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"Wir hätten uns mehr Verbindlichkeit gewünscht"

Arnd Riekmann
15. März 2019

Jährlich landen acht Millionen Tonnen Plastik im Meer. In Nairobi haben 170 Staaten darum gerungen, diese Kunststoffflut zu verringern. Mit dabei: Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Im DW-Interview zieht er Bilanz.

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Plastikmüll am Strand von Keserwan (Libanon)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Naamani

Deutsche Welle: Herr Flasbarth, die Deutsche Presse-Agentur meldet am Freitagmittag: "Zur Umweltkonferenz in Nairobi entfällt die angekündigte Berichterstattung wegen des mangelnden Nachrichtenwerts". Das ist ja schon eine Bankrotterklärung, oder? Außer Spesen nichts gewesen in Nairobi?

Jochen Flasbarth: Das hat vielleicht auch etwas mit Erwartungshaltungen zu tun. Und ich finde ehrlich gesagt eine solche Meldung nicht angemessen. Damit muss man sich schon ein wenig mehr auseinandersetzen. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass das eine wichtige Umweltkonferenz gewesen ist. Wir haben gute Beschlüsse gefasst. Und vor allem ist das eingetreten, was wir uns als Deutschland - zusammen mit anderen wie zum Beispiel den Franzosen - immer gewünscht haben: Dass das ein Ort wird, wo die Umweltminister aus der ganzen Welt zusammenkommen, miteinander beraten, aber sich eben auch viel bilateral austauschen, gemeinsame Projekte auf den Weg bringen. Und insofern: Das war hier eine gute Veranstaltung.

Aber ihre Chefin, die deutsche Bundesumweltministerin, ist auch nicht nach Nairobi gefahren. Svenja Schulze hat Sie dorthin geschickt. Ist das dann wirklich so ein wichtiges Treffen gewesen?

Das machen andere Länder ja auch mal. Das hängt damit zusammen, dass wir ja am Donnerstag im Kanzleramt in Berlin den Klimagipfel zum Verkehrsbereich hatten -  mit den Ministern, die in Sachen Verkehr mit dem Klimaschutz befasst sind. Für uns als Umweltministerium ist der fast vollständige Ausfall des Verkehrssektors im Klimaschutz hochdramatisch. Deshalb musste die Ministerin da sein. Ich habe hier versucht, sie gut zu vertreten.

Was wurde denn in Nairobi konkret erreicht?

Jochen Flasbarth
Jochen FlasbarthBild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

Wir haben eine ganze Reihe von wirklich guten Beschlüssen gefasst - unter anderem zum Thema Plastikmüll und Vermüllung der Meere, was ja auch in Deutschland große Aufmerksamkeit gefunden hat. An allererster Stelle sollen Maßnahmen ergriffen werden, um überhaupt Müll und das Plastikaufkommen zu vermeiden. Wenn es denn dann entsteht, dass es auch gut sortiert werden kann, um es anschließend zu recyceln, bis hin zur Frage, dass dies auch mit Verbraucherverhalten und Konsummustern zu tun hat. Also, wir sind mit diesem Beschluss zufrieden. Wenngleich wir uns - das will ich auch nicht verhehlen - gewünscht hätten, dass man hier auch einen Prozess für mehr rechtliche Verbindlichkeit auf den Weg gebracht hätte. Das ist diesmal noch nicht gelungen.

Die Deutschen gelten ja als Weltmeister im Müll trennen. Trotzdem wachsen hierzulande gerade auch die Plastikmüllberge immens. Ist Deutschland da überhaupt noch ein Vorbild?

Zum Ersten: Das kann so nicht bleiben, das wollen wir deutlich vermindern. Wenn man genauer hinschaut, dann besteht ein großer Anteil dessen, was bei uns an Plastikmüll entsteht, aus Industrie-Verpackungen. Das hängt mit der Wirtschaftskraft Deutschlands zusammen. Aber auch da müssen Alternativen gefunden werden. Wenngleich der allergrößte Teil dieser Verpackungen tatsächlich recycelt wird. Auch bei den haushaltsnahen Sammlungen - also das, was uns alle betrifft - haben wir schon ganz gute Sammelergebnisse. Beim Recycling müssen wir jetzt besser werden. Dazu haben wir eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen, sodass wir schon bald sagen können, dass der allergrößte Teil tatsächlich recycelt wird.

Welche Länder sind denn zurzeit ganz großes Vorbild, was die Vermeidung von Plastik angeht?

Ich will ein Beispiel nennen: Kenia, wo seit anderthalb Jahren ein Plastiktütenverbot gilt. Aus Anlass der Konferenz habe ich mir hier eine Müllbehandlungsanlage angeschaut. Übrigens die Einzige, die es in Kenia gibt und die zumindest mal den Müll einsammelt, sortiert und Teile recycelt. Ich habe den Betreiber gefragt, ob denn wirklich nach dem Plastiktütenverbot in Kenia keine Plastiktüten mehr dort im Müll ankommen. Das ist auch so. Was dort allerdings ankommt, ist eine neue Art von stoffähnlichen Tüten. In Wahrheit ist es Polypropylen: ein Kunststoff! Und der lässt sich sehr viel schwieriger recyceln als die herkömmlichen Plastiktüten. Das heißt nicht, dass wir die Plastiktütenflut nicht eindämmen sollten. Aber wir müssen uns eben auch die Alternativen genau ansehen, damit wir nicht etwas Schlechteres hervorbringen als wir eigentlich wollen.

Auch wenn es bei der UN-Umweltkonferenz in Nairobi zu keinen konkreten Vereinbarungen oder Verpflichtungen gekommen ist: Welche Willensbekundungen gab es? Was soll sich jetzt ändern, damit zum Beispiel Plastik nicht durch einen anderen Kunststoff ersetzt wird?

Die UN-Mitgliedsstaaten sind in Nairobi aufgefordert worden, national entsprechende Kreislaufwirtschaftspläne zu entwickeln. Das klingt in deutschen und europäischen Ohren vielleicht wie ein sehr schwaches Signal. In vielen anderen Ländern ist das so, dass die Umweltministerinnen und -minister, wenn sie in ihre Hauptstädte zurückkommen,  sich sehr wohl auf diese Beschlüsse beziehen und sagen: "Das ist das, was die Staatengemeinschaft uns ins Stammbuch geschrieben hat. Das sollen wir machen!" Deshalb darf man diese Beschlüsse auch nicht nur durch eine europäische Brille sehen. Ich glaube, es war gut, diese Signale zu geben.

Was werden Sie jetzt unternehmen, damit es auch in Deutschland noch besser wird und die Bundesrepublik wieder ein richtiges Vorbild ist?

Bei aller Selbstkritik: Das klingt so, als ob wir mit gesenktem Kopf durch die Welt gehen müssen. Das müssen wir nicht! Wir haben ein sehr gut aufgebautes Müllsortier-, Sammel- und Recyclingsystem. Das wollen wir weiterentwickeln. Dazu haben wir gerade die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, sodass auch wirklich sehr viel mehr stofflich recycelt wird und nicht in die Verbrennungsanlagen kommt. Und wir haben einen Dialog mit dem Handel, mit Verbraucher- und Umweltverbänden begonnen, dass schon im Handel und bei den Herstellern unnötiger Plastikmüll vermieden wird. Die typische Plastikummantelung für die Biogurke wollen wir künftig nicht mehr sehen. Ich bin sicher, dass das in diesem Dialog auch sehr bald Ergebnisse zeigt.

Jochen Flasbarth ist seit fünf Jahren Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Zuvor war der studierte Volkswirt Präsident des Umweltbundesamtes.

Das Gespräch führte Arnd Riekmann.