst angesetzt.

Doch Windparkentwickler Simon sagt, er liebe die Herausforderung des französischen Marktes. Und dass er fest an bessere Zeiten glaubt: "Noch vor zehn Jahren hätte man niemals eine kritische Reportage über Nuklearenergie in den Nachrichten gesehen. Aber inzwischen ist es nicht mehr tabu, die Atomenergie infrage zu stellen. Die Franzosen sehen ja, dass sie jetzt bis zu dreimal so teuer ist wie die Windenergie." Langfristig könnte Frankreich so all seine Energie durch Erneuerbare Energie erzeugen, meint er.

Ein optimistischer Ansatz. Allerdings könnte das noch etwas dauern. Bisher kommen lediglich 17 Prozent des französischen Stroms aus erneuerbaren Quellen. Bis 2020 wollte das Land den Anteil eigentlich auf 23 Prozent erhöhen. Auch dieses Ziel ist inzwischen kaum noch zu schaffen.